Die Bundesanwaltschaft zieht den Fall an sich, der Justizminister spricht von einem islamistischen Motiv. In der Politik deutet sich als mögliche Konsequenz eine härtere Gangart bei Abschiebungen an.
Nach der tödlichen Messerattacke von Mannheim mehren sich Forderungen nach strikteren Abschiebungen ausländischer Straftäter. Mehrere unionsregierte Bundesländer unterstützten den Vorschlag des Hamburger Innensenators Andy Grote (SPD), schwerkriminelle Ausländer künftig auch nach Afghanistan und Syrien abzuschieben. Auch FDP-Fraktionschef Christian Dürr sagte der „Bild“: „Personen, die hier islamistisch auffällig werden, sollten auch in Länder abgeschoben werden, in denen das bisher nicht möglich war, wie beispielsweise Afghanistan.“
Buschmann: Klare Hinweise für islamistisches Motiv
Ein 25-jähriger Afghane hatte bei einer islamkritischen Kundgebung auf dem Mannheimer Marktplatz ein Messer gezogen und sechs Männer verletzt, darunter ein Polizist. Der 29 Jahre alte Beamte erlag später seinen Verletzungen. Bundesjustizminister Marco Buschmann schrieb auf der Plattform X, mittlerweile lägen „klare Hinweise für ein islamistisches Motiv“ vor.
Kurz zuvor hatte die Bundesanwaltschaft verkündet, sie gehe von einer religiösen Motivation des Täters aus, und die Ermittlungen an sich gezogen. Man gehe davon aus, dass der Mann islamkritischen Menschen ihr Recht auf freie Meinungsäußerung absprechen wollte, sagte eine Sprecherin.
Der Fall hat die Debatte über den Umgang mit Islamismus und ausländischen Straftätern befeuert. Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) will am Donnerstag im Bundestag eine Regierungserklärung zur aktuellen Sicherheitslage abgeben. Dies geht aus einem Schreiben des Kanzleramts an Bundestagspräsidentin Bärbel Bas (SPD) hervor, das der dpa vorliegt. Ob der Schwerpunkt innen- oder außenpolitisch sein wird, blieb allerdings offen.
Abschiebungen ins Taliban-regierte Afghanistan?
Bayerns Innenminister Joachim Herrmann (CSU) forderte beim Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND), „die Voraussetzungen für Rückführungsmöglichkeiten von Straftätern und Gefährdern nach Syrien und Afghanistan zu schaffen – natürlich unter verfassungsgemäßer Abwägung der Grund- und Menschenrechte und bei differenzierter Betrachtung der Einzelfälle“. Der Bund verweise regelmäßig auf fehlende diplomatische Kontakte – das sei nicht akzeptabel.
Für die nächste Innenministerkonferenz (IMK) war ein Hamburger Vorstoß bekanntgeworden. Die Ministerrunde solle das Bundesinnenministerium bitten, die Sicherheitslage in Afghanistan und in der Region der syrischen Hauptstadt Damaskus neu zu bewerten. „Wir müssen einen Weg finden, für Straftäter, aber auch für Gefährder und islamistische Verfassungsfeinde, Abschiebungen nach Afghanistan wieder aufzunehmen“, sagte Senator Grote.
„Zu spät, aber immerhin“, sagte Sachsens Innenminister Armin Schuster (CDU) dem RND dazu. „Wären Hamburg und die Bundes-SPD den Vorschlägen der unionsgeführten Länder wie Sachsen schon im letzten Jahr gefolgt, dann gäbe es Abschiebungen nach Afghanistan und Syrien längst.“
Innenministerium sieht schwierige Fragen
Aus dem Bundesinnenministerium hieß es, Ministerin Nancy Faeser (SPD) prüfe intensiv Möglichkeiten, wie Abschiebungen von Straftätern und Gefährdern nach Afghanistan wieder erfolgen könnten. In diesen Fällen müsse das Sicherheitsinteresse Deutschlands klar gegenüber dem Bleibeinteresse des Betroffenen überwiegen. Angesichts der schwierigen Sicherheitslage und der Tatsache, dass keine international anerkannte Regierung in Afghanistan existiere, seien aber schwierige Fragen zu klären.
In Afghanistan hatten im Sommer 2021 die islamistischen Taliban die Macht zurückerobert. In Syrien hatte Machthaber Baschar Al-Assad 2011 Proteste brutal niedergeschlagen, der folgende Bürgerkrieg dauert bis heute an.
Der IMK-Vorsitzende, Brandenburgs Innenminister Michael Stübgen (CDU), sagte dem RND: „Die Debatte, schwere Straftäter auch in Länder wie Afghanistan und Syrien abzuschieben, gibt es schon lange. Wenn wir jetzt zu einer Einigung in dieser Frage kommen, wäre das sehr zu begrüßen.“ Es müsse aber auch klar sein, „dass wir alleine mit Abschiebungen nicht alle Probleme lösen“.
CDU-Generalsekretär fordert Aktionsplan
CDU-Generalsekretär Carsten Linnemann forderte in einem Gastbeitrag in der „Welt“ einen Aktionsplan „Politischer Islam“. Islamistische Organisationen seien zu verbieten, Kalifat-Forderungen strafrechtlich zu verfolgen. Und: „Wer in unser Land als Gast und Schutzsuchender kommt, sich aber nicht an unsere Rechtsordnung hält und unsere Werte mit Füßen tritt, hat sein Gastrecht verspielt.“
Als Reaktion auf die Bluttat von Mannheim gibt es auch Forderungen nach Messerverboten an bestimmten Orten. „Besonders problematisch ist es dort, wo viele Menschen zusammenkommen – etwa in Zügen oder an Bahnhöfen“, sagte die stellvertretende Unionsfraktionsvorsitzende Andrea Lindholz (CSU) der „Rheinischen Post“. Dort solle ein „zugriffsbereites Mitführen von Messern“ verboten werden.
8000 Menschen bei Kundgebung
Die Anteilnahme am Tod des jungen Polizisten ist groß. In Mannheim versammelten sich am Montagabend laut Polizei 8000 Menschen für eine Gedenkkundgebung. Auch Baden-Württembergs Innenminister Thomas Strobl (CDU) und Bundesministerin Faeser legten Blumen nieder.