Düsseldorf, New York Die Botschafter der 27 EU-Staaten wollen noch heute über neue Sanktionen gegen Russland und Belarus beraten. Das berichtet die Nachrichtenagentur Reuters und bezieht sich auf drei mit den Plänen vertrauten Personen. Danach sollten drei belarussische Banken und weitere russische Oligarchen und Abgeordnete auf die Sanktionsliste kommen sowie der Export von Technologie im maritimen Bereich verboten werden.
EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen hatte am Montag angekündigt, dass man Lücken im Sanktionsregime schließen wolle, um zu verhindern, dass Auflagen umgangen werden. Dazu gehört nach dem Schlag gegen das russische Finanzsystem auch eine stärkere Kontrolle von Kryptowährungen.
Im russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine gibt es Hoffnung für die notleidenden Menschen in einigen umkämpften Städten. Nach einer Feuerpause startete am Dienstag eine erste Fahrzeugkolonne mit Einwohnern von Sumy im Nordosten der Ukraine, wie das Außenministerium des Landes auf Twitter bekannt gab.
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Die Einwohner der Stadt sollen mit Bussen und Autos in die 170 Kilometer entfernte zentralukrainische Großstadt Poltawa gefahren werden.
Allerdings sollen russische Streitkräfte nach Angaben der ukrainischen Regierung eine Evakuierungsroute für die belagerte Hafenstadt Mariupol unter Beschuss genommen haben und damit gegen eine vereinbarte Feuerpause verstoßen.
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Acht Lastwagen und 30 Busse seien bereit, humanitäre Hilfe nach Mariupol zu liefern und Zivilisten nach Saporischschja in Sicherheit zu bringen, teilt der Sprecher des Außenministeriums, Oleg Nikolenko, auf Twitter mit. Er forderte: „Der Druck auf Russland muss erhöht werden, damit es seine Verpflichtungen einhält.“
Das russische Militär setzte am Dienstagmorgen nach eigenen Angaben eine Feuerpause in der Ukraine in Kraft und öffnete „humanitäre Korridore“ in fünf Städten. Dazu zählen auch die Hauptstadt Kiew, die Großstädte Tschernihiw und Charkiw sowie eben jene Hafenstadt Mariupol.
Die Lage in der Stadt am Asowschen Meer gilt 13 Tage als besonders kritisch. Dort warten nach Angaben des Roten Kreuzes 200.000 Menschen darauf, über verschiedene Routen aus der Stadt zu kommen. Es wäre der inzwischen vierte Versuch, die Bewohner in Sicherheit zu bringen. Bei einigen der geplanten Fluchtkorridore kritisiert die ukrainische Seite, dass die Menschen nach Russland gebracht werden sollten.
Selenski zu Gesprächen über Donbass und Krim bereit
Der ukrainische Präsident Wolodimir Selenski hat sich zu Gesprächen über den Standing der Separatistengebiete im Osten des Landes und der von Russland annektierten Schwarzmeer-Halbinsel Krim bereit gezeigt.
Im US-Sender ABC machte Selenski am Montagabend (Ortszeit) zugleich deutlich, dass er nicht auf Forderungen aus Moskau eingehen werde, die Unabhängigkeit der selbst ernannten „Volksrepubliken“ sowie die russische Herrschaft über die Krim anzuerkennen. „Ich bin bereit für einen Dialog. Aber wir sind nicht bereit für eine Kapitulation.“
Weiter sagte der ukrainische Präsident: „Wir können diskutieren und einen Kompromiss finden, wie diese Gebiete weitermachen können.“ Wichtig sei, darauf zu achten, wie es den Menschen dort ergehe, die Teil der Ukraine sein wollten. Es deal with sich um eine viel kompliziertere Frage als nur um eine Anerkennung. „Dies ist ein weiteres Ultimatum, und wir erkennen keine Ultimaten an.“
Selenski forderte erneut den russischen Präsidenten Wladimir Putin zu direkten Verhandlungen auf. „Was Präsident Putin tun muss, ist, ein Gespräch zu beginnen, einen Dialog, anstatt weiter in einer Informationsblase ohne Sauerstoff zu leben.“ Selenski räumte ein, dass Russland die Lufthoheit über der Ukraine habe. Er forderte erneut eine Flugverbotszone. Es gehe darum, Raketenbeschuss auf zivile Einrichtungen zu verhindern.
Selenski erhebt Vorwürfe gegen Russland bei Fluchtkorridoren
Mit Blick auf die Nato gab sich Selenski enttäuscht. Das Bündnis sei nicht bereit, die Ukraine als Mitglied zu akzeptieren. „Die Allianz hat Angst vor kontroversen Fragen und einer Auseinandersetzung mit Russland.“ Er deutete an, auf einen Beitritt zu verzichten. Die Ukraine sei kein Land, das auf den Knien um etwas bettele. Seit einer Verfassungsänderung 2019 ist der Nato-Beitritt das erklärte Ziel der ehemaligen Sowjetrepublik.
Trotz des Vormarschs russischer Truppen will Selenski bis zum Kriegsende in der Hauptstadt Kiew bleiben. „Ich verstecke mich nicht und fürchte niemanden. Ich bleibe, solange es nötig ist, um diesen Krieg zu gewinnen“, sagte Selenski in einer am Dienstag veröffentlichten Videobotschaft. Jeder Tag des Kampfes schaffe „bessere Bedingungen“ für die Ukraine.
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Millionen auf der Flucht
Mehr als zwei Millionen Menschen sind seit Beginn des russischen Einmarschs aus der Ukraine geflohen. Die meisten Menschen seien nach Polen sowie nach Ungarn, Rumänien, Moldau und in die Slowakei gegangen, sagte eine Sprecherin des UN-Flüchtlingshilfswerks (UNHCR).
Nach Angaben der UN-Organisation für Migration (IOM) waren darunter intestine 100.000 Menschen aus Drittstaaten. Die Ukraine zählte vor Beginn des Kriegs mehr als 44 Millionen Einwohner.
Russische Truppen sollen am Montag weiterhin harte Angriffe auf ukrainische Städte und zivile Infrastruktur gefahren haben. Russland habe fünf Siedlungen an der Grenze der Gebiete Donezk und Saporischschja eingenommen, teilte das Verteidigungsministerium in Moskau mit.
Den Einwohnern der Ortschaften „wird humanitäre Hilfe zuteil“, hieß es. Zudem hätten Kampfjets und Bomber 26 weitere militärische Objekte zerstört, teilte das Ministerium weiter mit. Darunter seien zwei Kommandoposten, eine Radarstation und fünf Munitionsdepots. Russland beharrt darauf, die Truppen griffen keine zivilen, sondern nur militärische Ziele an.
Bei Kämpfen um die zweitgrößte ukrainische Stadt Charkiw ist nach Angaben des ukrainischen Militärgeheimdienstes ein russischer Normal getötet worden. Demnach handelt es sich um Generalmajor Witali Gerassimow.
Der 45-Jährige habe mit russischen Truppen in Syrien und Tschetschenien gekämpft und an der Besetzung der Krim 2014 teilgenommen, hieß es. Russland äußerte sich zunächst nicht. Die Angaben waren nicht unabhängig zu prüfen.
Die ukrainischen Streitkräfte fügten den Angreifern auch sonst nach eigenen Angaben schwere Verluste bei. Einige russische Einheiten hätten bei Kämpfen um Konotop und Ochtyrka im Nordosten des Landes bis zu 50 Prozent ihres Personals verloren. „Der moralische und psychologische Zustand des Feindes bleibt extrem niedrig“, behauptete der Generalstab in Kiew.
Russische Soldaten würden in Scharen desertieren. Der Generalstab warf den russischen Truppen vor, noch schwerere Luftangriffe auf ukrainische Städte zu fliege. Die Angaben der beiden Kriegsparteien ließen sich nicht von unabhängiger Seite überprüfen.
In Russland selbst regt sich weiter Widerstand, der aber mit repressiven Maßnahmen bekämpft wird. Die Hohe Kommissarin für Menschenrechte der UN, Michelle Bachelet, wirft der russischen Regierung die willkürliche Festnahme von 12.700 Teilnehmern an Anti-Kriegs-Kundgebungen vor.
Sie kritisiert Gesetze, mit denen bürgerliche und politische Rechte eingeschränkt sowie gewaltfreie Proteste kriminalisiert werden. Insbesondere wendet sich Bachelet gegen Gesetze, die die „Diskreditierung“ der Armee unter Strafe stellen.
Ukraine: Milliardenschäden an Verkehrs-Infrastruktur
Die ukrainische Regierung schätzt die bisherigen Schäden am Verkehrssystem des Landes durch den russischen Angriff auf bisher mehr als zehn Milliarden Greenback (etwa 9,2 Milliarden Euro). Betroffen seien etwa Brücken, die Eisenbahn und Flughäfen, sagte der ukrainische Infrastrukturminister Alexander Kubrakow der Onlinezeitung „Ukrajinska Prawda“ zufolge.
Er sei überzeugt, dass die meisten Schäden in spätestens zwei Jahren beseitigt sein könnten. Dabei rechnet Kubrakow wohl auch mit ausländischer Hilfe. „Dieser Krieg ist nicht der unsere“, sagte er. Die Ukraine verteidige die Interessen der gesamten zivilisierten Welt. „Wir werden das Land nicht auf eigene Faust wiederherstellen.“
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Außenminister der Ukraine bestätigt geplantes Treffen mit Lawrow
Der ukrainische Außenminister Dmitro Kuleba bestätigte den Plan für ein baldiges Gespräch mit seinem russischen Kollegen Sergej Lawrow. „Derzeit ist der 10. (März) geplant“, sagte er in einer Videobotschaft. Der türkische Außenminister Mevlüt Cavusoglu hatte zuvor gesagt, beide Seiten würden am 10. März in Antalya erwartet.
Am Dienstag sprachen Bundeskanzler Olaf Scholz, Frankreichs Präsident Emmanuel Macron und Chinas Staats- und Parteichef Xi Jinping per Videoschalte über den Ukrainekrieg. Scholz und Macron hatten das Gespräch mit Xi Jinping gesucht, um die diplomatischen Bemühungen für ein Ende des Kriegs voranzubringen.
Chinas Außenminister Wang Yi hatte am Montag deutlich gemacht, dass die Volksrepublik hinter ihrem „strategischen Accomplice“ Russland stehe.
Nach den Worten des britischen Verteidigungsministers Ben Wallace kann sich die Ukraine Hoffnung machen, den Krieg gegen Russland zu gewinnen oder zumindest ein Patt zu erreichen. „Das ukrainische Volk kann, wenn es so weitermacht wie bisher, die russischen Streitkräfte so weit zermürben, dass es für einen Sieg oder zumindest ein Patt ausreicht“, sagte Wallace dem Sender Occasions Radio am Dienstag. Voraussetzung sei die richtige Ausrüstung. Ein großer Vorteil der Ukrainer sei, dass sie im Bewusstsein kämpften, das Recht auf ihrer Seite zu haben.
Der Konflikt zeige, dass gerade junge Menschen in der Ukraine und ganz Europa an ihre Werte glaubten, sagte der konservative Politiker. Diese „moralische Komponente“ mache es für Russlands Präsident Wladimir Putin sehr schwer, mit der Invasion Erfolg zu haben.
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US-Demokraten und Weltbank bereiten Milliarden-Hilfspaket für Ukraine vor
Die Demokraten im US-Senat bereiten ein Paket für die Ukraine im Umfang von mehr als zwölf Milliarden Greenback (elf Milliarden Euro) für humanitäre Hilfe und Unterstützung des Militärs vor.
Die Mittel würden Flüchtlingen und Vertriebenen zu Gute kommen, genauso wie der medizinischen Versorgung, der Ernährungssicherheit und dem Switch von Waffen in die Ukraine, sagte der Mehrheitsführer der Demokraten im Senat, Chuck Schumer. Das Paket solle noch im Laufe der Woche als Teil des Haushalts beschlossen werden.
Die Weltbank beschloss zur Unterstützung der Ukraine ein Paket, das dem Land 723 Millionen Greenback (665 Millionen Euro) neuer Kredite und Hilfen einbringen soll. Die schnelle Auszahlung werde der Regierung helfen, Sozialleistungen zu finanzieren sowie Mitarbeiter des Gesundheitswesens und Renten zu zahlen, erklärte die Weltbank. Dies sei nur „der erste von vielen Schritten“, um der Ukraine zu helfen.
Mit Agenturmaterial.
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