Während Cannabis-Fans jubeln, sehen andere eine neue Drogenwelle heraufziehen. Dabei wird oft vergessen, dass medizinisches Cannabis bereits freigegeben war. Profitieren Cannabis-Patienten am meisten vom neuen Gesetz?
Der Deutsche Bundestag hat die Teillegalisierung von Cannabis beschlossen. Mit dem neuen Gesetz, das am 1. April 2024 in Kraft getreten ist, soll der Schwarzmarkt ausgetrocknet und der Besitz und Konsum von Cannabis entkriminalisiert werden. In der Debatte, ob Cannabis gut oder schlecht für die Gesellschaft ist, wird jedoch oft vergessen, dass es in der Medizin längst freigegeben ist.
Wir haben mit Philip Schetter, Firmenchef von Cantourage gesprochen, der sich mit Medizinal-Cannabis auskennt. Das börsennotierte Unternehmen mit Sitz in Berlin importiert Cannabis, stellt medizinisches Cannabis her und vertreibt die Produkte an Apotheken sowie ins europäische Ausland. So blickt er auf die historische Entscheidung und ihre Folgen.
t-online: Nach heftigen Debatten zwischen Politikern, Ärzten, Psychologen und Juristen hat Deutschland Cannabis legalisiert – teilweise. Wieder nur ein Reförmchen statt des großen Wurfs?
Philip Schetter: Ich kann die Entscheidung zum Teil nachvollziehen, zum Teil aber auch nicht. Im ersten Schritt scheint es in Ordnung zu sein, weil es eine Veränderung darstellt. Wenn wir uns Cannabis als Genussmittel anschauen, dann sehen wir, dass in den letzten Jahren die restriktiven Regelungen und Rahmenbedingungen nicht funktioniert haben, dass der Konsum zugenommen hat und dass auch die organisierte Kriminalität zugenommen hat. Es war dringend an der Zeit, strukturell etwas zu ändern. Es ist gut, dass es jetzt ein legales Angebot gibt. Ob die Teillegalisierung in Deutschland funktioniert, bleibt aber abzuwarten.
Zur Person
Philip Shetter ist CEO von Cantourage. Cantourage ist ein börsennotiertes europäisches Unternehmen für medizinisches Cannabis mit Hauptsitz in Berlin. Das Unternehmen wurde 2019 von den Branchenpionieren Norman Ruchholtz, Dr. Florian Holzapfel und Patrick Hoffmann gegründet. Das Unternehmen bietet Produkte in allen relevanten Marktsegmenten an: getrocknete Blüten, Extrakte, Dronabinol und Cannabidiol in pharmazeutischer Qualität.
Was sind die Herausforderungen?
Die Herausforderung wird sein, dass man eine Infrastruktur aufbaut, um auch legales Cannabis anzubauen, zu verarbeiten und abzugeben. Das wird seine Zeit brauchen. Eigenanbau und Cannabis-Clubs werden nicht genügen, um ein ausreichendes legales Angebot für die gesamte Nachfrage zu schaffen. Vermutlich werden sich weiterhin Menschen aktiv auf dem Schwarzmarkt Cannabis suchen. Was die Frage aufwirft, wann eine kontrollierte Abgabe über Fachgeschäfte und Apotheken kommt? Der Witz dabei ist ja: Mit den Apotheken haben wir bereits eine seit Jahren bewährte Infrastruktur, die ihr Angebot theoretisch sehr einfach auf den Freizeitkonsum erweitern könnte.
Kann man die Nachfrage überhaupt komplett mit einer kontrollierten Abgabe befriedigen?
Wir brauchen eine funktionierende Infrastruktur, die stark reguliert ist. Wir müssen wissen, wo Cannabis angebaut wird, wer unsere Handelspartner sind, wo die Pflanzen verarbeitet und verpackt werden und wie sie zu uns nach Europa gelangen. Wenn wir an Cannabis für den Freizeitkonsum die gleichen hohen Standards anlegen wie an das, was wir für Patienten produzieren, können wir auf eine bereits sehr gut kontrollierte Wertschöpfungskette zurückgreifen. Am Ende könnten sehr gute Produkte zu sehr guten Preisen für die Cannabiskonsumenten herauskommen.
Sie sprechen im Konjunktiv. Fakt ist aber: Jeder darf zwar Cannabis anbauen, besitzen und konsumieren. Der ursprüngliche Plan, Cannabis in Fachgeschäften an Erwachsene zu verkaufen, wurde jedoch vertagt. Also wird ein Teil doch unter der Hand gehandelt?
Cannabis gilt seit dem 1. April 2024 nicht mehr als Betäubungsmittel. Somit entfallen viele Hürden für Ärzte und Apotheken, was Dokumentationspflichten anbelangt. Cannabis kann grundsätzlich auch leichter verschrieben werden. Ein Teil derer, die sich Cannabis bisher auf dem Schwarzmarkt beschafft haben, haben durchaus auch zu eigentherapeutischen Zwecken gehandelt. Bisher haben sie aber kaum Ärzte finden können, mit denen sie darüber diskutieren konnten. Die Hoffnung liegt darauf, dass diese Menschen den Weg ins medizinische System finden und Zugang zu legalem, sicheren Cannabis bekommen.
Die Bundesopiumstelle kontrolliert die Einfuhr von medizinischem Cannabis nach Deutschland. Werden auch Sie von der Behörde beaufsichtigt?
Die Bundesopiumstelle kontrolliert Importe nach Deutschland und Exporte in andere Länder, um zu schauen, was mit der Ware passiert. Da sind wir als Unternehmen in engem Austausch. Wir beziehen unsere Ware global aus aller Welt: 60 Anbaupartner aus Ländern wie Kanada, Uruguay, Neuseeland und Australien haben wir aktuell unter Vertrag. Die Bundesopiumstelle kontrolliert die Ein- und Ausfuhr und lässt sich in regelmäßigen Abständen die Warenbestände melden.