Der Konzern fertigt dort Ionenaustauscher zur Wasseraufbereitung.
(Foto: Lanxess)
Düsseldorf In der deutschen Chemieindustrie zeichnet sich nach dem schwachem Jahresstart keine spürbare Erholung ab. „Die Chemie ist in schwerem Fahrwasser, und das wird auch im ersten Halbjahr so bleiben“, sagte Matthias Zachert, Vorstandschef des Kölner Spezialchemiekonzerns Lanxess, am Mittwoch anlässlich der Quartalsbilanz.
Bezüglich des zweiten Halbjahres 2023 zeigte sich Zachert allerdings zuversichtlich. Wie viele andere Chemiekonzerne setzt Lanxess dabei vor allem auf China. Aber auch dort ist die zu Jahresbeginn erhoffte Erholung ausgeblieben, wie zuvor schon die Ergebnisse und Einschätzungen von Evonik, Covestro und BASF zeigten.
„Wir sehen weiter eine deutliche Zurückhaltung bei den Kunden“, erläuterte Zachert. Es würden weiterhin Lagerbestände abgebaut, statt neue Ware zu bestellen. Der Umsatz von Lanxess war im ersten Quartal zwar stabil, die verkauften Menge aber rückläufig. Der bereinigte Gewinn brach um 28 Prozent auf 189 Millionen Euro ein.
Lagereffekt in der gesamten Branche
Der von Zachert beschriebene Lagereffekt ist seit Monaten in der gesamten Chemieindustrie zu beobachten. Kunden aus der verarbeitenden Industrie sind in der unsicheren wirtschaftlichen Gesamtlage weiterhin vorsichtig. Sie verbrauchen für die aktuell übersichtliche Auftragslage erst einmal die eigenen Bestände, bevor sie weitere Kosten generieren.
Im vergangenen Jahr hatten die Betriebe ihre Läger in der Erwartung eines starken Jahres 2023 aufgefüllt. Das ist nicht eingetreten. Ein zweiter Grund, warum aktuell Kaufzurückhaltung herrscht: Die Unternehmen erwarten für die kommenden Wochen Preissenkungen.
Auch der Essener Chemikalienhändler Brenntag sprach am Mittwoch von einem anhaltenden Lagerabbau bei den Kunden. „Wir rechnen aber damit, dass dieser Effekt im zweiten Quartal nachlässt und sich die Lage Monat für Monat verbessert“, sagte Vorstandschef Christian Kohlpaintner. Im ersten Quartal sackte der operative Gewinn des Dax-Konzerns um 13,1 Prozent auf 345,1 Millionen Euro ab.
Ebenso wie BASF-CEO Martin Brudermüller warnt aber auch Kohlpaintner vor allzu großen Erwartungen an das zweite Quartal. Überall zeigt sich: Die großen Chemiefirmen haben das erste Halbjahr 2023 praktisch schon abgehakt. Bei Evonik, was am Dienstag Zahlen vorgelegt hatte, sanken die Absatzmengen um 14 Prozent, der bereinigte Gewinn sackte um 44 Prozent auf 409 Millionen Euro ab.
Die Lage in der Chemie ist auch ein deutliches Signal für die allgemeine Konjunktur, da die Branche nahezu alle produzierenden Segmente beliefert. Von der Nachfrage in Europa und den USA hatte sich die Branche zu Jahresbeginn ohnehin nicht viel erwartet – anders als von Asien und speziell China nach Beendigung der strikten Covid-19-Maßnahmen.
Nach Ende der Covid-Restriktionen verreisen die Chinesen wieder stärker.
(Foto: Reuters)
In China sprang zwar der Konsum im ersten Quartal an. Doch die Chinesen gehen zunächst lieber ins Kino, verreisen oder nutzen andere lang vermisste Dienstleistungen – anstatt Güter zu kaufen, die für die Chemie wichtig sind, beobachtet Branchenexperte Markus Mayer von der Baader Bank. Zu denen gehören etwa Elektronikprodukte oder Autos. Auch die für die Chemie wichtige Bauindustrie zeigte sich in China in schwacher Verfassung.
In den gesamtwirtschaftlichen Zahlen schlägt sich dies deutlich nieder: Zwar wuchs das Bruttoinlandsprodukt der Volksrepublik im ersten Quartal. Die Exporte der deutschen Industrie in das Land aber brachen im selben Zeitraum um zwölf Prozent auf 24 Milliarden Euro ein, wie aktuelle Berechnungen des Statistischen Bundesamts zeigen. Das produzierende Gewerbe in Deutschland stellte im März 2,4 Prozent weniger her. Die hiesige Industrie nahm am konsumgetriebenen Wachstum in China also praktisch nicht teil.
Bisher hat noch kein Chemiekonzern die Gewinnprognose kassiert
„Die Preisfrage ist, ob es tatsächlich im zweiten Halbjahr zu einem konjunkturellen Durchbruch kommen wird“, sagt Analyst Mayer. Für Europas Wirtschaft haben die Chemieunternehmen wegen hoher Inflation und Energiekosten wenig Hoffnungen auf größere Zuwächse. Die Aussichten in den USA sind trotz staatlicher Anreize wie Milliardeninvestitionen dem Inflation Reduction Act (IRA) unsicher.
Also muss es China richten. Brenntag-Chef Kohlpaintner zeigte sich zwar von der dortigen Lage enttäuscht: „Wir hatten ein schnelleres Hochfahren der Produktion erwartet“, sagte er. „Aber wir gehen davon aus, dass dies in den kommenden Monaten nach und nach erfolgen wird.“ Das werde dann zum Treiber für die Nachfrage in der Chemie und hätte positive Effekte auf andere asiatische Märkte.
Auf diese Erwartung stützt sich auch der Ausblick von Lanxess-CEO Zachert, dessen Vertrag gerade um weitere fünf Jahre bis 2029 verlängert wurde. Er gibt sich überzeugt, dass auf wachsenden Konsum in China im zweiten Halbjahr eine Zunahme der Produktion folgen wird. Das wäre für alle Chemiekonzerne wichtig, um die Gesamtziele 2023 zu erreichen. Bisher hat noch keiner der großen Hersteller die Gewinnprognose gekürzt.
Mehr: Stahl- und Chemiemanager warnen: „Ohne Industriestrompreis ist Abwanderung unausweichlich“