Berlin Angesichts täglich Tausender neu ankommender Kriegsflüchtlinge fordern die Länder Unterstützung vom Bund, um die Unterbringung und Versorgung von Ukrainern zu finanzieren. Es sei „dringender denn je geboten, zügig eine tragfähige Nachfolgeregelung zur Beteiligung des Bundes an den Ausgaben im Bereich der Flüchtlingsaufnahme und Integration zu erzielen“, sagte der Vorsitzende der Innenministerkonferenz, Bayerns Ressortchef Joachim Herrmann (CSU), dem Handelsblatt. „Länder und Kommunen müssen hier durch den Bund nachhaltig entlastet werden.“
Derzeit verhandeln die Bundesregierung und die Länder in einer Arbeitsgruppe über eine Kostenteilung. Die Gespräche sind aber schwierig. Eine finale Einigung sei erst beim Treffen von Kanzler Olaf Scholz (SPD) und den Ministerpräsidenten am 7. April zu erwarten, hieß es in Verhandlungskreisen. Während die Länder eine lange Wunschliste an Unterstützungsmaßnahmen haben, wollen Scholz und Finanzminister Christian Lindner (FDP) angesichts der ohnehin angespannten Haushaltslage nicht jede Forderung erfüllen. „Der Bund wird seiner Verantwortung nachkommen“, hieß es in Regierungskreisen. Es deal with sich um „eine gesamtstaatliche Aufgabe, die von allen Ebenen zu tragen ist“.
Konkret fordern die Länder, dass der Bund wieder eine monatliche Pauschale professional Flüchtling zahlt. Diese wurde einst während der Flüchtlingskrise 2015 eingeführt, lief aber Ende 2021 aus. Sie betrug 670 Euro. Nun schlagen die Länder eine Erhöhung auf 1000 Euro professional Monat und Individual vor. Zudem soll der Bund wie früher die Kosten der Unterkunft für Flüchtlinge komplett übernehmen und das rückwirkend ab 1. Januar.
Die Einigung soll schnell kommen
„Ein nationaler Kraftakt ist erforderlich, um alle Geflüchteten schnell unterzubringen und intestine zu integrieren“, sagte Baden-Württembergs Finanzminister Danyal Bayaz (Grüne). Es brauche eine umfassende Beteiligung des Bundes, dazu sei eine schnelle Einigung zwischen Bund und Ländern auf ein umfassendes Finanzierungskonzept notwendig. Bayaz verwies darauf, dass Baden-Württemberg den Kommunen auch die Kosten für privat untergebrachte Geflüchtete erstatte.
Thüringens Migrationsminister Dirk Adams (Grüne) warnte davor, die finanziellen Lasten infolge der Flüchtlingsverteilung nach dem Königsteiner Schlüssel allein bei den Kommunen abzuladen. „Klar ist, dass sich der Bund dauerhaft an den tatsächlich anfallenden Kosten maßgeblich beteiligen muss“, sagte Adams.
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Der stellvertretende Ministerpräsident und Flüchtlingsminister des Landes Nordrhein-Westfalen, Joachim Stamp (FDP), betonte indes, die Kommunen würden nicht im Stich gelassen. Bund und Länder müssten gemeinsam die wesentlichen Lasten tragen. „Keine Kommune muss sich wegen der Kriegsvertriebenen finanzielle Sorgen machen“, sagte er.
Die Liste der Länder-Forderungen an den Bund ist noch länger. Neben der Pauschale und den Kosten für die Unterkunft soll der Bund zusätzliche Mittel für pflegebedürftige und kranke Flüchtlinge finanzieren. Ebenso soll er wieder Gebäude als Unterkünfte bereitstellen. Insgesamt könnten sich die Kosten intestine auf einen höheren einstelligen Milliardenbetrag belaufen.
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In der Bundesregierung reagiert man reserviert auf die vielen Wünsche. Es deal with sich um Forderungen der Länder, eine Einigung dazu gebe es nicht, hieß es in Regierungskreisen. Noch deutlicher werden Haushälter aus der Ampelkoalition. „So geht das nicht weiter“, schimpft ein Bundestagsabgeordneter. Die Länder hätten in der Vergangenheit schon mehr als genug Mittel vom Bund bekommen. „Dort, wo die Länder noch Verantwortung tragen, werden sie ihrer Verantwortung nicht gerecht.“
Aus Sicht der Haushälter im Bundestag darf sich die Lastenteilung der Coronapandemie nicht wiederholen: In den vergangenen zwei Jahren hatte der Bund die Länder mit Milliarden unterstützt. Ergebnis: Während der Bund im vergangenen Jahr Rekordschulden machte, schafften viele Länder wieder einen ausgeglichenen Haushalt.
Mit der Finanzierung verknüpft ist auch die Frage, welche Leistungen Geflüchtete erhalten sollen. FDP-Politiker Stamp plädierte dafür, die aktuelle Versorgung der Flüchtlinge nach dem Asylbewerberleistungsgesetz in absehbarer Zeit anders zu regeln. Er gehe davon aus, dass es in den ersten Monaten bei der Unterstützung nach dem Asylbewerberleistungsgesetz bleibe und es dann einen Wechsel in die Grundsicherung nach dem Sozialgesetzbuch II (SGB II) gebe. „Es ist eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe, Schutz, Unterbringung und Finanzierung der Kriegsopfer sicherzustellen“, sagte Stamp.
Ein Unterschied besteht bei der Leistungshöhe. Nach dem Asylbewerberleistungsgesetz erhalten Alleinstehende oder Alleinerziehende 367 Euro im Monat. Die Regelsätze in der Grundsicherung für Arbeitsuchende, umgangssprachlich Hartz IV, nach dem SGB II liegen höher. Alleinstehende erhalten aktuell 449 Euro. Für Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz waren ursprünglich die Länder, Landkreise und Kommunen zuständig. Angesichts der hohen Flüchtlingszahlen ab dem Jahr 2015 hat der Bund aber die Länder sukzessive entlastet, vor allem durch einen höheren Anteil an den Mehrwertsteuereinnahmen.
Bund hat seine Zuschüsse erhöht
Der Regelbedarf in der Grundsicherung für Arbeitsuchende wird vom Bund finanziert, die Kommunen sind für die Kosten von Unterkunft und Heizung zuständig. Der Bund hat aber seine Beteiligung an diesen Kosten seit Einführung der Grundsicherung beständig erhöht, zuletzt im Jahr 2020 auf bis zu 75 Prozent.
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Die Geflüchteten aus der Ukraine ins SGB II einzubeziehen, hätte den Vorteil, dass die Betreuung „aus einer Hand“ erfolgen könnte. Aktuell ist für die Zahlung von Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz in der Regel das Sozialamt zuständig, für die Arbeitsvermittlung die Arbeitsagentur. Nach dem SGB II läge sowohl die Leistungsgewährung als auch die Arbeitsvermittlung dagegen allein beim Jobcenter. Daniel Terzenbach, Vorstandsmitglied der Bundesagentur für Arbeit (BA), warb deshalb am Donnerstag dafür, die Geflüchteten mittelfristig in die Zuständigkeit des SGB II zu übertragen.
Nach offiziellen Angaben sind bisher rund 290.000 Menschen aus der Ukraine in Deutschland angekommen. Tatsächlich dürfte die Zahl aber deutlich höher liegen. Ukrainische Staatsangehörige können ohne Visum einreisen und bis zu 90 Tage bleiben, sie müssen sich zunächst auch nirgends melden. Viele kommen privat unter.
Bayerns Innenminister Herrmann lehnte eine freie Wohnortwahl der Vertriebenen ab. Eine bundesweite Verteilung sei „für eine vernünftige Planung der Länder zwingend erforderlich“, sagte er. „Wenn die Geflüchteten eine Unterkunft benötigen, kann ihnen nicht überlassen werden, in welches Land und in welche Stadt sie gelangen möchten.“ Es müsse für jede Individual ein Land zur Aufnahme bestimmt werden.
Der Präsident des Landkreistages, Reinhard Sager, sprach sich für eine Residenzpflicht aus. Es brauche eine möglichst lückenlose Erfassung der Flüchtlinge, um deutschlandweit zu einer guten Lastenverteilung zu gelangen, sagte Sager. „Dabei kann auch eine Residenzpflicht eine Rolle spielen.“ Diese warfare auch in der vergangenen Flüchtlingskrise angewandt worden. Danach durften Flüchtlinge den Bezirk der Ausländerbehörde, in der ihre Aufnahmeeinrichtung lag, nicht verlassen, weil sonst Leistungen gestrichen wurden.
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