Die Deutsche Gesellschaft für Ernährung (DGE) hat in diesem Jahr ihre Empfehlungen für Milch und Milchprodukte nach unten korrigiert – von drei auf zwei Portionen pro Tag. „Das entspricht einem Glas Milch und einem Joghurt pro Tag – oder einem Joghurt und einer Scheibe Käse“, erläutert DGE-Sprecherin Antje Gahl. Warum die Portion weniger? „In den neuen Empfehlungen haben wir nicht allein die Gesundheit berücksichtigt, sondern auch Umweltauswirkungen. Darunter sind Treibhausgaseffekte und Landnutzung wie Weideflächen“, ergänzt sie. Auch Verzehrgewohnheiten seien in die Modell-Berechnungen miteingeflossen.
Für Gahl ist der geringere Milchkonsum kein Drama. Ernährungsgewohnheiten ändern sich. Wir haben in den letzten Jahren einen Switch in Richtung mehr vegetarische oder vegane Ernährung“, sagt sie. Jede Generation ernähre sich anders. „In der Nachkriegszeit ging es vor allem ums Sattwerden, später kam die Fitness- und Schlankheitswelle.“ Heute gehe es eben nicht mehr nur um Bedarfsdeckung. Skepsis gegenüber Milch sei kein neues Phänomen. Es habe immer Diskussionen gegeben, wie gesund sie sei und wie sie vertragen werde – Stichwort Laktoseintoleranz, berichtet die Ernährungsexpertin.
Wie gesund ist Milch? An Nährstoffen bietet sie viel hochwertiges Eiweiß, Kalzium, Vitamin B2 und B12, Vitamin A, Eisen, Magnesium, Zink und Jod. Da könnten Pflanzendrinks pur nicht mithalten, sagt die DGE-Expertin. „Allein schon der Kalzium-Gehalt reicht nicht. Darum werden alle diese Drinks mit Nährstoffen angereichert.“ Ökotrophologen sprechen deshalb lieber von Ersatz für Kuhmilch als von Alternativen. Von Dogmatik aber ist wenig zu spüren. „Milch und Milchprodukte sind für Erwachsene in den richtigen Mengen gesund – aber sie sind nicht zwingend erforderlich“, sagt Gahl.
Bei Kindern und auch Jugendlichen sei das wegen des Knochenwachstums etwas anderes. „Eine vegane Ernährung im Kindesalter empfehlen wir nicht, weil es schwierig ist, den Nährstoffbedarf abzudecken“, erläutert sie. „Natürlich geht auch das mit Ersatzprodukten, aber dafür müssen Eltern sich wirklich gut mit Lebensmitteln auskennen.“ Ohne Milch müssten Kinder viele Vollkornprodukte, Hülsenfrüchte, Nüsse und Samen essen. „Und sie müssen das auch mögen.“
Soziologin Rückert-John erlebt an ihrer Hochschule, wie sich ihre Studierenden auch im Alltag mit Milch auseinandersetzen. Der Trend gehe zum Verzicht – allerdings werde die Sache komplizierter, je genauer sich junge Leute damit beschäftigten, berichtet sie. Denn die Öko-Bilanz der Soja- und Mandelvariante muss nicht besser sein als die von Kuhmilch. Für Sojafelder könnte in Brasilien Regenwald abgeholzt, für Mandeln zu viel Wasser verbraucht worden sein.
„Es gibt eine Überlastung und Überforderung von Verbrauchern“, beobachtet die Professorin. „Die vielen Debatten, was wir überhaupt noch essen sollten und wo Lebensmittel herkommen, das ist unglaublich komplex. Man kann ja nicht alles abwägen und durchdenken.“ Für das gute Gewissen bliebe dann für einige nur der Einkauf im Bio-Supermarkt. Doch das ist neben Überzeugung am Ende auch eine Frage des Portemonnaies.