München, Frankfurt Die Beteiligungsgesellschaft der Allianz will den erheblichen Bewertungsabschlag im Fintech-Sektor zu spürbaren Veränderungen in ihrem Portfolio nutzen. „Wir wollen unsere Präsenz in den USA stärken“, kündigte Allianz-X-CEO Nazim Cetin im Gespräch mit dem Handelsblatt an.
Der US-Markt für junge Start-ups werde eher und schneller zurückkommen als in Europa, sagte Cetin. Bereits Ende 2024 seien auf dem amerikanischen Markt wieder Börsengänge für junge Unternehmen möglich.
Das Allianz-X-Management will die Weichen entsprechend stellen und demnächst ein Büro in New York eröffnen. Bisher haben sowohl die USA als auch Europa den Kern des Allianz-X-Portfolios gebildet.
Cetin leitet den Finanzinvestor seit 2017 und wandelte dessen Ausrichtung stark. Standen zuvor Frühphaseninvestitionen in junge Unternehmen im Mittelpunkt, so sind es nun Minderheitsbeteiligungen in späteren Entwicklungsphasen.
Inzwischen gilt Allianz X als einer der weltweit größten Investoren im Bereich New Business. 950 Millionen Dollar hat der Konzern dafür zur Verfügung gestellt, aktuell sind die 26 Beteiligungen trotz der jüngsten Abschläge knapp das Doppelte wert.
Die Krise der Silicon Valley Bank (SVB) haben die Beteiligungen von Allianz X gut überstanden. Die Firmen hätten dort zwar Konten unterhalten, aber nur in einem Fall fünf Prozent der Barmittel dort geparkt gehabt, erklärte Cetin. Die SVB ging Anfang März pleite, nachdem Kunden wegen falsch gemanagter Zinsänderungsrisiken Einlagen in Milliardenhöhe abgezogen hatten.
Investieren will Allianz X auch künftig vor allem im Finanzbereich. Zuletzt führten die Münchener Finanzierungsrunden bei den US-Unternehmen Pie Insurance und Coalition an. In diesem Jahr sollen weitere Transaktionen folgen, lässt Cetin durchblicken.
Weil Allianz X für neue Beteiligungen in der Regel mit den zur Verfügung gestellten Finanzmitteln haushalten muss, werden auch immer wieder Beteiligungen verkauft. 15 waren es seit 2017.
Allianz X mischt sich bei Beteiligungen ein
Im April wurde bekannt, dass Allianz X Teile ihrer Beteiligung an der Smartphonebank N26 zum Verkauf gestellt hatte. Cetin wollte sich dazu nicht äußern. Bereits im März 2022 hatte er jedoch deutlich gemacht, dass er mit der Entwicklung von N26 unzufrieden ist. „Die Wachstumsschmerzen sind nicht gut“, sagte er damals.
N26 kämpft mit vielen Problemen. Die deutsche Finanzaufsicht Bafin ist der Ansicht, dass die Bank zu schnell gewachsen ist und ihre Prozesse und Kontrollen nicht entsprechend weiterentwickelt hat. Im November 2021 entsandte die Behörde deshalb einen Sonderbeauftragten in die Bank und ordnete an, dass N26 pro Monat maximal 50.000 Neukunden aufnehmen darf.
Darüber hinaus sehen sich die Gründer und Chefs Valentin Stalf und Maximilian Tayenthal auch intern harter Kritik ausgesetzt. Im Februar 2022 warfen sechs Führungskräfte den beiden unter anderem „eine Kultur der Angst und der Schuldzuweisung“ und „kontrollierendes Verhalten“ vor.
Im Jahr 2018 hatte Allianz X rund 30 Millionen Dollar in N26 investiert und auch an einer späteren Finanzierungsrunde teilgenommen.
(Foto: dpa)
Cetin wollte sich zum Führungsduo von N26 nicht äußern. Er erklärte jedoch allgemein, er und sein Team von rund 40 Personen schauten sich die Managementteams bestehender Beteiligungen genau an. Auch mit anderen Investoren gebe es einen regelmäßigen Austausch über die Frage, ob das Managementteam noch passe.
„Hier würde bei einem entsprechenden Fall auch gemeinsam auf das Unternehmen eingewirkt“, sagte Cetin. Allianz X sei schließlich ein aktiver Investor und wolle mit seiner Meinung Gehör finden.
Gründer sind nicht immer die richtigen Chefs
Bisher hätten bei allen Beteiligungen mit Problemen gemeinsame Gespräche genügt, sagte der Allianz-X-Chef. Es sei schon zum Austausch von Führungskräften gekommen. Gründer hätten das jeweilige Unternehmen aber bisher nicht verlassen müssen. Grundsätzlich ist Cetin jedoch der Ansicht, dass nicht jeder Gründer in späteren Unternehmensphasen ein guter Manager ist.
Die Allianz hielt laut internen Unterlagen, die dem Handelsblatt vorliegen, zuletzt 5,3 Prozent an N26. Auch andere Investoren, die als Beobachter an Aufsichtsratssitzungen von N26 teilnehmen, haben Insidern zufolge den Druck auf Stalf und Tayenthal erhöht. Ein Austausch des Führungsduos wäre aus ihrer Sicht die Ultima Ratio, sei aktuell jedoch nicht geplant.
Ich brauche eine Größe, die handhabbar ist. Wir sind derzeit sehr aktiv und gehen davon aus, dass wir in den nächsten Monaten einige Transaktionen melden können. Nazim Cetin, CEO der Allianz X
Allianz-X-Chef Cetin beobachtet grundsätzlich, dass Start-ups mit dem Fokus auf das Endkundengeschäft (Business to Consumer, B2C) in der Entwicklung oft schneller vorankommen. Profitabler seien aber häufig die Unternehmen, die Lösungen für andere Firmen anböten (B2B).
Will heißen: Waren vor geraumer Zeit noch Fintechs und Insurtechs attraktiv, die Bankdienstleistungen oder Versicherungen an die Kundinnen und Kunden brachten, so sei heute das weniger schnelle, aber nachhaltigere Geschäft mit Geschäftskunden für Investoren attraktiver.
Bei Wefox, dem höchstbewerteten deutschsprachigen Insurtech, ist Allianz X allerdings nicht beteiligt. „Von der Seitenlinie beobachtet scheint sich Wefox gut zu entwickeln. Es passte einfach nicht zu uns“, sagte Cetin. Dafür ist Allianz X beim zweitgrößten deutschen Insurtech Clark an Bord. „Der Versicherungsmakler entwickelt sich sehr gut, wir sind hier äußerst zufrieden.“
Hohe Rendite ist eine Herausforderung
Die Zahl der Beteiligungen will Cetin im aktuellen Rahmen bei 25 bis 30 belassen. „Ich brauche eine Größe, die handhabbar ist.“ Mit 26 Unternehmen im Portfolio ist somit wenig Platz für weitere Beteiligungen. Trotzdem kündigte er vielsagend an: „Wir sind derzeit sehr aktiv und gehen davon aus, dass wir in den nächsten Monaten einige Transaktionen melden können.“
Unter Druck setzt den 45-Jährigen dabei der Erfolg der vergangenen Jahre. Zwischen 2017 und 2021 erzielte Allianz X eine jährliche Rendite von rund 30 Prozent. Doch damals waren die Zeiten für Beteiligungsgesellschaften sehr viel einfacher, ging es am Markt doch kontinuierlich nach oben.
Zuletzt mussten viele Start-ups wegen der Zinswende und des Absturzes von Technologieaktien dagegen hohe Wertverluste hinnehmen. Will Cetin trotz des Abwärtstrends das bisherige Niveau halten, muss er aktiv gegensteuern.
Der Druck ist auch deshalb hoch, weil Allianz X bald den nächsten Schritt der eigenen Evolution vollziehen will. Läuft alles nach Plan, dann könnte die Beteiligungsgesellschaft noch in diesem Jahr externe Investoren mit ins Boot holen.
Es solle ein Fonds aufgesetzt werden, über den auch deren Drittmittel investiert werden können, sagte Cetin. „Ich habe hier schon die ersten Zusagen von Interessenten.“
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