Berlin Es gehe zurück zu den Wurzeln, verkündete Airbnb-Gründer Brian Chesky am Mittwoch vergangener Woche per Pressemeldung. Gemeint ist die Vermittlung von Schlafcouchen und Mitwohngelegenheiten, mit der seine IT-Firma einst 2008 in San Francisco startete. „Mit ‚Airbnb Zimmer‘ knüpfen wir an den Gedanken an, mit dem alles begann – der Grundidee des Teilens“, erklärte der CEO.
Die Anmietung einzelner Zimmer ist keine neue Funktion, nun rückt die Plattform das Angebot aber in den Fokus – auch in Deutschland. Da der Vermittlungsbedarf sowohl bei Gästen wie bei Gastgebern nach dem Ende von Corona enorm sei, habe man diese Kategorie nun gesondert im Internetportal aufgeführt, sagte Airbnb-Deutschlandchefin Kathrin Anselm dem Handelsblatt.
„Bei Privatzimmern sahen wir 2022 einen Übernachtungszuwachs von 50 Prozent“, bekräftigte Anselm, die auch das Geschäft in Österreich und der Schweiz verantwortet. Gleichzeitig hätten sich die Neuanmeldungen einzelner Privatzimmer um 40 Prozent erhöht. „Die Reisenden schätzen es sehr, an den Übernachtungsorten Kontakte zu knüpfen.“
Tatsächlich dürfte hinter der Strategieanpassung der Kalifornier noch eine andere, weit weniger altruistische Überlegung stehen. Denn Airbnb kommt mit seinen bisherigen Angeboten zunehmend in Bedrängnis. Vor einiger Zeit schon beklagten sich die beliebten Reiseziele Amsterdam, Barcelona, Berlin, Bordeaux, Brüssel, Krakau, München, Paris, Valencia und Wien bei der EU-Kommission darüber, dass Airbnb bei ihnen für steigende Mieten, sinkende Lebensqualität und völlig überlaufene Wohngegenden verantwortlich sei.
Längst gehen Städte, die sich um die Wohnsituation der eigenen Bevölkerung sorgen, deshalb gegen die kurzzeitigen Wohnungsüberlassungen mit strengen Reglementierungen oder Verboten vor. Doch der Vermittler aus San Francisco hat nun offenbar einen Ausweg aus der Misere gefunden: Einzelne Zimmer nämlich bleiben von den massiven Einschränkungen meist unberührt.
Illegale Ferienwohnung: In Frankfurt gibt es „Airbnb-Jäger“
In Berlin etwa, wo man wie in vielen anderen Metropolen einen knappen Wohnraum beklagt, ist die Überlassung von Wohnungen an strikte Bedingungen geknüpft. Schon seit 2018 müssen sich dort Kurzzeitvermieter mit einer Identifikationsnummer bei den Bezirksämtern registrieren lassen. Sie kostet 225 Euro Bearbeitungsgebühr und ist bei Inseraten etwa auf Airbnb stets zu veröffentlichen.
Das dazu erlassene Zweckentfremdungsgesetz soll unterbinden, dass Besitzer ihre Wohnungen Fremden länger abtreten als vom Senat geduldet. In der Bundeshauptstadt sind dies für Nebenwohnungen 90 Tage pro Jahr. Doch eine Genehmigung braucht nur, wer mehr als die Hälfte seiner Wohnfläche vermietet. Ähnliche Regelungen gibt es inzwischen auch in Hamburg und sechs nordrhein-westfälischen Städten Köln, Düsseldorf, Aachen, Bonn, Münster und Dortmund.
In der Bankenstadt Frankfurt schickt das Bauamt sogar sogenannte „Airbnb-Jäger“ auf die Pirsch. Drei Stadtbedienstete gehen dort Hinweisen meist aus der Nachbarschaft nach, sobald sich der Verdacht einer illegalen Ferienwohnung erhärtet. In der Hessen-Metropole ist das Vermieten einer ganzen, selbst genutzten Wohnung lediglich acht Wochen pro Jahr ohne weitere Auflagen erlaubt. Wer darüber hinausgeht, muss die über dem üblichen Mietpreis liegenden Einnahmen der Stadt Frankfurt abtreten.
Doch auch hier gilt die Ausnahme: Ein Zimmer einer selbst bewohnten Wohnung darf dauerhaft vermietet werden. „Privatzimmer entziehen keinen knappen Wohnraum“, bestätigt Deutschlandchefin Anselm.
Schon einmal hatte Airbnb versucht, sich mit zusätzlichen Übernachtungsangeboten aus der politischen Schusslinie zu bringen. 2019 übernahm man für mutmaßlich 465 Millionen Dollar die ebenfalls in San Francisco beheimatete Hotelplattform Hoteltonight, einen Vermarkter von Restposten regulärer Luxus- und Boutiquehotels.
Zimmer statt Wohnungen: Airbnb benötigt künftig mehr Daten von Kunden
Doch um die zugekaufte Hotelzimmer-Vermittlung ist es ruhig geworden, auf der Angebotsseite von Airbnb findet sie sich – im Gegensatz zu „Zimmer“ – jedenfalls nicht mit einem eigenen Eintrag. Die Übermacht von Booking.com und Expedia dürfte es Airbnb kaum leicht machen, in diesem Segment hinreichend Fuß zu fassen. Hotels seien eher ein „kleiner Bestandteil“ des Airbnb-Angebots, sagte Anselm, und damit „nur ergänzend“.
Mit der neuen Fokussierung auf wohnungsgebundene Privatzimmer erfragt die Plattform nun zusätzliche persönliche Daten. So sollen Gastgeber etwa mitteilen, wo sie zur Schule gegangen sind, was sie beruflich machen oder wie viel soziale Interaktion man von ihnen während des Aufenthalts erwarten kann. Auch Feedbacks von Gästen und Gastgebern sollen stärker herausgestellt werden, um Überraschungen in dem engen Zusammenleben zu vermeiden.
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Immerhin: Nach dem weitgehenden Abklingen der Coronapandemie hat sich das operative Geschäft von Airbnb wieder fangen können. Schon 2022 stieg der Umsatz von sechs auf 8,4 Milliarden Dollar. Nach horrenden Verlusten – 2020 beklagte man ein Minus von 4,6 Milliarden Dollar, 2021 verlor Airbnb weitere 352 Millionen – sah der Plattformbetreiber 2022 wieder einen Nettogewinn von 1,9 Milliarden Dollar. 2023 erwartet Airbnb eine Rekordzahl von 300 Millionen Menschen, die über die Plattform verreisen oder ihre Unterkunft als Gastgeber darauf anbieten.
Allein für Anleger blieb das US-Unternehmen enttäuschend. Im Dezember 2020 notierten dessen Aktien beim Börsenstart bei knapp 145 Dollar, zum Ende vergangener Woche waren sie für nicht einmal 118 Dollar zu haben.
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