Lanz diskutiert mit vier Muslimen über Fremdenhass und Antisemitismus. Trotz gleicher Religion offenbaren sich teils große Differenzen.
Zum ersten Mal in der Geschichte von „Markus Lanz“ hatte der Moderator am Donnerstagabend vier muslimische Studiogäste. Mit ihnen diskutierte er unter anderem das Thema Fremdenfeindlichkeit in Deutschland. Welche Gedanken das sogenannte Sylt-Video bei ihnen ausgelöst habe, wollte Lanz von seinen Gästen wissen.
Zur Erinnerung: In der Aufnahme, die sich im Internet verbreitet hatte, skandierte eine Gruppe junger Leute rassistische Parolen. Bevor seine Gäste antworten konnten, beschrieb Lanz jedoch erst einmal seinen eigenen „ersten Reflex“. Er habe das Video während einer USA-Reise gesehen und sofort gedacht: „Das ist nicht Deutschland“, so der Moderator. Gegenwind bekam er von Jurist Murat Kayman.
Die Gäste:
- Khola Hübsch, Publizistin
- Ahmad Mansour, Extremismusforscher
- Murat Kayman, Jurist
- Mouhanad Khorchide, Theologe
Zu sagen, die Bilder aus Sylt seien nicht Deutschland, sei eine „positive Perspektive“ und rühre daher, wie man sich Deutschland wünsche, erklärte Kayman. „Menschen, die eben nicht Markus heißen, sondern Murat oder Ahmad, für die sind diese Szenen keine große Überraschung“, so der Deutsch-Türke zu Lanz. Für diese passe das Video aus Sylt zu den Erfahrungen, die sie bereits beim Großwerden in dieser Gesellschaft gesammelt hätten, führte er aus. So habe er bereits als Kind auf dem Schulhof „Ausländer raus“ zu hören bekommen.
Die Geisteshaltung, dass es ein „deutsches Wir“ gebe, zu dem einige nie gehören werden, sei „tief verankert“. Kollegen oder Vorgesetzte skandierten zwar keine Parolen, das sei jedoch ein „stilistischer Unterschied, kein grundsätzlicher“, so Kayman. Die öffentliche Gegenrede nach dem Bekanntwerden des Videos erleichtere ihn nicht, stellte er klar. „Das ist das Mindeste, was man machen kann“, so der Jurist. Positiv überrascht hätte es ihn, wenn Anwesende direkt gegen die Parolen-Gesänge auf Sylt widersprochen hätten.
Mansour kritisiert „selektive Empörung“
Auch Publizistin Khola Hübsch fand die Bilder aus Sylt wenig überraschend. Sie mahnte an, dass in Deutschland ein grundlegendes Problem in der Debattenführung zu Ausländerfeindlichkeit beitrage. Viel zu häufig werde Kultur in den Fokus gerückt, anstatt über Strukturen zu reden, bemängelte Hübsch. So etwa, wenn es um kriminelle Ausländer gehe. Statt auf die Herkunft, sollte in der Debatte besser auf beeinflussbare Faktoren wie Armut, sozioökonomischen Status und Bildung geschaut werden, mahnte Hübsch. Weil das aber nicht der Fall sei, wundere es sie nicht, dass Menschen „Ausländer raus“ schrien.
Damit sorgte sie bei Extremismusforscher Ahmad Mansour umgehend für Widerspruch. Debatten über Ausländer-Kriminalität seien „legitim“ und führten nicht zu mehr Rassismus, erklärte er. Mit Blick auf Sylt galt sein Zuspruch Moderator Lanz: „Sie haben absolut recht, das ist nicht Deutschland“, erklärte Mansour. Er persönlich sei sich zwar darüber bewusst, dass es in der Bundesrepublik Menschen mit rechtsradikaler Ideologie gebe. Das Video aus Sylt habe er jedoch „nicht überbewertet“.
Problematisch fand Mansour die öffentlichen Reaktionen von Politikern und Zivilbevölkerung. Er habe die Empörung als „selektiv“ wahrgenommen, erklärte der Wissenschaftler seine Kritik. Der Grund: Nachdem pro-palästinensische Aktivisten Räume der Humboldt-Universität in Berlin aus Protest gegen Israel besetzt hatten, habe es keine derartigen Bekundungen gegeben. Man sei nur empört, „wenn es ideologisch passt“, beklagte Mansour. „Das stört mich.“
Khola will Differenzierung
Eine Parallele zwischen dem Rassismus auf Sylt und der Besetzung der Humboldt-Universität sah Jurist Kayman. In beide Fällen sei es möglich, „Abwertung ohne Widerspruch zu artikulieren“. In der muslimischen Community gebe es ein Problem mit Antisemitismus, erklärte der Islam-Experte. Dieses Problem müsse gesellschaftlich angegangen werden.
Gegenrede kam von Publizistin Khola Hübsch. Sie halte es für eine „gewagte These“ zu sagen, in Deutschland werde es akzeptiert, antisemitische Parolen zu rufen. Bei den Demonstranten an der Humboldt-Universität handele es sich außerdem nicht nur um Muslime, erklärte sie. „Wo Judenhass stattfindet, muss der Staat eingreifen“, sagte Khola. Anstoß nahm sie daran, dass so getan werde, als ob diejenigen, die auf „das Leid in Gaza und Palästina“ aufmerksam machen wollten, Antisemiten seien. „Das hat keiner gesagt“, beschwichtigte Lanz.