Berlin Karl Lauterbach (SPD) wollte es immer werden – jetzt ist er es auch: Der Mediziner wird neuer Gesundheitsminister der Ampelkoalition. Er startet mit einem Nussknacker ins Amt, ein Geschenk, das ihm der beamtete Staatssekretär Thomas Steffen bei der Amtsübergabe am Mittwoch überreichte. „Sie brauchen einen Instrumentenkasten, der es Ihnen ermöglicht, sehr harte Nüsse zu knacken“, sagte Steffen. Einen weiteren Nussknacker schenkte er dem Ministerium. „Denn diese Nüsse werden wir nur mit dem Haus zusammen knacken können“, sagte er mit Blick auf die Pandemie. Wer wollte, konnte darin eine wohlformulierte Spitze gegen den neuen Minister heraushören, den manche Kritiker als ein wenig eigenbrötlerisch beschreiben.
Lauterbach hingegen nahm die Vorlage gerne auf. „Als Jens Spahn eben noch als Minister angesprochen wurde, hatte ich die Hoffnung, dass er weitermacht“, sagte er im Atrium des Ministeriums. „Denn zwei Minister kann das Land schlichtweg brauchen.“ Die wichtigste Aufgabe sei nun, die Pandemie zu beenden. Außerdem müsse das Gesundheitssystem zukunftssicher werden. „Und der Nussknacker ist das Haus selbst.“ Er lege „allergrößten Wert auf Teamarbeit“.
Zuvor legte Lauterbach im Bundestag den Amtseid mit Gottesschwur ab. Quick stürmisch lief er dafür der Bundestagspräsidentin Bärbel Bas (SPD) entgegen – und machte den Eindruck, als könne er es kaum erwarten, endlich loszulegen. Er ist nun der wichtigste Krisenminister im Kabinett von Kanzler Olaf Scholz (SPD). Von seinem Gelingen hängt ab, wie intestine Deutschland durch die vierte Welle kommt. „Normalerweise kann ein Gesundheitsminister auf eine Schonfrist hoffen“, sagte Lauterbachs Vorgänger Spahn. „Regular ist aber gar nichts.“ Wahrscheinlich habe noch keine Amtsübergabe unter so schwierigen Bedingungen stattgefunden.
Kompetenter Kenner des deutschen Gesundheitswesens
Lauterbach steht unter hohem Erwartungsdruck. Kaum einer kennt sich in den Tiefen des deutschen Gesundheitswesens und in der Bekämpfung der Pandemie so intestine aus wie er. Bereits am Montag saß Lauterbach in der Videoschalte der Gesundheitsminister der Bundesländer. Es ging um die Frage, ob bei einer Auffrischimpfung Assessments entfallen könnten. Lauterbach unterstützte das Vorhaben, was einige überraschen dürfte, die ihn bislang als Vertreter des Groups Vorsicht erlebten.
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Lauterbach weiß, dass er nun nicht mehr für sich spricht, sondern auch die Interessen der Ampelpartner vertritt. Ohne sie kann er kein Gesetz durch den Bundestag bringen. Während die Grünen ähnlich wie Lauterbach schärfere Coronamaßnahmen befürworten und auch rasch eine allgemeine Impfpflicht umsetzen wollen, fährt die FDP einen deutlich zurückhaltenderen Kurs. Lauterbach muss die unterschiedlichen Interessen austarieren – und sich dabei auch zurücknehmen.
Rückendeckung soll Lauterbach von drei Staatssekretären erhalten, die bestens im Parlament und im Gesundheitswesen vernetzt sind. Von Sabine Dittmar etwa, sie struggle bislang gesundheitspolitische Sprecherin. In den vergangenen Wochen arbeitete sie mit Grünen und FDP die von der Ampel beschlossenen Änderungen am Infektionsschutzgesetz aus. Auch deswegen galt sie bis Montag als Anwärterin auf den Kabinettsposten. Dittmar ist zudem approbierte Ärztin und führte eine Hausarztpraxis in Unterfranken.
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Mit Edgar Franke hat Lauterbach einen zweiten, erfahrenen Gesundheitsexperten an seiner Seite. Franke unterlag vor vier Jahren gegen Dittmar im Rennen um den Posten des gesundheitspolitischen Sprechers. Stattdessen wurde er Opferbeauftragter der Bundesregierung und struggle Dittmars Stellvertreter als gesundheitspolitischer Sprecher. Zuvor leitete er den Gesundheitsausschuss. Der studierte Jurist gibt sich anders als Lauterbach eher nahbar.
Zudem wird Antje Draheim beamtete Staatssekretärin. Sie struggle zuvor Staatssekretärin im Gesundheitsministerium in Mecklenburg-Vorpommern. Ihr Vorgänger Steffen wird mit ihr noch einige Monate im Amt bleiben.
Ob Draheim, Dittmar und Franke so unscheinbar ihr Tagwerk vollbringen werden wie ihre Vorgänger, hängt auch vom neuen Minister ab. Spahn schirmte seine Truppe weitestgehend von der Öffentlichkeit ab – und konzentrierte alle Aufmerksamkeit auf sich. Dass auch der Dauer-Talkshowgast Lauterbach das Scheinwerferlicht suchen wird, bezweifelt allerdings niemand.
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