Frankfurt. Berlin Wenn die Lufthansa am 3. März die Geschäftszahlen für das Jahr 2021 präsentiert, wird es eine gute Nachricht für die Belegschaft geben: Europas größte Airline-Gruppe beendet den Schrumpfkurs, der Stellenabbau wird gestoppt. Das berichten mehrere Personen aus dem Umfeld des Aufsichtsrats und aus Kreisen der Führungskräfte. Ein Lufthansa-Sprecher bestätigte die Informationen grundsätzlich, verwies für weitere Particulars aber auf die Vorstellung der Bilanz.
Dass vorerst kein weiteres Private abgebaut werden soll, hat zwei Gründe. Zum einen liegt die Lufthansa bei der Belegschaftsstärke in etwa da, wo das Administration hinwollte. Die Gruppe wird bei etwas weniger als 107.000 Vollzeitstellen landen. Lufthansa-Chef Carsten Spohr hatte in der Krise als Untergrenze immer den Wert von 100.000 Stellen genannt.
Zum anderen ist der Vorstand überzeugt, dass die verbleibenden Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter für das geplante und erwartete Wachstum benötigt werden. Die aktuelle Personalkapazität passe zu den internen Szenarien, heißt es in Führungskreisen.
Für die Lufthansa ist es schon ein Hindernis für das geplante Wachstum, dass man wahrscheinlich länger als gedacht auf die Boeing 787, den sogenannten Dreamliner, warten muss. Der Konzern hofft bisher, dass das erste Flugzeug dieses Modells im laufenden Quartal ankommt. Spätestens im Sommer brauche man die Flieger, hatte Konzernchef Spohr zuletzt gesagt. Doch der Termin wackelt wegen der Fertigungsprobleme bei Boeing.
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Nachdem die Weihnachtssaison wegen der Omikron-Welle enttäuschend verlaufen ist und der Konzern zu Jahresbeginn einen signifikanten Einbruch bei den Buchungen erlebt hat, kehren die Fluggäste nun wieder zurück. Lufthansa-Vorstand Harry Hohmeister sprach am Wochenende gegenüber der „Bild am Sonntag“ von einer „stark steigenden Nachfrage nach Urlaubsflügen für Ostern, Pfingsten und auch für den Sommer“.
Auf einzelnen Strecken sei die Zahl der Buchungen sogar dreimal so hoch wie vor der Pandemie. Das Unternehmen aircraft deshalb, wie schon im vergangenen Jahr mit der Boeing 747, dem Jumbo-Jet, nach Mallorca zu fliegen.
Weniger Flugzeuge, weniger Bordpersonal
„Schaut man auf das laufende Quartal, erwarten wir zwar herausfordernde Durchschnittserlöse“, schreibt Alexander Irving von Bernstein Analysis zu Wochenbeginn in einer aktuellen Studie und zielt damit auf einen starken Preiskampf ab. Andererseits rechne man mit einer kräftig wachsenden Buchungszahl für Ostern und den Sommer. „Weniger Private geht deshalb schlicht nicht“, sagte eine Lufthansa-Führungskraft.
Konzernchef Spohr hatte recht früh in der Krise erklärt, dass die Airline-Gruppe deutlich schrumpfen müsse. Er hatte das mit dem Umbruch in der Branche begründet. Da es wohl noch mehrere Jahre dauern werde, bis bei den Passagierzahlen wieder das Vorkrisenniveau erreicht werden könne, werde die neue Lufthansa vorerst kleiner sein. Hinzu kommt: Der Konzern ist stark vom Geschäftsreiseverkehr abhängig. Der wird nach allgemeiner Auffassung erst später und langsamer wieder wachsen als der Privatreiseverkehr.
Das hat Folgen für die Größe der Airline-Gruppe. Hatte Lufthansa weltweit kurz vor Beginn der Pandemie noch 138.000 Vollzeitstellen, waren es Ende September vergangenen Jahres laut Zwischenbericht nur noch 107.000.
Statt wie vor der Krise etwa 800 Flugzeuge flogen Ende September nur noch intestine 720 Maschinen für die Gruppe. Deswegen werden weniger Piloten und Kabinenmitarbeiter benötigt. Außerdem verließen rund 7000 Mitarbeiter im Zuge des Verkaufs des Europageschäfts der Cateringtochter LSG den Konzern. Auch in der Verwaltung wurde gekürzt. So mussten etwa 20 Prozent der Führungskräfte das Unternehmen verlassen.
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Dass der Stellenabbau nun gestoppt wird, bedeutet allerdings nicht, dass das Administration gegenüber den Arbeitnehmervertretern auf weitere Kostensenkungen verzichtet. Vor allem bei den Piloten sieht die Konzernspitze noch Handlungsbedarf. Doch die Gespräche mit der Pilotenvertretung Vereinigung Cockpit (VC) gestalten sich zäh.
Nachdem das Lufthansa-Administration kurz vor Weihnachten die sogenannte Perspektivvereinbarung (PPV) einseitig gekündigt hatte, herrschte zunächst Eiszeit. In der PPV ist festgelegt, dass der Konzern mindestens 325 Flugzeuge in den sogenannten Kerngesellschaften bereedern muss – mit Piloten, die dem intestine dotierten Konzerntarifvertrag unterliegen. Die Lufthansa-Spitze verlangt hier etwa auf der Kurzstrecke Einsparungen von 20 bis 30 Prozent und hatte mit der Kündigung von Flugzeugführern gedroht, sollte man sich nicht einigen.
In den Augen des Lufthansa-Managements ist die vereinbarte Flottengröße bei der Kernmarke wegen der Spätfolgen der Pandemie nicht mehr haltbar. Weil vorerst vor allem der Privatreiseverkehr stark wächst, sollen Marken wie Eurowings und Eurowings Uncover gestärkt werden – zum Leidwesen der VC. Nun soll Ende Februar ein neuer Anlauf für Verhandlungen gestartet werden, Ausgang offen. Immerhin hat die Unternehmensspitze die Drohung, Flugzeugführern der Kernmarke Lufthansa zu kündigen, mittlerweile zurückgenommen.
Dahinter dürfte auch die Erkenntnis stehen, dass ein weiterer Personalabbau für den erhofften Neustart im Sommer heikel werden könnte. Auf Pilotenseite haben zum Beispiel rund 400 Kapitäne das Freiwilligenprogramm genutzt und sind gegangen. Man sehe mittlerweile eher einen Pilotenbedarf bei der Lufthansa und keinen Personalüberhang, heißt es bei der Vereinigung Cockpit.
Wie schnell die Personaldecke bei den Piloten in der weiterhin labilen Coronalage zu eng werden kann, musste die Lufthansa rund um Weihnachten erfahren. Viele Flüge mussten abgesagt werden, weil sich überraschend viele Flugzeugführer krankgemeldet hatten.
Der Lufthansa-Chef hofft auf neue Dreamliner im Sommer.
(Foto: imago photographs/sepp spiegl)
Gleichzeitig kämpft der Konzern mit einem anderen Downside. Auch wenn die Belegschaft nun quick so weit geschrumpft ist, wie es sich das Administration vorgestellt hat, sitzt längst nicht jeder Mitarbeiter dort, wo er gebraucht wird. An einigen Stellen gibt es noch Überhänge. So hat die Frachttochter LH Cargo gerade ein neues Freiwilligenprogramm mit der Personalvertretung ausgehandelt, das speziell auf die über 55-jährigen Piloten in Deutschland zielt, knapp 50 an der Zahl.
Personelle Engpässe an einigen Stellen
An anderen Stellen herrscht dagegen Mangel. LH Cargo sucht zum Beispiel in den USA händeringend nach Private. Gleiches gilt für den Caterer LSG. Besonders eng geht es in der Rechtsabteilung zu. In der Krise seien dort viele Mitarbeiter abgeworben worden, heißt es in Führungskreisen. Angesichts des Plans der Lufthansa-Spitze, bei der italienischen ITA einsteigen zu wollen. ist eine Unterbesetzung bei den Juristen durchaus heikel. Engpässe gibt es zudem bei Lufthansa Technik, der Wartungstochter.
Der eine oder andere in der Belegschaft weist deshalb darauf hin, dass der Konzern womöglich zu vorschnell abgebaut hat. Auf diese Gefahr hatten Vertreter der Gewerkschaften schon zu Beginn der Krise hingewiesen. Im Administration wird dagegen erklärt, die aktuelle State of affairs sei typisch für längere Phasen mit Personalabbau. „Wenn man Freiwilligenprogramme startet, ist es immer schwer zu kalkulieren, wie viele dieses annehmen“, sagt ein Personalmanager.
In Summe ist die aktuelle Entwicklung aber ein klares Zeichen dafür, dass sich Lufthansa zurück in die Normalität bewegt. Dafür sprechen auch zwei Personalien, die in der anstehenden Aufsichtsratssitzung Thema sein werden: Michael Niggemann, im Vorstand für Private und Recht verantwortlich und damit auch für die Gespräche mit den Arbeitnehmervertretern, und Christina Foerster, zuständig für die Themen Kundenbeziehung, IT und Nachhaltigkeit.
Beide sind seit dem 1. Januar 2020 im Vorstand des Lufthansa-Konzerns, beide haben wie üblich zunächst einen Dreijahresvertrag bekommen. Und wie es im Umfeld des Kontrollgremiums heißt, dürfen beide auf eine Verlängerung ihrer Kontrakte hoffen – ganz im Sinne der zurückgewonnenen Kontinuität.
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