In einer Grundsatzrede fordert der britische Außenminister eine Zusammenarbeit mit China bei Handel und Klimaschutz.
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London Die britische Regierung spricht sich für einen differenzierten Umgang mit China aus. London warnt vor der Aufrüstung Chinas im Pazifik, ruft aber zugleich dazu auf, das Land politisch und wirtschaftlich nicht zu isolieren. Es sei einfach, „einen neuen Kalten Krieg auszurufen und zu sagen, dass es unser Ziel ist, China zu isolieren“, sagte der britische Außenminister James Cleverly laut Manuskript in einer Grundsatzrede in London.
Diese Haltung sei jedoch falsch, weil sie die nationalen Interessen Großbritanniens verrate und die moderne Welt missverstehe. Cleverlys Rede war für Dienstagabend im Londoner „Mansion House“ geplant, das Außenministerium veröffentlichte zuvor die wichtigsten Auszüge.
London setzt damit einen etwas anderen Akzent als die USA, die seit Monaten vor allem in technologisch sensiblen Bereichen auf eine wirtschaftliche Abkoppelung des Westens von China drängen und Verbündete auffordern, dem Kurs zu folgen. Vor einem vollständigen „Decoupling“ warnte allerdings auch US-Finanzministerin Janet Yellen vergangene Woche.
Großbritannien hat zwar chinesische Technologien wie die 5G-Mobilfunktechnik von Huawei aus zentralen Bereichen der nationalen Infrastruktur verbannt und kürzlich die indirekte Übernahme einer Chipfabrik in Wales durch einen chinesischen Investor blockiert.
Das Königreich beharrt aber auf einer Zusammenarbeit mit Peking im Handel, bei Investitionen und im Klimaschutz. „Kein bedeutendes globales Problem – vom Klimawandel bis zum Schutz vor Pandemien, von der wirtschaftlichen Stabilität bis zur Verbreitung von Kernwaffen – kann ohne China gelöst werden“, sagte Cleverly.
Großbritannien lobt China-Position der EU
Auch EU-Kommissionschefin Ursula von der Leyen wandte sich kürzlich gegen eine wirtschaftliche Abkoppelung und forderte stattdessen, die Risiken einer ökonomischen Abhängigkeit Europas vom chinesischen Markt zu reduzieren. Die Kursbestimmung der EU-Kommissionschefin wird in London als „vorbildlich“ eingestuft. Man befinde sich in enger Abstimmung mit seiner Verbündeten, hieß es in der britischen Hauptstadt. Der französische Präsident Emmanuel Macron ging kürzlich sogar noch einen Schritt weiter und verlangte mit Blick auf die Spannungen zwischen Peking und Washington über Taiwan, dass sich Europa auch politisch stärker vom Kurs der USA absetze.
Die Haltung der EU stößt in London auf Zustimmung.
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Die Briten sind in ihrer Chinastrategie freier als andere. „Großbritannien ist wirtschaftlich weniger stark abhängig von China als zum Beispiel Deutschland“, sagt David Lawrence, Außenpolitikexperte bei der Londoner Denkfabrik Chatham House. Die britischen Investitionen in China seien schon lange rückläufig. Nur bei den globalen Wertschöpfungsketten sei man noch stark auf das Land angewiesen.
Großbritannien ist kürzlich dem pazifischen Handelspakt CPTPP beigetreten und hat dadurch die Möglichkeit, einen Beitritt Chinas zu dem Freihandelsbündnis entweder zu blockieren oder zu ermöglichen. Das CPTPP war ursprünglich auf Initiative der USA gegründet worden, um China im Pazifik wirtschaftlich zu isolieren. Washington hatte sich jedoch unter der Präsidentschaft von Donald Trump aus dem Bündnis von elf Pazifik-Anrainerstaaten zurückgezogen.
London fuhr lange einen Zickzackkurs gegenüber Peking
In den vergangenen Jahren verfolgten britische Regierungen oft einen Zickzackkurs gegenüber China. Ex-Premierminister David Cameron prophezeite noch eine „goldene Ära“ im Verhältnis zu Peking. Auf ihn folgte Theresa May, die schon deutlich skeptischer war. Für Boris Johnson war China dann schon mehr ein Rivale, seine Nachfolgerin Liz Truss wollte die aufstrebende Weltmacht sogar als „Bedrohung“ brandmarken.
Der derzeitige Regierungschef Rishi Sunak korrigierte diesen Kurs erneut und spricht in seiner kürzlich veröffentlichten nationalen Sicherheitsstrategie von einer „Herausforderung“. Gegen diesen moderateren Kurs gibt es bei den regierenden Konservativen in London allerdings erhebliche Widerstände. So bezeichnete der frühere Parteichef Ian Duncan-Smith die Haltung Sunaks als „Projekt Kotau“.
Cleverly übte denn auch scharfe Kritik an Chinas militärischem Gebaren im Pazifik: „Zurzeit führt China die größte militärische Aufrüstung in der Friedensgeschichte durch.“ Großbritannien und seine Verbündeten seien bereit, offen über ihre Präsenz im Indopazifik zu sprechen. „Ich fordere China auf, die Doktrin und die Absichten, die hinter seiner militärischen Expansion stehen, ebenso offen darzulegen.“
Ansonsten könne es zu einer „tragischen Fehlkalkulation“ kommen, mit, so wurde in London betont, katastrophalen Konsequenzen für die Weltwirtschaft. Die australische Regierung hatte am Montag angekündigt, ihre eigenen Streitkräfte in der Pazifikregion zu verstärken.
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