Einer der bekanntesten Clubs in Hamburg wird geschlossen, damit ein neues Hotel entstehen kann. Der Betreiber weiß nicht, wie es weitergehen soll.
Diese Nachricht hat eine Welle der Entrüstung ausgelöst: Der weit über die Stadtgrenzen bekannte Hamburger Konzertclub Molotow muss schließen. Aus Hunderten Kommentaren in den sozialen Medien ist Fassungslosigkeit, Wut und Trauer herauszulesen. Auch bekannte Künstler wie Casper, Tocotronic und Leoniden reihen sich in die Solidaritätsbekundungen ein. Sogar der Kapitän des FC St. Pauli, Jackson Irvine, wurde deutlich: „Fuck this!“, kommentierte er. Nur: All das wird den Standort direkt an der Reeperbahn nicht sichern. „Ich kann mir nicht vorstellen, dass da noch etwas zu machen ist“, sagt Molotow-Chef Andreas Schmidt t-online.
Am Freitag war bekannt geworden, dass dem für Indie- und Rockpartys bekannten Club gekündigt worden ist. An seiner Stelle soll ein schickes Hotel entstehen. Lesen Sie hier mehr zu den Plänen der Investoren. „Wir wussten ja, dass wir hier irgendwann wieder rausmüssen. Womöglich auch, ohne eine Alternative zu haben“, sagt Schmidt. „Der frühe Zeitpunkt hat uns aber schon sehr überrascht.“
„Das macht mir Angst“
Das Gebäude sei wie gemacht für das Molotow: In Räumen verschiedener Größe gibt es mehrere Bühnen, im Hinterhof zudem einen Biergarten. „Natürlich wird sich der Charakter des Ladens verändern, das macht mir Angst. Ein Standortwechsel ist immer ein großes Risiko“, sagt Schmidt. Was ihn traurig macht: Die Stadt habe nichts getan, um ein weiteres Hotel auf dem Kiez zu verhindern. Es ist die größte Sorge der Molotow-Freunde: Wer soll in immer mehr Hotels übernachten, wenn es keine Konzerte und Kulturveranstaltungen mehr gibt?
„Die Reeperbahn verändert sich seit Jahren zum Schlechten“, kritisiert Schmidt. „Es gibt immer mehr Systemgastro, Event-Kneipen und eben Hotels. Der ursprüngliche Charme von Seefahrern, Rotlicht und Livemusik ist weg.“ Schmidt, selbst Musiker, urteilt hart: „So eine Meile gibt es in jeder größeren Stadt.“
„Ich sage seit Jahren, dass unsere Uhr abläuft“, richtet der Molotow-Chef seine Kritik auch in Richtung der Politik. Eigentlich sollte das Molotow ins neue Palomaviertel ziehen, einmal die Reeperbahn runter. Dort war es früher schon einmal. Doch die Stadt habe es versäumt, den Investoren Druck zu machen: Das eigentlich hochattraktive Grundstück am Spielbudenplatz liegt seit Jahren brach.
Kritik an „unverlässlichem Investor“
Auch das Clubkombinat Hamburg kritisiert die Vorgänge rund um das Palomaviertel: „Durch die Verzögerungen des unverlässlichen Investors für dieses Projekt, ist das Molotow erneut Leidtragender dieser städtebaulichen Wunde“, heißt es in einer Stellungnahme des Interessenverbandes der Club-, Party- und Kulturbetreiber. „Hamburg sollte aus diesem Fall Lehren für die Zukunft ziehen.“
Der einst gute Draht zum zuständigen Bezirksamt Mitte sei abgerissen; den seit Januar 2022 neuen Leiter, Ralf Neubauer (SPD), kenne er nicht persönlich. Eine Anfrage von t-online an die Behörde blieb nach 24 Stunden unbeantwortet. Die Behörde für Stadtentwicklung verwies auf das Bezirksamt.
Zwangspause fürs Molotow steht so gut wie fest
Im neuen Jahr soll es Gespräche geben, unter anderem mit der Kulturbehörde der Stadt. Senator Carsten Brosda ließ kurz nach dem Bekanntwerden der Kündigung schon verbreiten: „Ich kann und will mir eine Kulturstadt Hamburg ohne Molotow nicht vorstellen.“
Wie es weitergeht, ist völlig unklar. „Jetzt gibt es kein Palomaviertel und uns bald auch nicht mehr. Wir stehen bald mit leeren Händen auf der Straße“, sagt Schmidt. Einen neuen Ort fürs Molotow zu finden, werde nicht leicht. „Ich hoffe auf eine gute Idee, egal von wem“, sagt Schmidt. Dass es im Sommer erst einmal eine Zwangspause geben muss, scheint ausgemacht: Der letzte Umzug habe drei Monate gedauert.