Mit Cristina Stenbeck verlässt die letzte Verbindung zum früheren größten Geldgeber Kinnevik das Unternehmen.
(Foto: Reuters)
Berlin Kelly Bennett bringt internationales Flair in den Aufsichtsrat des Modeportals Zalando, das der Dax-Konzern gut gebrauchen kann. Bennett war von 2012 bis 2019 Marketingchef von Netflix und hat den US-Konzern mit Gründer Reed Hastings zum weltgrößten Streaminganbieter aufgebaut. Seit 2019 arbeitet Bennett als Berater, unter anderem für Microsoft und Spotify, und sitzt im Aufsichtsrat von Zalando. Auf der virtuellen Hauptversammlung am kommenden Mittwoch soll der 51-Jährige nun den Vorsitz des Kontrollorgans von Europas größtem Modehändler übernehmen.
Der Kanadier Bennett übernimmt den Spitzenposten in einer schwierigen Phase, in der Zalando eine Antwort auf das geringe Wachstum in der Nach-Corona-Zeit finden muss. Denn inzwischen shoppen die 51 Millionen Kunden auch wieder im Einzelhandel und kaufen online weniger ein.
„Wir wollen, dass unsere Kunden häufiger zu uns zurückkommen und generell mehr Zeit auf unserer Seite verbringen“, formuliert Bennett sein Ziel für Zalando. Daher sei es ein wichtiger Teil der Strategie, „stärker auf die Kundenbedürfnisse in den einzelnen Märkten einzugehen“, damit die Kunden eine „sehr starke emotionale und loyale Bindung“ zu Zalando aufbauen, „wie es schon in einigen Ländern der Fall“ sei. Die konkrete Umsetzung will er den Firmengründern und -chefs Robert Gentz und David Schneider überlassen.
Bennett: Zalando soll erste Anlaufstelle für Mode sein
Doch das wirtschaftliche Umfeld ist schwierig: Angesichts hoher Inflation und anhaltender Wirtschaftsschwäche geben die Kunden weniger Geld für Mode aus. Unter anderem meldeten zuletzt die Modehändler Peek & Cloppenburg, Gerry Weber, der Schuhhändler Reno und der Warenhauskonzern Galeria Insolvenz an. Um für die Kunden attraktiv zu sein, müsse daher das Gesamtprodukt passen. Zalando müsse unter den „vielen Optionen“, die Kunden beim Einkaufen hätten, die stimmigste sein, sagt Bennett: „Wir wollen die erste Anlaufstelle sein, wenn es um Mode geht.“
Um dieses Ziel zu erreichen, müsste bei Zalando allerdings intern Ruhe herrschen. Doch aktuell läuft der erste große Stellenabbau der Firmengeschichte, der unter den rund 17.000 Angestellten für große Aufregung sorgt. Angetrieben vom Erfolg in der Coronapandemie bauten die Berliner viele Stellen auf, die sie nun doch nicht mehr benötigen. Die Unternehmensgründer Gentz und Schneider nahmen den Stellenabbau auf ihre Kappe und erklärten, man sei zu stark gewachsen und dadurch unflexibel geworden. Bennett will Zalando zusammen mit den Gründern nun so umbauen, dass das Unternehmen nicht mehr von hohen Wachstumsraten abhängig ist.
Alle Verbindungen zu Kinnevik gekappt
Mit dem Wechsel an der Spitze des Aufsichtsrats endet auch die Verbindung von Zalando mit dem langjährigen größten Einzelaktionär, der Beteiligungsgesellschaft Kinnevik aus Schweden. Kinnevik gab die eigene Beteiligung von 21 Prozent vor etwa zwei Jahren an die eigenen Aktionäre weiter und damit in den Streubesitz. Kinnevik-Haupteignerin Cristina Stenbeck war jedoch weiterhin Vorsitzende des Aufsichtsrats. Mit ihr verabschiedet sich eine der bekanntesten Investorinnen Europas, die maßgeblich für Zalandos Aufstieg verantwortlich war – und den der Start-up-Schmiede Rocket Internet, um die es inzwischen sehr ruhig geworden ist.
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Stenbecks Nachfolger Bennett kennt die beiden Firmenchefs schon seit „weit vor dem Börsengang“ 2014, wie er erzählt. Damals habe er für Netflix gearbeitet, das zu dem Zeitpunkt Büros in Europa eröffnen und dafür hiesige Gründer treffen wollte. „Wir haben den Kontakt dann über die Jahre aufrechterhalten“, sagt Bennett. Gentz und Schneider hatten Zalando 2008 als Online-Schuhladen gegründet.
Der neuen Aufgabe geschuldet, wird der Wahl-Amsterdamer Bennett bald mehr Zeit in der deutschen Hauptstadt verbringen. Bisher habe er die meisten Ecken joggend erkundet, berichtet er. Der Zalando-Hauptsitz liegt passenderweise direkt neben der Mercedes-Benz-Arena, wo die Eisbären Berlin ihre Eishockey-Heimspiele austragen.
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Er werde sich sicherlich das ein oder andere Spiel der Eisbären ansehen, sagt Bennett. Schließlich ist Eishockey in seiner Heimat Kanada die beliebteste Sportart.
Vielleicht belebt der Kanadier dann ja neben dem Geschäft auch das Produktangebot von Zalando. Sportkleidung für Fußball, Basketball und andere Sportarten gibt es bei dem Onlinehändler schon – aber noch keine Eishockey-Bekleidung.
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