Düsseldorf Der Streit beim Maschinenbauer Deutz um die gesetzlich vorgeschriebene Besetzung eines Vorstandspostens mit einer Frau hat large personelle Konsequenzen. Vorstandschef Frank Hiller (55) muss das Unternehmen verlassen.
Auch Aufsichtsratschef Bernd Bohr (65) gibt seinen Vorsitz ab, bleibt aber einfacher Aufsichtsrat, teilte das Unternehmen nach einer außerordentlichen Aufsichtsratssitzung am Samstagabend mit. Als Kompromisslösung wird Finanzchef Sebastian C. Schulte neuer Vorstandschef der 1864 gegründeten ältesten Motorenfabrik der Welt. Bohrs Nachfolger als Chefaufseher ist Dietmar Voggenreiter. Der ehemalige Audi-Vertriebschef ist bereits seit 2019 einfaches Aufsichtsratsmitglied. Damit eröffnet sich für Deutz die Probability in den nächsten Monaten für den frei werdenden Posten eine Finanzchefin zu finden und damit der neuen Gesetzeslage zu genügen.
„Mit Sebastian Schulte übernimmt ein führungsstarker Analytiker und Teamplayer den Vorstandsvorsitz von Deutz“, sagt der neue Aufsichtsratchef Voggenreiter. Der Finanzchef bringe genau die Kompetenzen für eine „worthwhile Transformation“ mit. Der 43-Jährige promovierte Wirtschaftswissenschaftler conflict erst vor intestine einem Jahr von Thyssenkrupp ins Unternehmen gekommen. „Ich bin davon überzeugt, dass wir mit ihm die konstruktive Zusammenarbeit zwischen Aufsichtsrat und Vorstand zielorientiert fortsetzen werden“, sagt Schulte.
Aufsichtsratschef Bernd Bohr hatte im Vorfeld eine „gesetzeskonforme Lösung im Sinne von Deutz“ angekündigt. Der monatelange und für das Unternehmen lähmende Streit ist damit vorerst beendet. Seit Tagen hatten Kapital- und Arbeitnehmerseite miteinander nach einer Lösung der verfahrenen Scenario gesucht. Nun hat der Aufsichtsrat beschlossen, wieder eine Frau in den Vorstand zu berufen, heißt es in der Mitteilung. Ein entsprechender Prozess dazu sei bereits aufgesetzt.
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Schon einmal conflict eine Frau Finanzchefin bei Deutz: Margarete Haase von 2009 bis 2018. Sollte eine Finanzchefin berufen werden, dann wird mitten in der technologisch anspruchsvollen Transformation der Firma voraussichtlich mit Entwicklungschef Müller nur noch ein Maschinenbauingenieur im Vorstand vertreten sein.
Der jetzige Kompromiss könnte für Deutz vor allem teuer werden. Die Ausbezahlung von Hillers Vertrag, der noch bis Ende 2026 gelaufen wäre, ist auf dem Papier rund fünf Millionen Euro wert. Welche genaue Summe für Hiller, der als knallharter Verhandler gilt, gezahlt werden muss, sagte das Unternehmen nicht. Es fehlt in der Unternehmensmitteilung jegliche Höflichkeitsfloskel.
Bohr hatte vor intestine einem Jahr zuerst den Posten des Finanzchefs mit Schulte und kurz später den Posten des Entwicklungschefs mit Markus Müller jeweils mit Männern besetzt und dadurch die Besetzung einer Frau im Vorstand versäumt. Das Bundeskabinett hatte am 6. Januar 2021 den Gesetzentwurf beschlossen, in Kraft trat das Gesetz am 12. August. Nach dem zweiten Führungspositionen-Gesetz (FüPoG II) müssen börsennotierte Unternehmen wie Deutz bei vier Vorständen mindestens eine Frau berufen.
Versäumnisse des Aufsichtsrats
Das Gesetz conflict damals zwar noch nicht in Kraft getreten, aber die große öffentliche Diskussion darum dürfte keinem Unternehmen entgangen sein. Das Unternehmen hat die anstehende Änderung der Gesetzeslage nicht erkannt oder ignoriert. Letztendlich trägt der Aufsichtsratsvorsitzende die Verantwortung für die Vorstandsbesetzung. Zumal Bohr eine der Vorstandsberufungen nur mit seinem Doppelstimmrecht durchdrücken konnte. Andere Unternehmen hatten sogar im Vorgriff des Gesetzes Frauen in den Vorstand geholt. Bei Deutz passierte das Gegenteil.
Danach suchte Bohr Auswege aus dem Schlamassel. Der Versuch, mit einem fünften weiblichen Vorstandsmitglied der Gesetzeslage zu entsprechen, löste bei Investoren und Arbeitnehmervertretern völliges Unverständnis angesichts der wirtschaftlichen Lage des Unternehmens aus.
Eine der weiteren Überlegungen conflict es nach Handelsblatt-Informationen sogar, Vertriebschef Michael Wellenzohn zu gleichen Konditionen in den Stand eines Generalbevollmächtigten zu versetzen und dafür eine Frau in den Vorstand zu berufen. Das fanden offensichtlich Wellenzohn und auch Vorstandschef Frank Hiller abwegig und protestierten bei ihrem Aufsichtsrat vehement, wodurch Hiller bei Bohr in Ungnade fiel. Es kam zum Duell zweier großer Egos.
Aktie auf Talfahrt
Der 1864 gegründete Motorenbauer mit 4700 Beschäftigten ist nach dem Coronajahr 2020 inzwischen wieder aus der Verlustzone gekommen mit rund 1,2 Milliarden Euro Umsatz in den ersten neun Monaten 2021 und einem magerem Gewinn von 24 Millionen Euro. Die Aktie verlor in den vergangenen sechs Monaten allerdings ein Viertel an Wert. Citadel Advisors LLC wettet als einziger derzeit offiziell auf sinkende Kurse bei Deutz. Der milliardenschwere Hedgefonds aus Chicago hält eine Netto-Leerverkaufsposition in Deutz AG von 664.740 Aktien beziehungsweise 0,55 Prozent des ausstehenden Aktienkapitals.
Ardan Livvey (AL) mit Sitz in Amsterdam ist mit fünf Prozent Aktienanteil größter Einzelaktionär und hat sich im vergangenen Jahr zwar kritisch über das Administration geäußert, hält sich aber derzeit zurück. Auch die großen deutschen Fondgesellschaften Union Make investments ( 6,2 Prozent) und DWS (4,2 Prozent) halten größere Pakete. Insgesamt besitzen institutionelle Anleger knapp 60 Prozent der Aktien. Die Turbulenzen der vergangenen Monate dürften beim Analystentreffen am 14. März und auf der Hauptversammlung am 28. April der Aktionäre noch für erhebliche Diskussionen wenn nicht mehr sorgen.
Das Unternehmen steckt mitten in der Transformation. Neben seinen mit Strom und Diesel oder als Hybrid betriebenen Motoren entwickelt Deutz einen Wasserstoffmotor. Der Traditionshersteller hatte bereits vor vier Jahren das Begin-up Torqeedo gekauft, das elektrische Bootsmotoren entwickelt und herstellt. Zudem hatte Deutz 2019 auch den Batteriespezialisten Futavis übernommen und ist seither in der Lage, Batteriepacks in beliebiger Kind herzustellen. Dabei geht Deutz davon aus, dass Nutzfahrzeuge in Zukunft so konzipiert werden, dass es baugleiche Modelle mit verschiedenen Antrieben geben wird.
Bei den Verbrennungsmotoren setzt das Unternehmen auf Kooperationen. Selbständig wollen die Kölner keinen völlig neuen Diesel mehr entwickeln. Neue oder angepasste Motoren werden nur noch zusammen mit Kunden wie beispielsweise John Deere konzipiert. Zudem kooperiert Deutz mit dem chinesischen Baumaschinen-Giganten Sany. Die Chinesen haben extremes Interesse an deutschen Technologie. Vor einigen Jahren übernahmen sie den schwäbischen Betonmaschinenbauer Putzmeister, damals technologischer Weltmarktführer.
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