Das Traditionsunternehmen Breckle muss nach 92 Jahren dichtmachen, rund 300 Menschen stehen ohne Job da. Doch wie konnte es so weit kommen? Die Geschichte eines bitteren Endes.
Jeden Morgen um 5 Uhr ist er auf die Arbeit nach Northeim bei Göttingen gefahren, erzählt Henning Rosenau und klingt dabei melancholisch. Rund 25 Jahre, von Montag bis Freitag, im Sommer, Herbst, Frühling, Winter.
Seit August ist das passé. Denn der Matratzenhersteller Breckle, bei dem der 57-Jährige zuletzt Abteilungsleiter und Betriebsratschef war, hat den Betrieb eingestellt. Ende, Aus, Feierabend.
„Das ist schon ein komisches Gefühl, dass das jetzt vorbei sein soll“, sagt Rosenau t-online. „Die Firma wird auf jeden Fall fehlen.“ Immerhin verbinde er auch zahlreiche Erinnerungen mit dem Unternehmen. „Vor 47 Jahren habe ich meine ersten fünf Mark bei Breckle verdient“, berichtet er, damals habe er Knöpfe hergestellt. Er könne kaum glauben, dass es mit Breckle nun vorbei sein soll.
- Insolvenzwelle in Deutschland: Warum immer mehr Firmen pleitegehen
Doch wie konnte es überhaupt so weit kommen? Um das zu begreifen, muss man sich die Geschichte des Unternehmens anschauen sowie einige Fehler, die in der Vergangenheit gemacht wurden. Fehler, die nun zu zahlreichen Vorwürfen und Anschuldigungen führen; auch ein Rechtsstreit entspinnt sich um die Firmenpleite.
Das Unternehmen Breckle zählte zu den größten Matratzenproduzenten Europas. Zeitweise rollten bis zu 4.000 Matratzen vom Band der Northeimer Fabrik. Und das täglich. Von der eigenen Taschenfederkernproduktion bis zur Schaumstoffherstellung: Die gesamte Fertigungspalette lag bei Breckle in einer Hand. In der firmeneigenen Schreinerei entstanden zudem Boxspringbetten.
Seinen Ursprung hat das Unternehmen in Benningen am Neckar, dort wurde es im Jahr 1932 von Emil Breckle gegründet. Seit 1974 produzierte sein Sohn Siegfried Breckle, ein Maschinenbauingenieur, dann in Northeim. Die anderen Söhne des Firmengründers entwickelten ebenfalls Unternehmen, etwa die Breckle Matratzenfabrik Weida.
Am Anfang wurden in Northeim rund 150 Matratzen pro Tag produziert. Das steigerte sich schnell, auch die Zahl der Mitarbeiter wuchs. Im Jahr 1990 trat Siegfrieds Sohn Andreas und etwas später sein drei Jahre jüngerer Bruder Michael Breckle ins Unternehmen ein. Gemeinsam übernahmen sie die Geschäftsführung. Bis 2020.
Weil sich kein Nachfolger fand, die Kinder der Breckle-Brüder entweder zu jung waren oder kein Interesse an der Geschäftsführung hatten, verkauften die Breckles ihre Matratzenfabrik an einen Investoren. Ein Schritt, den Andreas Breckle mit Blick auf den Käufer heute als „größten Fehler unseres Lebens“ bezeichnet. Denn, wie sie es schildern, fing mit dem Verkauf die Misere an.
Die Breckle-Gruppe sei schuldenfrei übergeben worden und zusätzlich der gesamte Ertrag aus dem Jahr 2019, sagt Breckle t-online. Heute weise sie einen „nicht durch Eigenkapital gedeckten Fehlbetrag in einem hohen zweistelligen Millionenbereich aus“, so der studierte Betriebswirt. „Wir haben den falschen Käufer ausgesucht“, resümiert er.
Letztlich musste das Matratzenimperium im März 2024 Insolvenz anmelden. Gespräche mit Investoren scheiterten; eine anderweitige Sanierung war nicht möglich, weil dem Unternehmen das Geld ausging. Am Ende kam die bittere Nachricht: Der Betrieb muss eingestellt werden.
Ende Juli sind die letzten Mitarbeiter gekündigt und die meisten freigestellt worden. Insgesamt 300 Menschen verloren ihren Job. Aktuell arbeitet das Unternehmen lediglich mit einer Rumpfbesetzung von etwa zehn Personen, um den Ausverkauf vorzubereiten.
Die Gründe für das Ende der Traditionsfirma sind vielfältig – und teils auch nicht eindeutig. Einig sind sich die Beteiligten in zwei Punkten: Zum einen ist da die aktuelle Wirtschaftslage. Besonders nach der Corona-Krise, in der viele Menschen ihre Wohnungen neu einrichteten, ist die Nachfrage zurückgegangen. Ein Problem, unter dem die gesamte Branche leidet. Nicht zuletzt, weil die Preise auf breiter Front deutlich anzogen.
Insolvenzverwalter Markus Kohlstedt teilte auf Anfrage von t-online mit, „insbesondere die externen Einflüsse aus der aktuellen Marktlage im Matratzen- und Möbelmarkt“ hätten zu erheblichen Umsatzrückgängen geführt. Und weiter: „Die gestiegenen Kosten verstärken dann den negativen Effekt.“ Auch der letzte Breckle-Geschäftsführer Christian Paar sagt t-online: „Die Möbelbranche ist nicht gerade die gesündeste.“