Die Europäische Zentralbank strebt eine Teuerungsrate von zwei Prozent für den Euro-Raum an.
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Frankfurt Die Inflationsrate in Deutschland ist im März gesunken. Die Verbraucherpreise legten im Vergleich zum Vorjahresmonat zwar um 7,4 Prozent zu, wie das Statistische Bundesamt am Donnerstag auf Basis einer vorläufigen Schätzung bekannt gab. Im Januar und Februar hatte die Rate aber noch bei jeweils 8,7 Prozent gelegen.
Grund für den starken Rückgang war vor allem ein deutlich geringerer Anstieg der Energiepreise. Ökonominnen und Ökonomen hatten im Vorfeld sogar eine noch niedrigere Teuerungsrate von 7,3 Prozent im März erwartet.
Die Zahlen befeuern die Debatte über den weiteren Kurs der Europäischen Zentralbank (EZB). Diese hatte Mitte März den Leitzins im Euro-Raum um einen halben Prozentpunkt auf 3,5 Prozent angehoben.
Gleichzeitig ließ Notenbankchefin Christine Lagarde offen, ob die EZB den Leitzins auch über den März hinaus weiter anheben wird. Zuletzt haben Investoren ihre Erwartungen mit Blick auf die weitere Zinsentwicklung stark angepasst. Anders als noch vor wenigen Wochen rechnen sie nun bereits Anfang 2024 mit ersten Zinssenkungen.
Die Verfechter einer lockeren Geldpolitik sehen den Rückgang der Gesamtinflation und die jüngsten Turbulenzen im Bankensektor als Argumente gegen weitere Zinserhöhungen. Dagegen verweisen die Anhänger eines straffen Kurses auf die hohe Kerninflation. Dieser um Energie- und Lebensmittelpreise bereinigte Wert ist zuletzt weiter gestiegen. Im Euro-Raum erreichte er im Februar mit 5,6 Prozent einen neuen Rekordwert.
Für Deutschland weist das Statistische Bundesamt die Kerninflation nicht einzeln aus. Die Commerzbank schätzt aber, dass sie im März auf 5,9 Prozent gestiegen ist, nachdem sie im Februar bei 5,7 Prozent gelegen habe. Das gilt als Zeichen dafür, dass die Inflation zunehmend in der Breite der Wirtschaft ankommt.
Commerzbank-Ökonom Ralph Solveen sieht die Zahlen daher kritisch. „Ohne Energie hat sich der Preisanstieg sogar noch verstärkt, was den Druck auf die EZB zu weiteren Zinsanhebungen aufrechterhält“, sagt er.
EZB-Direktorin Isabel Schnabel hatte jüngst davon gesprochen, dass sich die Kerninflation inzwischen als viel hartnäckiger als die Gesamtinflation erweist. Dies verursache „natürlich auch einige Kopfschmerzen für Notenbanker“.
Energiepreise steigen kaum noch
Der Preisanstieg bei Energie verringerte sich im März deutlich auf 3,5 Prozent gegenüber dem Vorjahr, nach 19,1 Prozent im Februar. Stärkster Preistreiber blieben Nahrungsmittel: Sie verteuerten sich um durchschnittlich 22,3 Prozent im Vergleich zum März 2022 und damit stärker als im Februar mit 21,8 Prozent. Der Preisanstieg bei Dienstleistungen verstärkte sich von 4,7 auf 4,8 Prozent.
Roxane Spitznagel, Ökonomin der US-Fondsgesellschaft Vanguard, sieht keinen Grund zur Entwarnung. Sie geht davon aus, dass vor allem die Preise für Dienstleistungen noch stärker steigen werden, weil dort die Lohnkosten einen höheren Anteil ausmachen. Die Löhne sind zuletzt stärker gestiegen.
Spitznagel erwartet ebenfalls weitere Zinserhöhungen der EZB. Aus ihrer Sicht werden die jüngsten Turbulenzen im Finanzsektor nach der Pleite der Silicon Valley Bank die Notenbank hiervon nicht abhalten.
„Die EZB sollte sich mit ihrer Zinspolitik auf die Inflationsbekämpfung konzentrieren“, sagt Spitznagel. „Wenn es Probleme bei der Finanzstabilität gibt, dann muss sie dies mit anderen Instrumenten angehen.“
Zurückhaltender mit Blick auf Zinserhöhungen ist hingegen der Chef des gewerkschaftsnahen Instituts für Makroökonomie und Konjunkturforschung (IMK), Sebastian Dullien. Er erwartet, dass der fallende Preisdruck bei Energie und Vorleistungen im Jahresverlauf auch die Kerninflation drücken wird. Dullien fürchtet daher, „dass die EZB die Zinsen übermäßig weiter anhebt und damit ohnehin schwelende Verwerfungen an den Finanzmärkten verstärkt“.
Als warnendes Beispiel verweist er auf die Erfahrungen aus dem Jahr 2008. Damals hatte die EZB zwei Monate vor der Pleite der US-Bank Lehman Brothers und dem Höhepunkt der globalen Finanzkrise die Zinsen angehoben.
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