Die Plattenläden von Rough Trade sind weltweit bekannt. Bisher gab es sie nur in Großbritannien und New York City. Jetzt hat auch ein Laden in Berlin eröffnet.
Curt Keplin hat viel zu tun. Der Chef des neuen Plattenladens von Rough Trade in Berlin steht konzentriert an einem Laptop im Eingangsbereich. Sein Handy klingelt fast durchgängig. „Es ist sehr stressig“, sagt er am Donnerstagnachmittag zu t-online. „Noch nicht so, wie wir uns das vorgestellt haben“. An den Wänden fehlen demnach noch Schilder, auch die Ware sei noch nicht komplett angekommen. „Aber was noch nicht ist, wird auf jeden Fall noch“, sagt er und lacht.
Wenige Stunden zuvor hat das Geschäft im „Kalle Neukölln“, einem ehemaligen Kauf- und Parkhaus an der Karl-Marx-Allee, eröffnet. Und das als erster Rough-Trade-Standort auf dem europäischen Festland. Gegründet wurde der legendäre Plattenladen 1976 in West-London. Über die Jahre entwickelte sich aus dem Geschäft ein Label und eine Institution der alternativen Musikkultur. Beheimatet waren dort unter anderem Bands wie The Smiths, The Strokes oder The Libertines. Geschäfte von Rough Trade gab es bisher nur in Großbritannien und in New York City.
Während es bei den Verantwortlichen an Tag eins noch hektisch läuft, stöbern bereits Musikbegeisterte durch die verschiedensten Platten von Jazz bis Indie. „Es war erstaunlich“, sagt Keplin. „Als wir den Laden aufgeschlossen haben, sind gleich 30 bis 40 Leute hereingestürmt“. Am Nachmittag sind etwa 15 bis 20 Menschen im Geschäft.
Man habe bereits am Donnerstag aufgemacht, um am Samstag (20. April) auf Stand zu sein, so Keplin. An dem Tag feiern Plattensammler den sogenannten „Record Store Day“: ein internationaler Tag unabhängiger Schallplattenläden. Weltweit bieten kleine Händler an diesem Tag seltene Musikveröffentlichungen und Sondereditionen auf Vinyl an.
„Musikalisches Mekka“ in Berlin
Dass dieser Tag von nun an im Berliner Geschäft gefeiert werden kann, ist auch dem Brexit geschuldet. Die Klientel komme in großen Teilen vom europäischen Festland, so Keplin. „Die haben ihre Platten immer von Rough Trade bestellt. Durch den Brexit ist das alles teurer geworden. Und es dauert länger, bis das Vinyl beim Käufer ist“. Auf der anderen Seite sei Berlin ein „musikalisches Mekka“. Es sei daher nur konsequent, dass der Laden in der deutschen Hauptstadt vertreten ist.
In Neukölln habe alles gepasst: die Fläche, der Raum und der Preis. Rund um den Laden wird derzeit noch gebaut. Entstehen soll im „Kalle Neukölln“ eine „neu gedachte“ Shopping-Mall, unter anderem mit einem „Foodmarket“ und einem Club für Konzerte, der wohl Ende des Jahres eröffnet. In diesem Teil der Hauptstadt, mit seinen vielen Bars und Clubs, sei zudem die Zielgruppe unterwegs. „Auf jeden Fall mehr als in Charlottenburg“, sagt Keplin und lacht.
Neben dem klassischen Indie-Segment soll es in Berlin – passend zur Stadt – einen hohen Anteil von Platten elektronischer und lokaler Künstler geben. „Und ein bisschen Deutschrap“, sagt Keplin. Auch Poster, Shirts oder Stereo-Equipment können Fans kaufen. Zudem werden Konzerte organisiert. „Bei uns gibt es aber nie ein Einzelticket für eine Show. Man kann sie nur zusammen mit der Platte kaufen“, sagt Keplin. Versprochen werden dafür intime Shows von Bands, die normalerweise in größeren Hallen spielen. Für dieses Jahr sind bereits Konzerte von Royal Republic und Wanda im Hole44 sowie die große Eröffnungsparty im Kreuzwerk mit Digitalism, Monolink und weiteren Musikern geplant. Ist der Club im „Kalle Neukölln“ fertig, sollen die Konzerte dort stattfinden.
Entstehen soll laut Keplin ein Ort, an dem Musikfans und Vinyl-Begeisterte zusammenkommen. „Die Schallplatte feiert eine Renaissance, die durch das Streaming gefördert wird“, sagt er. Wenn man einen Künstler rauf und runter hören kann, genüge das vielen nicht mehr. „Du willst das Produkt zu Hause haben“.