In der Union wird der Ton rauer – gerade in Sachen Migration spitzt so mancher seine Aussagen zu. In den eigenen Reihen findet das teilweise Befürwortung – andere halten es für brandgefährlich.
Eine Weile war es ruhig in der Union. Als habe es die Absprache gegeben, bis zur Europawahl die Füße stillzuhalten, geschlossen aufzutreten, dem CDU-Vorsitzenden Friedrich Merz keinen Ärger zu bereiten. Und alle haben mitgemacht. Bis jetzt. Als in der Halbzeitpause des Deutschlandspiels am Sonntagabend eine Meldung aufpoppt, dürfte so mancher in der Union mit dem Kopf geschüttelt haben.
Der Grund: Ein Vorstoß des CSU-Landesgruppenvorsitzenden Alexander Dobrindt. Der sagte der „Bild am Sonntag“ zum Thema geflüchtete Ukrainer: „Es muss jetzt über zwei Jahre nach Kriegsbeginn der Grundsatz gelten: Arbeitsaufnahme in Deutschland oder Rückkehr in sichere Gebiete der West-Ukraine.“ Kriegsgeflüchtete, die hierzulande keine Arbeit aufnehmen, sollen also in ihr Heimatland zurückgeschickt werden, findet Dobrindt.
Es ist ein Vorschlag, der bei den Ampel-Parteien für Empörung sorgt. Vertreter von SPD, Grünen und FDP werfen dem CSU-Politiker Populismus vor. Sogar das Auswärtige Amt schaltet sich ein. Ein Sprecher betont, dass Russland sowohl Ziele in der Ost- als auch in der West-Ukraine angreife. Er wüsste nicht, wo es einen sicheren Ort in der Ukraine geben sollte. Auch in den Reihen von CDU und CSU zeigt man sich verärgert über derartige Aussagen. Und das nicht zum ersten Mal.
Der neue Tonfall – in der Union gehen die Meinungen auseinander
Seit einigen Wochen gibt es das immer wieder in der Union: Der Ton wird rauer, die Forderungen härter. Erst vergangenen Montag gab es die Debatte darüber, ob neu angekommenen ukrainischen Flüchtlingen künftig das Bürgergeld gestrichen werden sollten. Dafür hatten sich etwa der CDU-Innenminister aus Brandenburg, Michael Stübgen, aber auch der Parlamentarische Geschäftsführer der Unions-Fraktion (PGF), Thorsten Frei, ausgesprochen. Jetzt zieht auch Dobrindt nach.
Als Merz vor etwas mehr als einem Jahr mit Blick auf die Ukrainer von einem „Sozialtourismus“ gewarnt hatte, war der CDU-Chef damit auch in den eigenen Reihen massiv unter Kritik geraten. Dieser Tage scheint das vergessen zu sein. Im Gegenteil: Mittlerweile herrscht offenbar ein neuer Tenor. Mit Blick auf das Thema Migration insgesamt. Und eben auch, wenn es um Geflüchtete aus der Ukraine geht.
Sowohl in der CDU als auch in der CSU herrscht deshalb Unruhe. Denn Fakt ist auch: Nicht jeder findet den neuen Tonfall gut. Im Hintergrund äußern einige die Sorge, man schlage damit in die falsche Kerbe. Es werde schlichtweg überdreht, heißt es. Könnte ein innerparteilicher Konflikt ausbrechen? Und wie will der CDU-Chef Merz damit umgehen?
Tatsächlich ist fraglich, wie intensiv mancher Vorstoß dieser Tage mit der Parteiführung im Vorfeld abgesprochen wird. Fragt man nach, heißt es selbstredend, alle seien auf sämtlichen Kanälen in ständigem Austausch miteinander. Aber ist das wirklich so?
Etwa als am Montag vergangener Woche der PGF Frei twitterte: „Die Bürgergeld-Zahlungen an die Kriegsflüchtlinge setzen völlig falsche Anreize. Während es für Kiew angesichts des brutalen russischen Angriffs um alles geht, ducken sich hierzulande viele wehrfähige Ukrainer weg. Das Land braucht nicht nur Waffen, sondern auch Soldaten.“
Dass es sich dabei um eine abgestimmte Haltung der Fraktion, geschweige denn der Partei handelte, ist zumindest mal fraglich. Vor allem in den Reihen der CDU wurde anschließend zumindest hinter vorgehaltener Hand Kritik geäußert. Der Vorschlag sei praktisch nicht durchsetzbar. Man wiegele damit nur unnötig Gruppen gegeneinander auf, hieß es aus verschiedenen Landesverbänden. Aber auch in Teilen der Fraktion zeigte man sich irritiert.
CSU-Landesgruppe fasste Beschluss zu Ukrainern schon im Januar
Ähnlich verhält es sich nun nach den Aussagen Dobrindts. In diesem Fall soll es sogar keinerlei Vorwarnung gegeben haben. Wie t-online aus Unionskreisen erfuhr, sollen weder der CDU-, noch der CSU-Vorsitzende von dem Vorschlag gewusst haben. Dabei ist er gar nicht neu. Bereits im Januar hat die CSU-Landesgruppe während ihrer Klausur in Kloster Seeon einen Beschluss dazu gefasst, der genau das fordert, was Dobrindt jetzt wiederholt: Ukrainerinnen und Ukrainer, die keine Arbeitsangebote annehmen, sollen in den Westen ihres Heimatlandes zurückkehren.
Geht man danach, hat Dobrindt sogar nur einen bereits vorhandenen Vorschlag wieder aufgewärmt. Und dennoch ist man sowohl in den Reihen der CDU als auch in den Reihen der CSU genervt, wenn nicht sauer.
Merz selbst äußert sich am Montag erst einmal nicht zu der Sache. Auch sein Generalsekretär Carsten Linnemann sagt nichts. Der Vorsitzende werde am Dienstag in seinem Statement vor der Fraktionssitzung Stellung beziehen, heißt es auf Nachfrage. Am Montagabend kommt der Fraktionsvorstand zu einer Sitzung zusammen. Aus Teilnehmerkreisen erfuhr t-online, dass sowohl die spezifischen Aussagen als auch der Umgang mit dem Thema Gegenstand der Gespräche waren. Vielleicht wollte Merz sich in diesem Fall erst einmal absprechen, bevor er Stellung bezieht. Das wäre einerseits ein Lernprozess. Andererseits ist dann ganz schön viel Zeit seit Sonntag vergangen. Und in Teilen der Partei hat sich der Unmut inzwischen längst breit gemacht.