Gleichzeitig forderte er einen regulierten Zugang zu ihren neuen, besonders leistungsfähigen 5G-Netzen. Es war vor allem diese Ankündigung Dommermuths, bei der Bundesnetzagentur sogenanntes nationales Roaming zu beantragen, mit der der 1&1-Chef die Branche am Montag in Wallung versetzte.
Bei den großen Netzbetreibern war man nach der Lektüre größtenteils überrascht und verärgert. Weder die Deutsche Telekom noch Telefónica (O2) oder Vodafone wollen ihm ihre 5G-Netze derart weit öffnen.
„Der Ruf nach einem Superroaming ist absurd“, sagte ein Telekom-Sprecher dem Handelsblatt, „schon deshalb, weil nur ein Netzbetreiber zu Roaming auf einem Netz berechtigt sein könnte.“ 1&1 habe aber bis heute „kein Netz“.
Auch Telefónica, das Dommermuth ab September bereits einen Teil ihres Netzes zur Verfügung stellen muss, reagierte abweisend. Vorständin Valentina Daiber betonte, „dass 5G nicht Bestandteil der Vereinbarung“ gewesen sei. „Entsprechend erwarten wir keine wettbewerbsverzerrenden Änderungen der aktuellen Vereinbarung.“
Netzagentur will Antrag prüfen
Auf der Sitzung des politisch besetzten Beirats der Bundesnetzagentur war Dommermuths Forderung am Montag ebenfalls Thema. Teilnehmern zufolge wurde das Gremium über den 1&1-Antrag erstmals informiert. Die Netzagentur wolle diesen nun zunächst prüfen. Entsprechend zurückhaltend gaben sich die meisten Räte.
Der Ruf nach einem Superroaming ist absurd. Telekom-Sprecher
Der digitalpolitische Sprecher der FDP-Bundestagsfraktion, Maximilian Funke-Kaiser, begrüßte hingegen den Vorstoß von 1&1. Er „freue“ sich deshalb über die Prüfung.
Hintergrund von Dommermuths Forderung ist sein Plan, ein viertes Mobilfunknetz in Deutschland aufbauen zu wollen. 1&1 setzt dabei direkt auf 5G und zusätzlich auf die noch wenig erprobte Open-RAN-Technologie. Die eigene Infrastruktur besteht jedoch bislang nur aus 20 aktivierten Antennen. Die Deutsche Telekom & Co. versorgen derweil bereits weite Teile der Bevölkerung.
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Damit 1&1-Kunden während des Aufbaus bereits im ganzen Land eine Mobilfunkverbindung haben, ist Dommermuth also darauf angewiesen, sich parallel auf mindestens einem Konkurrenznetz einzumieten. Dazu hat er bereits eine Vereinbarung mit Telefónica geschlossen, darf aber in diesem Rahmen lediglich das zunehmend alt aussehende, langsamere 4G-Netz von O2 mitbenutzen.
Mit einem nationalen 5G-Roaming hätte Dommermuth indes eine Art carte blanche – was die Wettbewerber entsprechend erzürnen würde. 1&1 bekäme nicht nur Zugang zu ihren mondernsten Antennen, sondern könnte auch preislich aggressiver auftreten. Denn Roaming wird in der Regel zu vergleichsweise günstigen, besonders regulierten Vorleistungspreisen erteilt.
Bundesnetzagentur hat Bußgeld gegen 1&1 angekündigt
Bei den großen Konkurrenten dürfte sein Ansinnen deshalb noch erhebliche Abwehr zur Folge haben. Dort war man froh, dass der deutsche Mobilfunkmarkt 2014 mit dem Segen der Kartellbehörden von vier auf drei große Anbieter zusammengezurrt wurde. So mussten mit der Integration von E-Plus, dessen Netz in den Folgejahren in dem von O2 aufging, hierzulande nur noch drei Netzbetreiber um teures, weil knappes Funkspektrum bieten.
Als 2019 plötzlich Dommermuth auftrat und selbst 5G-Frequenzen ersteigerte, schien der Traum zu zerplatzen. Die anderen Netzbetreiber trösteten sich fortan mit Dommermuths Technikproblemen sowie mit der Aussicht, dass 1&1 bei 5G während des Netzaufbaus lange nicht wettbewerbsfähig sein würde. Sollte die Bundesnetzagentur seinem neuen Antrag nachgeben, wäre dieser Nachteil passé.
Deren Präsident Klaus Müller soll am Montag zudem angekündigt haben, in der nächsten Beiratssitzung im Juni erklären zu wollen, wie er beim Bußgeldverfahren gegen 1&1 weiter verfahren wolle. Ende April hatte seine Behörde erklärt, wegen des Ausbaurückstands eine womöglich millionenteure Strafe gegen Dommermuth zu prüfen.
Auch den großen Netzbetreibern droht Bußgeldverfahren
Am Montag wurde indes deutlich, dass wahrscheinlich auch die großen Netzbetreiber mit Bußgeldverfahren rechnen müssen. Hierzu würde der Beirat ebenfalls im Juni genauer informiert, hieß es.
„Wir haben bislang sehr wenige Informationen“, sagte die Vorsitzende des Digitalausschusses im Bundestag, Tabea Rößner (Grüne), die auch Mitglied des Netzagenturbeirats ist. Sie begrüßte den Aufbau eines vierten Netzes in Deutschland grundsätzlich. Dies sei „im Sinne der Verbraucher und sorgt für niedrigere Preise“. Wenn die Ausbauauflagen – wie bei 1&1 – nicht erfüllt würden, so Rößner, seien Konsequenzen jedoch nicht zu vermeiden.
Dommermuth war im Gespräch mit dem Handelsblatt in diesem Zusammenhang Vodafone und seine Mobilfunkturmtochter Vantage Towers angegangen. Er machte die Unternehmen indirekt für die Verzögerungen beim 1&1-Netzaufbau verantwortlich.
Es sei kein Geheimnis, so Dommermuth, dass „Vantage Towers unseren Vertrag im vergangenen Jahr nicht eingehalten hat“. Er hege den Verdacht, dass dies absichtlich geschehen sei. Vantage und Vodafone wollten sich dazu nicht äußern.
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