Die Börsen jagen von Rekord zu Rekord, und viele Anleger fragen sich: Gewinne mitnehmen, bevor es wieder abwärts geht? Warum das ein Fehler ist.
Beim Blick auf die Börsenkurse kann man schon mal Höhenangst bekommen. Geht es Ihnen auch so? Allzeithochs, wohin man blickt. Der Dax hat die Marke von 17.000 Punkten geknackt, der amerikanische S&P 500 notiert erstmals über 5.000 Zählern – die Liste der Börsenrekorde könnte ich noch weiter fortschreiben. Es läuft! Und zwar richtig gut. Aber wie lange noch?
Perfektes „Timing“ bleibt Wunschdenken
Muss auf das Allzeithoch nicht unweigerlich ein Rücksetzer folgen? Wie lange kann die Rekordjagd noch weitergehen? Und wenn sie endet, knallt es dann richtig? Diese Fragen stellen sich viele Anleger im Moment. Sie auch? Es ist nur menschlich. Wir können uns bei einem Rekord nur schwer vorstellen, dass es immer weiter aufwärts geht und gleich der nächste Rekord folgt. Und es stimmt ja auch, dass kleinere und größere Korrekturen an der Börse dazu gehören, alle paar Jahre kommt es sogar zum Crash. Es wäre natürlich schön, wenn wir vorher, am besten am Allzeithoch, aussteigen und nach dem Rücksetzer beherzt wieder einsteigen könnten. Das perfekte Timing eben.
Die Börsenexpertin
Jessica Schwarzer ist Finanzjournalistin, Bestsellerautorin und langjährige Beobachterin des weltweiten Börsengeschehens. Die deutsche Aktienkultur ist ihr eine Herzensangelegenheit. Zuletzt ist ihr jüngstes Buch „Warum wirklich jeder entspannt reich werden kann“ erschienen. Bei t-online schreibt sie über Investments und Finanztrends, die eine breit gestreute Basis-Geldanlage ergänzen. Sie erreichen sie auf LinkedIn, Twitter, Facebook und Instagram.
Nur ist Börse eben leider nicht so einfach. Nicht umsonst lautet eine alte Börsenweisheit „Time, not Timing“. Die Zeit ist entscheidend und eben nicht der Zeitpunkt. Sehr langfristig, also auf Sicht von 20 oder 30 Jahren, macht es sogar noch nicht mal viel aus, ob Sie unmittelbar vor, in oder nach einem Crash investiert hätten. Auch das zeigt die Statistik. Vorausgesetzt allerdings, Sie haben breit gestreut investiert. Bei Einzelaktien oder einzelnen Branchen kann es anders aussehen.
Ein langer Atem führt zum Erfolg
Der Zeitpunkt ist also nicht wirklich entscheidend, und es ist sowieso so gut wie unmöglich, den besten Zeitpunkt zum Ein- oder Ausstieg zu finden. Es ist reine Glückssache! „Time“ aber, der lange Atem, das funktioniert ziemlich gut. Und deshalb mache ich mich auch nicht verrückt, deshalb beängstigt oder ärgert es mich auch kaum, wenn auf das Allzeithoch eine Korrektur folgen sollte. Im Gegenteil, ich freue mich sogar ein bisschen. Denn ich nutze solche Korrekturen für Zukäufe. Und selbst wenn mir für größere Käufe das Kapital auf dem Anlagekonto fehlen sollte, investiere ich über meine ETF-Sparpläne regelmäßig. Schwache Phasen nutze ich so automatisch aus. Auch Sie sollten immer investieren. Es macht viel Sinn. Denn langfristig können wir an Sparplänen auf Fonds und ETFs ein kleines oder sogar größeres Vermögen anhäufen –allen Korrekturen und Crashs zum Trotz.
Aber zurück zur aktuellen Lage an den Märkten. Ein wesentlicher Treiber der Rekordjagd ist die Berichtssaison zum vierten Quartal 2023. Bisher haben zwei Drittel der Unternehmen aus dem S&P 500 ihre Zahlen vorgelegt. Und die sind besser ausgefallen als erwartet. Auch in Europa läuft es relativ rund. Die Ausblicke fallen verhalten optimistisch aus. Ein weiterer Treiber ist die Hoffnung auf baldige Zinssenkungen. Auch wenn es zuletzt einen kleinen Dämpfer gab: Denn die Inflation entpuppt sich doch als hartnäckiger als erwartet. Trotzdem erwarten viele Investoren im Sommer deutliche Zinssenkungen.
Und wenn es doch anders kommt? Es gibt schließlich genug Krisenherde auf der Welt, die Börsianern empfindlich die Laune verderben könnten. Leider habe ich keine Glaskugel. Aber ich habe eine Strategie, und die ist verdammt langfristig.
Mein Fazit: Gut möglich, dass es in den kommenden Wochen und Monaten etwas turbulenter an der Börse zugeht, inklusive kleinerer und größerer Rücksetzer. Es ist sogar ziemlich wahrscheinlich, wenn die Hoffnung auf schnelle Zinssenkungen der Anleger enttäuscht wird oder die Zinssenkungen eben weniger deutlich ausfallen als erwartet. Wenn Sie langfristig investieren wie ich, muss Sie das aber nicht erschrecken. Kaufen Sie nach, aber lassen Sie sich nicht verrückt machen.
Und übrigens: Rekorde hat es an der Börse schließlich immer gegeben, genauso wie Korrekturen und Crashs. Wenn Sie sich die Charts von Dax, S&P 500 oder MSCI World anschauen, werden Sie sehen, dass es immer weiter nach oben ging.