Durch den Verkauf seines Start-up-Anteils ist er zum Millionär geworden. Doch dann gab Sebastian Klein 90 Prozent seines Vermögens weg. Den gängigen Leistungsbegriff sieht er kritisch.
Die Wirtschaft stagniert. Schuld daran sei auch, dass Deutschland sich vom Leistungsgedanken verabschiedet, kritisieren Politiker und Unternehmer. Stimmt das? Wie denken die Menschen im Land darüber? Und was verstehen wir eigentlich unter Leistung? t-online geht diesen Fragen in einer Serie nach, lässt dazu bekannte und unbekannte Menschen zu Wort kommen. In dieser Folge:
Sebastian Klein, 41, Unternehmer aus Berlin und Autor:
„Ich höre immer, wir seien eine Leistungsgesellschaft – und mit den Leistungsträgern der Gesellschaft sind dann Menschen gemeint, die viel Status, viel Geld und viel Anerkennung bekommen. Ich finde aber, der Leistungsbegriff wird überwiegend missbraucht. Ich mag den Begriff ‚Beitrag‘ lieber, weil er im Gegensatz zu Leistung nicht impliziert, es ginge um eine objektiv messbare Größe.
Würde danach gefragt, welchen Beitrag Menschen zum Gemeinwesen leisten, schnitten die meisten vermeintlichen Leistungsträger wohl nicht so gut ab. Menschen, die in sozialen Berufen arbeiten oder Berufe haben, die sonst kaum jemand machen möchte, die leisten für mich einen viel größeren Beitrag – Pfleger, Krankenschwestern oder Kindergärtnerinnen zum Beispiel.
Zur Person
Sebastian Klein ist 41 Jahre alt und wohnt in Berlin. Er hat Psychologie studiert und arbeitet als Autor und Unternehmer. Er gründete unter anderem die Sachbuch-App Blinkist, durch deren Verkauf er zum Millionär wurde. Über 90 Prozent seines Privatvermögens, inklusive aller Anteile an Firmen, gab er auf. Mit seinem aktuellen Projekt, dem Wirtschaftsmagazin „Neue Narrative“, beschäftigt er sich unter anderem mit einer neuen Art, zu arbeiten und damit, wie eine menschenzentrierte Wirtschaft aussehen kann.
Im herkömmlichen Verständnis von Leistung leisten diejenigen viel, die viel arbeiten. Jemand, der 80 Stunden arbeitet, leistet in dem Verständnis mehr als jemand, der 40 Stunden arbeitet. Das ist aber kein guter Maßstab, denn jemand, der 80 Stunden arbeitet, um selbst mehr Geld zu verdienen, leistet ja nicht unbedingt mehr für die Gesellschaft.
Aufgewachsen bin ich mit dem Bild, dass man etwas leisten muss, um in der Gesellschaft anerkannt zu sein – gute Noten und gute Jobs. Mittlerweile versuche ich, mich davon freizumachen. Geschäftigkeit hat für mich per se keinen Wert. Was mir wichtig ist, ist die Wirksamkeit, die ich habe.
Ich freue mich auch, wenn ich irgendwo nicht gebraucht werde
Sebastian Klein
Ich möchte gerne sehen, dass meine Arbeit zu etwas führt, deshalb arbeite ich dann teilweise auch viel. Da geht es aber nicht so sehr darum, in dem Sinne viel zu leisten, dass ich mich sehr anstrenge, sondern eher um das, was dabei herauskommt. Ich freue mich auch, wenn ich irgendwo nicht gebraucht werde.
Auf das Thema Leistung wünsche ich mir eine ehrlichere Sicht. Wer trägt eigentlich was zum Gemeinwohl bei und wie wertschätzen wir das auch in Form von Geld und Status? Für die meisten Menschen ist es sehr unrealistisch, aus der eigenen Arbeit heraus so viel Geld anzusparen, dass sie sich beispielsweise ein Haus oder eine Wohnung kaufen können.
Millionäre in Deutschland
Etwa 500.000 Menschen in Deutschland besitzen einer aktuellen Studie der US-amerikanischen Unternehmensberatung Boston Consulting Group (BCG) zufolge mehr als eine Million US-Dollar (etwa 927.000 Euro). Rund 27.400 Menschen in Deutschland hatten laut den aktuellsten Zahlen im Jahr 2019 Einkünfte von mindestens einer Million Euro pro Jahr. In Deutschland ist das Vermögen sehr ungleich verteilt. Die fünf reichsten Familien Deutschlands haben gemeinsam mehr Vermögen als die ärmere Hälfte der Bevölkerung zusammen.
Das ist für mich ein Fehler. In einer Gesellschaft, die sich Leistungsgesellschaft nennen will, sollte das für alle Menschen möglich sein, die in Vollzeit arbeiten. Es ist aber heutzutage vor allem für diejenigen möglich, die durch Erbschaft oder anderes Glück mehr Startkapital haben als andere.
Ob ich viel Geld habe oder nicht, sagt also nichts darüber aus, wie viel ich tatsächlich leiste.
Sebastian Klein
Wie viel Geld jemand hat, hängt maßgeblich davon ab, ob er oder sie in eine reiche oder in eine arme Familie geboren wurde – so ist das Vermögen in der Gesellschaft verteilt. Ob ich viel Geld habe oder nicht, sagt also nichts darüber aus, wie viel ich tatsächlich leiste oder zur Gesellschaft beitrage.
Natürlich wird nicht alles Vermögen in Deutschland vererbt, wenn auch der Großteil. Bei mir hat es durch Glück mit unternehmerischer Anstrengung geklappt. Ich habe Firmen gegründet und mich später auch an Firmen beteiligt – daher stammte der Großteil meines Vermögens. Die Größenverhältnisse stimmen insgesamt allerdings nicht, denn mit ’normaler‘ Arbeit lässt sich in den wenigsten Fällen ein Millionenvermögen aufbauen.
Ich finde diesen Zustand ungerecht, und finde es auch nicht in Ordnung, dass Geld, das mit Arbeit verdient wird, viel höher besteuert wird, als Geld, das aus Kapitalerträgen, Spekulation oder auch aus Erbschaft stammt.
Für mich persönlich gibt es einen Vermögensbereich, in dem ich mich frei fühle. Habe ich zu wenig Geld, bin ich unfrei. Aber auch zu viel Geld ist für mich Unfreiheit, denn dann nimmt die Beschäftigung mit Geld und Vermögen so viel Raum ein, dass ich kein normales, glückliches Leben mehr führen kann. Nachdem ich die von mir gegründete App Blinkist verkauft hatte, war an meinem Vermögen eine Null zu viel, daher habe ich 90 Prozent des Vermögens aufgegeben – das kann jetzt gemeinnützig für die Gesellschaft wirken.“