Nur ein Wischen auf dem Smartphone, und schon ermittelt eine App den günstigsten Tarif. Das verspricht „Swipe“, die automatische Fahrpreisberechnung des MVV.
Im Rücken von Christian Bernreiter (CSU) flimmert über einen XXL-Bildschirm eine Werbung für jenen „Meilenstein“ der Mobilität, um den es bei der Vorstellung von „MVV Swipe“ am Montagnachmittag geht. Neben Bayerns Verkehrsminister ist auch der Münchner Oberbürgermeister Dieter Reiter (SPD) dabei. „Vom Flughafen in die Innenstadt mit einem …“, prangt dort als Slogan neben einem Symbol, das für eine Wischbewegung auf dem Smartphone steht.
Allein die Worte „vom Flughafen“ lassen Erinnerungen wach werden an eine legendäre Rede Edmund Stoibers (CSU), der 2002 mit unzähligen „Äh“ durch ein Loblied auf den Transrapid holperte – der später dann doch nicht gebaut wurde. Heute aber soll es tatsächlich um eine „revolutionäre Neuigkeit“ im öffentlichen Nahverkehr gehen, verspricht Christian Bernreiter. Nämlich das elektronische Ticketsystem „Swipe“, das seit Montagnachmittag im gesamten Gebiet des Münchner Verkehrs- und Tarifverbunds (MVV) zur Verfügung steht.
„Es ist wirklich einfach“, wirbt MVV-Chef Bernd Rosenbusch für das neue Angebot einer automatischen Fahrpreisberechnung, das ab sofort in den Apps von MVV und MVG auftaucht, nachdem man diese auf seinem Smartphone aktualisiert hat. So muss der Fahrgast – nach einer anfänglichen Registrierung – vor dem Einsteigen in Bus, Tram oder Bahn lediglich einmal über sein Smartphone wischen. Also Neudeutsch: swipen. Den Rest erledige dann die App, sagt Rosenbusch. Will heißen: Sie findet per GPS die richtige Haltestelle, zeigt nach dem Aussteigen und einem abermaligen Wischen auf dem Handy den Preis an. Am Ende des Tages berechnet die App dann auch den jeweils günstigsten Tarif für sämtliche Fahrten – sei es eine Kurzstrecke oder eine Tageskarte.
„Ich habe früher auch immer überlegt, wie viele Streifen ich stempeln muss und durch wie viele Zonen und Ringe ich fahre“, sagt Dieter Reiter. Doch dieses „Nachdenken, welche blöde Karte ich jetzt brauche“, gehöre mit „MVV Swipe“ der Vergangenheit an. „Wir haben jetzt ein zeitgemäßes System“, freut sich der Oberbürgermeister – wiewohl er nicht wie Bernreiter von einem „Meilenstein“ spricht, sondern lieber von einem „Mosaiksteinchen, das die Attraktivität des öffentlichen Nahverkehrs erhöht“. Darüber hinaus gebe es aber noch „ein paar Aufgaben mehr“, gibt Reiter zu bedenken – etwa „besser ausgebaute Infrastruktur, eine funktionierende Taktung und ein bezahlbarer MVV“, am liebsten kostenlos.
Natürlich habe auch er sich die Frage gestellt, ob es ein System wie „Swipe“ in Zeiten des Deutschlandtickets überhaupt noch brauche, sagt Christian Bernreiter. Doch tatsächlich gebe es etliche Fahrgäste im öffentlichen Nahverkehr, die nur gelegentlich in Bus und Bahn stiegen. Und genau für sie sei das Angebot wegen seiner Einfachheit ideal, findet der Minister. Zumindest in diesem Punkt stimmt ihm Dieter Reiter zu – und verweist auf jährlich 100 Millionen Fahrten im MVV, die im Bartarif bezahlt würden. „Das ist noch eine Menge Holz.“
Derweil betont Ingo Wortmann, der Geschäftsführer der Münchner Verkehrsgesellschaft (MVG), dass die Einführung des Deutschlandtickets beim Ticketabsatz zu einer „massiven Verlagerung in die digitalen Kanäle“ geführt habe. „Es gab hier eine Zunahme von 25 Prozentpunkten.“ Und diesen Trend wolle man nun mit „MVV Swipe“ weiter ausbauen, hofft Wortmann.
Perspektivisch wäre es „interessant“, so der MVG-Chef, wenn es das neue Angebot demnächst in ganz Deutschland geben würde. Aktuell können es freilich nur die Fahrgäste im Verbundraum des MVV nutzen, der inzwischen jedoch bereits weite Teile Oberbayerns umfasst – und weiter wächst. So werden ab 1. Januar die Landkreise Landsberg am Lech und Weilheim-Schongau mit ihren Gemeinden ins MVV-Gebiet integriert.