Bundestagswahlkampf
Migrations-Abstimmung führt zu Eklat – AfD feiert
Aktualisiert am 31.01.2025 – 19:23 UhrLesedauer: 5 Min.
Die Union setzt ihren Migrations-Antrag mit Hilfe der AfD durch. SPD und Grüne sehen einen Tabubruch. Dieser Tag wird die letzten Wochen vor der Wahl bestimmen – und darüber hinaus nachwirken.
Eine Woche nach der Messerattacke von Aschaffenburg hat die Union mit Stimmen der AfD einen Bundestagsbeschluss für einen härteren Migrations-Kurs durchgesetzt – und damit für einen beispiellosen Eklat gesorgt. Er dürfte auch den weiteren Wahlkampf bis zum 23. Februar maßgeblich bestimmen. Was dieser Tag für die Regierungsbildung nach der Wahl bedeuten wird, ist noch offen.
Video | Gesetzentwurf zur Migration scheitert im Bundestag
SPD und Grüne warfen der Union vor, die politischen Mitte verlassen zu haben und machten CDU-Chef Friedrich Merz persönlich dafür verantwortlich. Nach einem solchen Votum, dürfe man „nicht so einfach zur Tagesordnung“ übergehen, sagte SPD-Fraktionschef Rolf Mützenich.
Merz bot SPD und Grünen neue Verhandlungen an und versicherte, „keine anderen Mehrheiten als die in der demokratischen Mitte unseres Parlaments“ zu suchen. Er fügte hinzu: „Wenn es hier heute eine solche Mehrheit gegeben hat, dann bedaure ich das.“
Die AfD-Fraktion sprach von einem historischen Moment. „Herr Merz, Sie haben geholfen, den hervorzubringen“, rief Fraktionsgeschäftsführer Bernd Baumann dem CDU-Chef zu. „Jetzt und hier beginnt eine neue Epoche. Jetzt beginnt etwas Neues. Und das führen wir an, das führen die neuen Kräfte an, das sind die Kräfte von der AfD.“
Der Bundestag hatte zuvor einem Unions-Antrag mehrheitlich zugestimmt, der mehr Zurückweisungen von Asylsuchenden an den deutschen Grenzen vorsieht. Für den Antrag stimmten 187 Abgeordnete der Union, 75 AfD-Abgeordnete sowie 80 Angehörige der FDP-Fraktion sowie 6 Fraktionslose. Zusammen sind das 348 Stimmen. 344 Abgeordnete waren dagegen, zehn enthielten sich. Der Antrag hat keine bindende Wirkung, der Beschluss aber eine hohe Symbolkraft.
Die AfD applaudierte nach Bekanntgabe des Abstimmungsergebnisses. SPD, Grüne votierten geschlossen mit Nein, ebenso wie die Gruppe Die Linke. Das BSW enthielt sich. Ein zweiter Antrag der Union mit umfassenden Reformvorschlägen für eine restriktive Migrationspolitik und zusätzliche Befugnisse der Sicherheitsbehörden wurde mehrheitlich abgelehnt. Beide Anträge sind rechtlich nicht bindend.
Die Sitzung wurde nach der Abstimmung unterbrochen. In der vorangegangenen Debatte hatten sich Kanzler Olaf Scholz und Merz einen heftigen Schlagabtausch, vor allem über den Umgang mit der AfD, geliefert. Der SPD-Kanzlerkandidat Scholz warf Merz vor, die klare Abgrenzung zu extrem rechten Parteien aufzugeben. „Sie nehmen die Unterstützung der AfD für Ihre rechtswidrigen Vorschläge offen in Kauf“, sagte er an die Adresse des Oppositionsführers in seiner Regierungserklärung.
Scholz mutmaßte auch, die Union könne nach der Wahl eine Koalition mit der AfD eingehen. Merz wies das in seiner Antwort auf den Kanzler als „niederträchtig“ und „infam“ zurück. „Ich werde alles tun, das zu verhindern.“ Der CDU-Chef bekräftigte dennoch, dass er für die Durchsetzung seiner Vorschläge zur Migration die Zustimmung der AfD in Kauf nimmt. Das sei ihm lieber, als „weiter ohnmächtig zuzusehen, wie die Menschen in unserem Land weiter bedroht, verletzt und ermordet“ werden.
Die AfD-Vorsitzende Alice Weidel wandte sich sowohl gegen Scholz als auch gegen Merz. Die Regierungserklärung nannte sie „ungeheuerlich“ und warf Scholz „autoritäres“ Denken vor. „Das ist Demokratie ohne Volk, das ist Demokratie ohne Wähler“, sagte sie. Die Migrationspolitik der Regierung nannte sie einen „politisch motivierten Kontrollverlust“. Die sogenannte „Brandmauer“ gegen die AfD sei ein Hebel, um den Wählerwillen auszuschließen.
Der Union warf Weidel vor, die Vorschläge zur Eindämmung der Migration von der AfD abgeschrieben zu haben. Als Sitzungsleiterin Katrin Göring-Eckardt verkündete, dass die Mehrheit für den Antrag zu den Zurückweisungen erreicht wurde, umarmten und beglückwünschten sich die Abgeordneten der AfD.
Ausgangspunkt für die aktuelle Migrationsdebatte war der Messerangriff von Aschaffenburg mit zwei Toten, der vor einer Woche den Bundestags-Wahlkampf komplett umkrempelte. Ein offenbar psychisch kranker Mann aus Afghanistan soll zwei Menschen getötet haben, darunter einen zweijährigen Jungen mit marokkanischen Wurzeln aus einer Kindergartengruppe, und weitere schwer verletzt haben. Der 28 Jahre alte Tatverdächtige war ausreisepflichtig.