Mehrere Top-Ökonomen mahnen an, die Verteidigungsausgaben Deutschlands zu steigern. Bei der Frage der Finanzierung gehen die Meinungen teils auseinander.
Es war ein Satz, der viele im politischen Berlin hat aufhorchen lassen: „Die Haushaltspolitik ist und bleibt ein Sicherheitsrisiko für Europa“, sagte der Ökonom Moritz Schularick, Präsident des Instituts für Weltwirtschaft (IfW), am Wochenende im Interview mit t-online – und meinte damit: den von der Ampelregierung jüngst aufgestellten Bundeshaushalt für 2025 sowie die mittelfristige Finanzplanung für die nächsten fünf Jahre. (Mehr dazu lesen Sie hier.)
Die nämlich sieht neben dem 100-Milliarden-Euro-Sondervermögen für die Bundeswehr für das kommende Jahr lediglich einen Aufwuchs von 1,5 Milliarden Euro beim Wehretat vor. Und ab 2028, wenn der Sondertopf vollständig geleert ist, muss der Planung zufolge eine künftige Regierung auf einen Schlag 30 Milliarden Euro mehr lockermachen, allein, um das Nato-Ziel einzuhalten, demzufolge Deutschland pro Jahr zwei Prozent seiner Wirtschaftsleistung fürs Militär ausgeben muss.
Schularicks Forderung: Es brauche dringend mehr Geld für die Bundeswehr, um Putin abzuschrecken. „Kurzfristig muss der Staat mehr Kredite aufnehmen. Wie wir das konkret gestalten, ob über eine Öffnung der Schuldenbremse oder mithilfe eines weiteren Sondervermögens – da bin ich für beides offen.“ Insgesamt dürfte für die Zeit ab 2028 ein Sondervermögen mit einem Volumen von bis zu 300 Milliarden Euro nötig werden. Und selbst dann würde Deutschland noch immer weniger fürs Militär ausgeben als andere Länder wie etwa Polen oder die USA.
Schnitzer: Deutschland nicht „kaputtsparen“
Für seine Forderungen bekommt der Ökonom nun prominente Unterstützung aus der eigenen Zunft. Mehrere einflussreiche Volkswirte springen ihm zur Seite und sprechen sich ebenfalls für mehr Militärausgaben aus – auch wenn es teils Dissens in der Finanzierungsfrage gibt.
Mit Blick auf den amerikanischen Präsidentschaftswahlkampf sagte die Chefin der fünf Wirtschaftsweisen, Monika Schnitzer, t-online: „In den USA werden die Karten gerade noch einmal neu gemischt.“ Das aber heiße auch, dass sich Deutschland auf alle Szenarien „bestmöglich“ vorbereiten müsse, „vor allem in Sicherheitsfragen“.
„Da tut die Bundesregierung derzeit zu wenig“, kritisiert Schnitzer. „Wir müssen viel mehr in unsere Verteidigungsfähigkeit investieren.“ Sollte Donald Trump die Wahl gewinnen, werde Deutschland weit stärker gefragt sein, wenn es um die Sicherheit in Europa geht. „Das wird uns sehr viel Geld kosten.“
Dennoch warnt Schnitzer: „Gleichzeitig dürfen wir unser Land an anderer Stelle nicht kaputtsparen.“ Großbritannien sei ein „mahnendes Beispiel“. Dort habe der Staat an der falschen Stelle gespart und die Regionen außerhalb Londons vernachlässigt. „Wir müssen uns deshalb einmal mehr die Schuldenbremse anschauen, sie engt uns mehr ein als nötig und sollte deshalb reformiert werden.“
Südekum: „Dürfen andere Aufgaben nicht liegen lassen“
Ähnlich sieht es der Ökonom Jens Südekum, Professor an der Düsseldorfer Heinrich-Heine-Universität und Experte in Haushaltsfragen. Auch er sagt: „Deutschland muss sowohl kurz- als auch langfristig mehr für die Bundeswehr ausgeben, als derzeit geplant ist.“ Es sei „völlig unklar“, wie der sprunghafte Anstieg beim Verteidigungsetat ab 2028 finanziert werden solle.
„Die Ampel hinterlässt der nächsten Bundesregierung ein riesiges Finanzloch“, sagte Südekum t-online. „Praktisch führt wohl kein Weg an einem neuen, noch größeren Sondervermögen vorbei. Nur so lässt sich Putin abschrecken.“
Allerdings, so Südekum, seien die Verteidigungsausgaben auch nicht alles. Er mahnt: „Wir dürfen auch unsere anderen Aufgaben nicht liegen lassen.“ Deutschland müsse die Transformation der Industrie bewältigen und seine Infrastruktur modernisieren. „Auch dafür ist ein entsprechendes Sondervermögen denkbar. Denn am Ende zahlen auch Chipfabriken in Deutschland auf unsere geopolitische Sicherheit ein, weil wir uns so unabhängiger von Zulieferern machen.“