Aktuell fehlen wieder etliche Arzneimittel in den Apotheken. Welche Wirkstoffe das sind – und was Sie als Patient in dieser Situation tun können.
Halbleere Regale in den Apotheken und besorgte Patienten: Seit Jahren sind immer wieder bestimmte Arzneimittel in Deutschland knapp. Dem Branchenverband Abda zufolge gehören Lieferengpässe von Medikamenten „zu den größten Ärgernissen im Apothekenalltag der vergangenen Jahre“.
Bereits 2017 gaben neun von zehn Apotheken an, dass in den vergangenen drei Monaten mindestens einmal Arzneimittelengpässe in ihrer Apotheke aufgetreten sind. Die Arzneimittelkommission sprach damals gar von einer „Gefahr für die Patientensicherheit“. Nun hat sich die Situation weiter verschärft. Momentan fehlt es vor allem an bestimmten Antibiotika. Auch Asthma-Mittel sind in einigen Regionen teils schwer erhältlich.
Wie umfangreich die Lieferprobleme sind, zeigt ein Blick in die Datenbank des Bundesinstituts für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM). Aktuell sind dort rund 500 Medikamente aufgelistet, zu denen Lieferengpass-Meldungen vorliegen.
Was bedeutet ein Lieferengpass?
Als Lieferengpass wird eine über voraussichtlich zwei Wochen hinausgehende Unterbrechung einer Auslieferung im üblichen Umfang definiert. Auch eine deutlich vermehrte Nachfrage, der nicht angemessen nachgekommen werden kann, kann einen Lieferengpass bedeuten.
Medikamentenknappheit: Diese Mittel sind derzeit betroffen
Folgende verschreibungspflichtige Wirkstoffe sind laut BfArM derzeit nicht verfügbar:
- Antibiotika (zum Beispiel: Amoxicillin-Trihydrat, Kaliumclavulanat)
- Antidepressiva (zum Beispiel: Agomelatin-Citronensäure (1:1))
- Asthma-Mittel (zum Beispiel: Flutiform)
- Schmerzmittel (zum Beispiel: Paracetamol)
- Medikament zur Behandlung bei akutem Herzinfarkt, akuter Lungenembolie und akutem ischämischem Schlaganfall (zum Beispiel: Alteplase)
- Medikament zur Behandlung von Reizhusten (zum Beispiel: Codeinphosphat)
- Medikament zur Behandlung von Hautreaktionen (zum Beispiel: Hydrocortison)
Wichtig
Die Liste ist nicht vollständig und kann sich ständig verändern, da einige Wirkstoffe nur für kurze Zeit nicht verfügbar sind.
HIV: Aus einem Lieferengpass wird ein Versorgungsengpass
Besonders brenzlig ist die Lage bei dem HIV-Medikament Emtricitabin/Tenofovirdisoproxil. Dieses soll vor der noch immer unheilbaren Infektion schützen und wird HIV-Patienten auch zur Behandlung verschrieben. Doch aktuell ist es überhaupt nicht mehr verfügbar.
Vor wenigen Tagen schlug deshalb die Deutsche Arbeitsgemeinschaft ambulant tätiger Ärztinnen und Ärzte für Infektionskrankheiten und HIV-Medizin (DAGNÄ) Alarm. Nicht nur könnten HIV-Infektionen wieder zunehmen, warnte sie. Für HIV-Infizierte, die auf diese Tabletten angewiesen seien, bestehe sogar Lebensgefahr.
Einige Patienten mussten bereits ihre Therapien unterbrechen und auf ein anderes Medikament umstellen. Für sie kann dies mit erheblichen Problemen verbunden sein, etwa belastenden Nebenwirkungen.
Der Deutschen Aidshilfe zufolge kann der Bedarf an dem HIV-Präparat voraussichtlich bis März nicht gedeckt werden. Sie fordert nun ein schnelles Handeln seitens der Politik. Das BfArM hat derweil zugesichert, Hersteller nach wirkstoffidentischen Medikamenten mit europäischer Zulassung zu fragen. Das Institut könnte dann deren Import gestatten und die Medikamente verfügbar machen. Allerdings sei auch in den Nachbarländern nur begrenzt Ware auf dem Markt, so die Deutsche Aidshilfe.
Was Sie als Patient in dieser Situation tun können
Ist das benötigte Medikament nicht verfügbar, sind die Möglichkeiten für Betroffene begrenzt. Experten raten in diesem Fall:
- sich bei vielen verschiedenen stationären und Online-Apotheken über eine mögliche Lieferung zu informieren,
- sich zu möglichen anderen Darreichungsformen beraten zu lassen (beispielsweise ein Zäpfchen statt einer Tablette) und
- wenn möglich, nach Absprache mit dem Arzt auf ein anderes Medikament umzusteigen.
Warum gibt es überhaupt Engpässe bei Arzneimitteln?
Der Hauptgrund für die allgemeine Medikamentenknappheit ist die von den Herstellern ins Ausland verlagerte Produktion. Viele Unternehmen stellen ihre Arzneimittel aus Kostengründen in China und Indien her. Dort kommt es häufiger zu Problemen wie längeren Maschinenausfällen, Qualitätsmängeln bei der Produktion oder Warten auf Rohstoffe. Und das wiederum bekommen dann Menschen in Deutschland zu spüren, wenn sie nicht an ihre verordneten Medikamente kommen.
Hinzu kommt: Arzneimittel, die in Deutschland produziert werden, landen selten auf dem heimischen Markt. Auch hier spielt der Preisdruck eine entscheidende Rolle. Viele Hersteller liefern ihre Produkte zum Beispiel in die USA, wo sie deutlich bessere Preise erzielen können.