Düsseldorf Für den Sentimentexperten Stephan Heibel herrscht derzeit an den Aktienmärkten die „Ruhe vor dem Sturm“. Seiner Meinung nach lässt sich aus den Ergebnissen der aktuellen Handelsblatt-Umfrage Dax-Sentiment schlussfolgern, dass ein kräftiger Impuls bevorsteht. „Allerdings lässt sich keine Richtung ableiten“, sagt Heibel.
Im Falle kluger Entscheidungen durch die Politik und die Notenbank könnte es durchaus einen Lauf zu neuen Allzeithochs beim Leitindex Dax geben. Doch genauso wahrscheinlich ist es, dass die Fehler der Vergangenheit wiederholt werden und die Aktienmärkte nach unten durchbrechen. „Der Mai verspricht also viele Kursbewegungen, ohne dass die Richtung klar ist“, erläutert Heibel.
Der Dax liegt nur knapp unterhalb seines Rekordhochs von 16.290 Punkten, obwohl sich die Lage zuspitzt. In den USA hält die Bankenkrise an, der Zusammenbruch der First Republic Bank und die Probleme der Pacwest wirken nach. Die Unsicherheit ist hoch – Marktbeobachter fürchten, dass sich ein Bankrun wiederholen könnte.
Die vier großen Risiken für Anleger
Im Hinblick auf die Geldpolitik müssen sich die Notenbanken entscheiden, entweder die Inflation zu bekämpfen und damit eine Konjunkturschwächung in Kauf zu nehmen oder aber die Konjunktur kurzfristig zu stützen und damit ein erneutes Anziehen der Inflation zu riskieren.
Gleichzeitig droht in den USA der Zahlungsausfall der US-Regierung, weil bald die Schuldenobergrenze überschritten wird. Fast schon ein US-Ritual, für das in der Vergangenheit regelmäßig eine Lösung gefunden wurde. Allerdings ist auf dem Weg zur Lösung beispielsweise im Jahr 2011 von Ende Juli bis Anfang August das US-Börsenbarometer S&P 500 um 16 Prozent eingebrochen. Der Dax hat Anfang August 2011 innerhalb von nur sieben Handelstagen über 25 Prozent an Wert verloren.
Für alle vier aktuell großen Risiken – Bankrun, Inflation, Konjunkturschwäche und US-Schuldenobergrenze – gibt es Lösungen. Entsprechend setzen Anleger auf clevere Entscheidungen der Akteure und warten ab.
„Die Mehrzahl der Anleger hofft auf die Rettung durch die Notenbanken, wie es in den vergangenen Jahrzehnten immer wieder zu sehen war“, erläutert der Sentimentexperte. Zinssenkungen würden in diesem Fall kurzfristig für eine Entlastung sorgen.
Aktuelle Umfragedaten
Doch einige Marktteilnehmer erkennen, dass solch eine kurzfristige Lösung weder nachhaltig ist noch von den Notenbanken umgesetzt werden kann. Die heftigen Kursschwankungen in jüngster Zeit haben viele Anleger genutzt, um ihr Portfolio an die angespannte Marktsituation anzupassen. „Doch die Anpassung der Portfolios geschah nur halbherzig, da man einfache Lösungen für die verschiedenen Probleme vor Augen hat“, erläutert Heibel.
Das Anlegersentiment ist auf 0,7 Punkte gefallen, nach einem Wert von 1,0 in der Vorwoche. Die gute Laune der vergangenen Wochen trübt sich ein, aktuell befinden sich Anleger in einer abwartenden Haltung. Leichte Verunsicherung macht sich breit, die Selbstgefälligkeit ist auf minus 0,6 Punkte gefallen.
Eine deutliche Mehrheit erwartet in drei Monaten fallende Kurse am deutschen Aktienmarkt. Die Zukunftserwartung ist auf minus 2,7 Punkte gefallen.
Doch anders als in den Vorwochen sehen Anleger erste Kaufgelegenheiten. Die Investitionsquote ist auf plus 0,5 gestiegen, nachdem sie in den vier Wochen zuvor negativ oder auf dem Nullpunkt war.
Das Euwax-Sentiment der Börse Stuttgart, an der Privatanleger handeln, ist auf minus zwei Prozent angestiegen und nähert sich damit der Nulllinie. Je negativer dieser Wert ist, desto höher ist der Anteil an Put-Hebelprodukten in den Depots der Anleger. Anleger haben einen großen Teil der Absicherungen gegen fallende Kurse verkauft und warten nun auf die nächsten Schritte an den Aktienmärkten.
Das haben auch die institutionellen Anleger getan, die sich über die Frankfurter Terminbörse Eurex absichern. Das Put-Call-Verhältnis steht bei 1,8 Prozent und zeigt eine derzeit neutrale Positionierung der Profis an.
Auch in den USA zeigt das Put-Call-Verhältnis der Chicagoer Terminbörse ebenfalls eine neutrale Positionierung der institutionellen Investoren an.
Fondsmanager werden mutiger
US-Fondsmanager haben ihre Investitionsquote leicht auf 67 Prozent angehoben, werden also schon wieder ein wenig mutiger. Bei den US-Privatanlegern herrscht hingegen der stärkste Pessimismus seit der Bankenkrise im März. Der Anteil der Bären liegt bei 45 Prozent, nur 24 Prozent sind bullish gestimmt. Das ergibt eine Bulle-Bär-Differenz von minus 21. Der anhand technischer Marktdaten berechnet „Angst-und-Gier-Indikator“ der US-Märkte zeigt mit einem Wert von 51 Prozent eine neutrale Verfassung an.
Hinter Erhebungen wie dem Dax-Sentiment mit mehr als 8000 Teilnehmern stehen zwei Annahmen: Wenn viele Anlegerinnen und Anleger optimistisch sind, haben sie bereits investiert. Dann bleiben nur wenige übrig, die noch kaufen und damit die Kurse in die Höhe treiben können.
Umgekehrt gilt: Wenn die Anlegerinnen und Anleger pessimistisch sind, haben sie mehrheitlich nicht investiert. Dann können nur noch wenige verkaufen und damit die Kurse drücken.
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