Berlin Wenn die CDU an diesem Montag das amtliche Wahlergebnis verkündet, wird Friedrich Merz nicht noch einmal zu Tränen gerührt sein, so wie vor einer Woche auf dem digitalen Parteitag. Der zehnte Vorsitzende in der Geschichte der Partei, der zunächst Mitte Dezember bei einer Mitgliederbefragung quick zwei Drittel der Mitglieder für sich einnahm und den dann die Delegierten mit intestine 95 Prozent bestätigten, sieht den Tag allenfalls als offiziellen Startschuss für seinen selbst erklärten Auftrag: die Partei wieder auf ordnungspolitischen Kurs und zurück an die Macht zu bringen.
Merz, seit 50 Jahren Mitglied der Partei, wird am Dienstag vor die Mitarbeiter des Konrad-Adenauer-Hauses treten und erklären, wie er sich moderne Parteiarbeit in der Opposition vorstellt: Kampagne und Attacke.
Der Sauerländer, der sich selbst mit einer „alten Bürste, die die Ecken kennt,“ vergleicht, wird Private austauschen und die Abteilungen umkrempeln: Sein Sprecher aus der Zeit als Vizepräsident des Wirtschaftsrates der CDU wird sein persönlicher Pressesprecher. Leiter der Strategieabteilung könnte Markus Kerber werden, der unter Horst Seehofer (CSU) im Bundesinnenministerium Staatssekretär warfare. Eine Bestätigung der Personalie gab es nicht, aber auch kein Dementi.
In den vergangenen Wochen hat der 66-Jährige bereits unzählige Telefonate geführt, um seine Macht auszubauen. Er traf sich stay oder through Videokonferenz mit den Partei-Vereinigungen und hat all jene des Platzes verwiesen, die ihn kritisch betrachten.
Prime-Jobs des Tages
Jetzt die besten Jobs finden und
per E-Mail benachrichtigt werden.
So katapultierte er die Vorsitzende der Frauen Union, Annette Widmann-Mauz, aus dem Präsidium. Sie hatte ebenso wie Teile des Arbeitnehmerflügels bei den Wahlen 2018 und 2021 maßgeblich dafür gesorgt, dass Merz gegen Annegret Kramp-Karrenbauer und Armin Laschet verlor.
Über Bande entmachtet Merz Kritiker
Anfang des Jahres bat Merz die Junge Union, eine junge Kandidatin für das Parteipräsidium zu nominieren. Parallel schlug er die nordrhein-westfälische Bauministerin Ina Scharrenbach vor. Was zunächst wie ein Versehen aussah, sorgte dafür, dass es einen Kandidaten mehr als Plätze für das Präsidium gab: Widmann-Mauz verlor.
Auch beim Arbeitnehmerflügel scheint Merz für Ordnung in seinem Sinne sorgen zu wollen. So will der langjährige CDA-Vorsitzende Karl Josef Laumann (64) doch noch einmal kandidieren, obwohl ein Generationenwechsel geplant warfare.
Sein Vize Dennis Radtke, 42, hatte sich Hoffnungen gemacht. Der Europaabgeordnete aus dem Ruhrgebiet hatte aber lautstark vor den „Merz-Ultras“ gewarnt und eine neue Sozialpolitik angemahnt. Auf dem Parteitag verlor auch er bei der Wahl – in den Bundesvorstand. Merz dürfte es mit Wohlwollen zur Kenntnis genommen haben.
Laumann indes hat oft schon Kompromisse mit dem Wirtschaftsflügel in Individual des ehemaligen Cooks der Mittelstandsunion Carsten Linnemann ausgehandelt. Der ist nun Parteivize und soll ein neues Grundsatzprogramm erarbeiten.
Ebenso wenig zimperlich ging Merz in dieser Woche mit Ralph Brinkhaus, Chef der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, um. Der Ostwestfale wollte sich Ende April wieder zur Wahl stellen und wähnte mindestens die CSU-Landesgruppe hinter sich. Merz aber hat nie einen Hehl daraus gemacht, die Berliner Bühne für sich allein zu beanspruchen.
Angela Merkel hatte es ihm 2002 vorgemacht, als sie als CDU-Chefin Merz den Fraktionsvorsitz entriss. Er schied 2009 frustriert aus der Politik aus und kehrte erst vergangenes Jahr zurück in den Bundestag.
Für seinen Coup hatte sich Merz mit Markus Söder besprochen, der angesichts von schlechten Umfragewerten im eigenen Land genügend Probleme hat und Ärger in Berlin nicht gebrauchen kann. Brinkhaus zog sich vergangenen Donnerstag resigniert zurück. Merz stellte nüchtern fest: „Wir bündeln damit die Arbeit in Partei und Fraktion.“
CSU-Chef Söder reiht sich ein
Auch das Verhältnis zur CSU hat Merz mit Söder sortiert. Machtspiele und Streit wie 2021 würden sich mit ihm nicht wiederholen. Die CDU sei die große Schwester, nicht umgekehrt. Längst erklärt auch Söder, dass sich 2021 nicht wiederholen wird. Beide haben verabredet, sich wöchentlich auszutauschen.
Schließlich ist die Zeit knapp. Ob es einen Merz-Aufbruch gibt, entscheidet sich bei den Landtagswahlen: Ende März im Saarland, dann im Mai in Schleswig-Holstein und Nordrhein-Westfalen – allesamt Länder, in denen die CDU aktuell den Ministerpräsidenten stellt.
Im September dann soll es schon den nächsten Bundesparteitag geben, in Bremen in Präsenz, um endlich neue Statuten zu beschließen. Die CDU will dann ein 50-Prozent-Frauenquorum einführen und das Amt der stellvertretenden Generalsekretärin schaffen. Merz will im Norden auch den Wahlkampfendspurt einläuten: für Niedersachsen, wo die CDU noch Juniorpartner ist und gern den Ministerpräsidenten stellen würde.
Kein Wunder, dass die neue Partei unter Merz auch im Fall von Max Otte schnell und hart reagierte und ihn noch am Tag seiner Kandidatur für das Amt des Bundestagspräsidenten unter der Fahne der AfD aus der Partei schmiss. „Einstimmig und schnell und klar“, sei die Entscheidung gefallen, wie Parteivizin Silvia Breher, selbst aus Niedersachsen, erklärte.
Mehr: „Wir brauchen Streit – aber nicht um Private“: Crew Merz probt den Aufbruch