Bei einer Wohnungsdurchsuchung in London fanden Ermittler brisante Informationen über den flüchtigen Ex-Wirecard-Manager Jan Marsalek. Die Spuren führen wohl auch nach Berlin.
Der flüchtige Ex-Wirecard-Manager Jan Marsalek hat angeblich Kontakte in Deutschland, die ihm bei der Informationsbeschaffung für den russischen Nachrichtendienst behilflich gewesen sein sollen. Neuen Ermittlungen des britischen Geheimdienstes MI5 zufolge führen die Spuren auch nach Berlin. Das berichtet die „Süddeutsche Zeitung“ (SZ).
Bereits im Februar 2023 fanden Agenten des MI5 demnach bei der Durchsuchung einer Wohnung von fünf Bulgaren gefälschte Presseausweise und Pässe sowie Überwachungstechnik. Auftraggeber soll dabei der Ex-Wirecard Manager Jan Marsalek gewesen sein, schreibt die „SZ“.
Marsalek soll demzufolge die Bulgaren damit beauftragt haben, zwischen August 2020 und Februar 2023 Zielpersonen in Europa, darunter Journalisten, abzuhören und zu verfolgen. Auch Anschläge und Entführungen sollen geplant gewesen sein. Die Aufträge begannen demnach nur wenige Monate nach Marsaleks Flucht nach Russland. Mehr dazu lesen Sie hier.
Erste Festnahme in Österreich
Des Weiteren sei der MI5 in der Lage gewesen, einen Telegram-Chat zwischen einem der Bulgaren und Marsalek zu entschlüsseln. Dabei seien brisante Informationen ans Licht gekommen, die auch Deutschland beträfen, wie die „Süddeutsche Zeitung“ berichtet.
Die Helfer sollen laut Recherchen der „SZ“, des WDR und des österreichischen Nachrichtenmagazins „Profil“ aus Berlin heraus Bargeld nach Wien gebracht haben. Anschließend sollen die Täter mehrere Handys und einen Laptop mit streng geheimen Informationen nach Russland transportiert haben, die letztendlich in Lubjanka, der Zentrale des russischen Inlandsgeheimdienstes FSB, gelandet sein sollen.
Die Hinweise, die der MI5 fand, führten in Österreich bereits zur Festnahme eines früheren Geheimdienstlers. Gegen ihn war schon seit Jahren ermittelt worden, da er geheime Informationen an Russland verraten haben soll – offenbar angestiftet von Marsalek.
Spuren führen nach Berlin
Aus den Chatverläufen zwischen Jan Marsalek und Orlin Roussev, einem der in Großbritannien inzwischen angeklagten Bulgaren, geht hervor, dass ein sogenannter Sina-Laptop nach Russland transportiert worden sei. Dabei handelt es sich um einen Laptop, der mit einem speziellen Verschlüsselungsprogramm ausgestattet ist, das vom Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI) in Deutschland sogar für die Speicherung und Übertragung von Daten mit dem höchsten Einstufungsgrad „Streng geheim“ zugelassen ist.
Das Geld für diesen Laptop habe dabei aus dubiosen Quellen in Berlin gestammt. „Die Geldwäscher haben es bestätigt: Sie werden das Bargeld heute abholen und morgen steht es dann in Berlin zur Verfügung“, soll Marsalek laut den Chats, die dem MI5 vorliegen, geschrieben haben. „20.000 Euro sind nach Berlin gesendet“, so Marsalek weiter.
Verschlüsselter Laptop könnte aus Deutschland stammen
Der „Süddeutschen Zeitung“ zufolge glauben Ermittler in Wien, dass auf dem Sina-Laptop geheime Daten gespeichert waren, die „der Geheimhaltung unterliegende behördliche Daten eines EU-Staates enthielten, die für den russischen Nachrichtendienst von Interesse sind“. Informationen darüber, was sich genau auf dem Laptop befand und aus welchem Land dieser stammte, gab es von den Behörden der Zeitung zufolge zunächst nicht. Es sei aber davon auszugehen, dass auch in Deutschland nun die Suche nach einem verschollenen Laptop beginnt. Denn seit die geheimdienstlichen Verwicklungen Marsaleks bekannt wurden, haben die Behörden ohnehin wieder gesteigertes Interesse an seinen Machenschaften.
Die Staatsanwaltschaft München I ermittelt gegen Jan Marsalek wegen des Verdachts des gewerbsmäßigen Bandenbetrugs, des besonders schweren Falls der Untreue sowie weiterer Vermögens- und Wirtschaftsdelikte. Marsalek floh im Juni 2020 über die belarussische Hauptstadt Minsk weiter nach Moskau. Seitdem wird der Ex-Manager immer wieder der Spionage für Russland bezichtigt. Mehr dazu lesen Sie hier.