Union und SPD wollen massive Schulden für Militär und Infrastruktur machen. Doch was bedeutet das für die Wirtschaft?
Selten zuvor hat es in Deutschland ein solches Investitionspaket gegeben: 500 Milliarden Euro Sondervermögen für die Infrastruktur und quasi unbegrenzte Ausgaben für das Militär – nur ein Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP) muss aus dem Haushalt stammen. Der Rest wird durch Schulden finanziert.
Das dürfte auch eine große Aufgabe für das deutsche Finanzwesen werden; die Auswirkungen sind bisher nur schwer absehbar, doch erste Folgen gibt es bereits. Fest steht: Deutschlands Schulden werden massiv ansteigen, die Zinslast wird sich erhöhen.
Die Hoffnung ist, dass eine wachsende Wirtschaft die Schulden teilweise ausgleicht. Doch Banken, Unternehmen und Ökonomen sind sich in vielen Punkten uneinig, ob das Programm, das der wahrscheinliche nächste Kanzler Friedrich Merz (CDU) zusammen mit den SPD-Vorsitzenden Lars Klingbeil und Saskia Esken sowie CSU-Chef Markus Söder angekündigt hat, diese Hoffnung auch erfüllen kann.
So sehen die Banken zwar die Notwendigkeit der Schulden, warnen aber, dass weitere Schritte folgen müssen. Die Bundesbank hatte erst kurz vor Bekanntgabe der Milliardenpläne dafür plädiert, die Schuldenbremse zu lockern. Die Maßnahmen seien „nur vertretbar, wenn sie von tiefgreifenden strukturellen Reformen begleitet werden“, betont Heiner Herkenhoff, Geschäftsführer des Bankenverbandes, gegenüber t-online. Es brauche eine dynamische Wirtschaft für den schnellen Ausbau der Verteidigungsfähigkeiten. Bessere Investitionsbedingungen seien der nächste erforderliche Schritt.
„Andernfalls droht die Gefahr, dass die zusätzlichen finanziellen Mittel ineffizient verpuffen. Der Sprung bei den Kapitalmarktzinsen sollte als Warnung verstanden werden“, mahnt Herkenhoff. Diese stiegen nach der Ankündigung rasant, Anleihen werden also teurer. Es deutet darauf hin, dass Investoren höhere Risiken befürchten.
Dass Deutschland sein AAA-Rating verliert und weniger attraktiv für Investoren wird, ist allerdings nicht zu erwarten. Steffen Dyck von der Ratingagentur Moody’s sagte der „Welt“: „Als Hinweis auf die Fähigkeit der künftigen Regierungskoalition, eine entschlossene Politik umzusetzen, ist diese Ankündigung auch ein positives Signal für die Wirksamkeit der Politik.“ Er glaubt, dass der zu erwartende Ausgabenanstieg das Wachstum langfristig stützen wird.
- „Das wird der stärkste Mann im nächsten Kabinett“: Lesen Sie hier mehr zu den rechtlichen Risiken des Milliardenpakets
Ähnlich äußert sich die europäische Ratingagentur Scope. Analyst Eiko Sievert betont in der „Welt“, auch bei einem Anstieg der Schulden werde das Schuldenniveau von 2010 nicht wieder erreicht. Damals stieg die Verschuldung Deutschland auf 80 Prozent des Bruttoinlandsprodukts, momentan liegt sie bei rund 63 Prozent und ist damit deutlich geringerer als in anderen Industrienationen.
Zwar bleibt Deutschland weiterhin gefragter Schuldner, allerdings müssen Investoren wahrscheinlich mit höheren Zinsen gelockt werden, glaubt Jörg Krämer, Chefvolkswirt der Commerzbank: „Anleger dürften für deutsche Staatsschulden tendenziell höhere Risikoprämien fordern.“ Lesen Sie hier mehr dazu, wie Deutschland Schulden aufnimmt. Was Deutschland entgegenkommt, ist hingegen der sinkende Leitzins der Europäischen Zentralbank. Diese senkte den Einlagezins am Donnerstag seit Sommer bereits zum sechsten Mal.
Fest steht: Deutschlands jährliche Zinslast wird durch die Vorhaben von Union und SPD deutlich steigen. Zuletzt lagen die Zinsausgaben bei 34,2 Milliarden Euro. Nimmt Deutschland pro Jahr nun 180 Milliarden Neuschulden auf und bleibt der Zins gleich, könnte der Bund bereits 2027 rund 47,2 Milliarden Euro nur an Zinsen zahlen, ein Jahr später über 50 Milliarden Euro.
Embed
Auch der Schuldenstand wird mit diesen Ausgaben rasant in die Höhe schnellen. Krämers Berechnungen zufolge würde die Schuldenquote jährlich um 2,5 Prozent zulegen und in zehn Jahren 90 Prozent erreichen. Er schränkt allerdings ein, dass dies auch von der Inflation abhänge und „insofern nicht einfach zu prognostizieren ist“.