Berlin Der Direktor des CAR-Middle Automotive Analysis, Ferdinand Dudenhöffer, wertet die neuen Verzögerungen beim Begin der regulären Produktion in der Tesla-Fabrik in Grünheide als negatives Zeichen für den Wirtschaftsstandort Deutschland. „Tesla führt der Welt vor, wie wir uns selbst im Wege stehen“, sagte Dudenhöffer dem Handelsblatt.
Zwar hätte Tesla etwa bei der Genehmigung der Batteriefabrik „intelligenter vorgehen“ und nicht durch das „Nachreichen“ von Unterlagen „die deutsche Gerichtsmaschine zum Hochlauf bringen“ müssen, sagte der Branchenexperte weiter. „Aber solche Orkane des Widerstands zeigen, wie wenig zukunftsfähig Deutschland ist.“ Der „Gesetzes- und Verwaltungsdrang“ habe Deutschland zu einem Land gemacht, in dem das „Recht des Stillstands“ gelte.
Vor rund zwei Jahren – am 13. Februar 2020 – wurden auf dem Tesla-Gelände die ersten Bäume gefällt, inzwischen steht die Autofabrik. Das Genehmigungsverfahren wird nach Angaben des Umweltministeriums aber noch einige Zeit in Anspruch nehmen – und auch nach der Entscheidung muss Tesla demnach weitere Voraussetzungen erfüllen.
Die ersten Autos sollten nach Planung von Tesla-Chef Elon Musk bereits 2021 vom Band rollen. Umweltschützer und Anwohner haben Hunderte Einwände erhoben – unter anderem wegen Umweltrisiken, die sie sehen, und wegen des Wasserverbrauchs in Autowerk und Batteriefabrik, die Musk dort plant.
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Der Branchenexperte sorgt sich angesichts der Entwicklungen bei Tesla um weitere Projekte in Deutschland. Die Verzögerungen in Grünheide zeigten etwa für die Klimaoffensive von Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne), wie immens das Risiko des Scheiterns auch hier sei. Dasselbe gelte für die Erneuerung von Autobahnbrücken, „die zum Teil wieder mit völlig neuen Genehmigungsverfahren Dekaden brauchen, um gebaut zu werden“, sagte Dudenhöffer.
Besorgt äußerte sich auch der Industrieverband BDI. Hauptgeschäftsführer Holger Lösch forderte die Bundesregierung auf, für das Erreichen der Klimaziele endlich einfachere und schnellere Planungs- und Genehmigungsverfahren für den dringend notwendigen Umbau von Industrieanlagen zu schaffen.
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Der Verband rechnet in den nächsten acht Jahren mit einer Verdoppelung der Genehmigungsverfahren für Windenergie- und Industrieanlagen. Behörden in Bund und Ländern müssten bis 2030 jeweils rund 20.000 Genehmigungen für Industrieanlagen und auch für Windräder erteilen. „Diese Mammutaufgabe ist nur mit einer umfassenden Reform von Planungen und Genehmigungen, die Verfahren für industrielle Anlagenstrukturen einschließt, zu bewältigen“, sagte Lösch.
Auch die Umweltökonomin Claudia Kemfert vom Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) sieht dringenden Handlungsbedarf. Vereinfachte und beschleunigte Verfahren dürften aber „nicht zulasten der Requirements, insbesondere nicht der Umweltstandards“ gehen, sagte Kemfert dem Handelsblatt.
Die Vereinfachung und Verkürzung von Planungsverfahren struggle schon im Koalitionsvertrag der Ampel als wichtiges Ziel formuliert worden – unter anderem, um den Ausbau erneuerbarer Energien zu beschleunigen. Anvisiert wird etwa, die Verfahrensdauer zu halbieren. Konkrete Vorschläge dazu hat FDP-Chef und Bundesfinanzminister Christian Lindner für das erste Halbjahr 2022 angekündigt.
BDI: Verfahrensdauer mindestens um 75 Prozent reduzieren
Der BDI nannte eine Halbierung der Verfahrensdauer „völlig unzureichend“. Es müsse eine Reduzierung um mindestens 75 Prozent geben. Nur so seien die nötigen Investitionen sicherzustellen und die Klimaziele zu erreichen. „Verschleppte Verfahren kosten die Unternehmen Geld und Wettbewerbsfähigkeit“, sagte Lösch. Vor allem energieintensive Industrien wie Stahl, Chemie und Zement müssten komplett umgebaut werden, um klimaneutral zu werden.
Zuspruch fand in der Ampelkoalition ein Vorschlag des brandenburgischen Wirtschaftsministers Jörg Steinbach (SPD). Dieser hatte angesichts des schleppenden Tesla-Verfahrens erklärt: „Es sollten bauplanerische Veränderungen im laufenden Genehmigungsverfahren möglich sein, ohne dass das Verfahren noch mal komplett neu aufgerollt werden muss.“
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