Nazi-Parolen in Sylt, ein tödlicher Angriff in Mannheim: Negativschlagzeilen bestimmen die öffentliche Diskussion. Comedian Abdelkarim ist vor der EM trotzdem positiv gestimmt.
In knapp einer Woche geht die Fußball-Europameisterschaft in Deutschland los. Noch immer sind die Hoffnungen auf ein Sommermärchen 2.0 groß. Doch zuletzt dominierten negative Schlagzeilen die öffentliche Debatte in der Bundesrepublik. Zunächst die rassistischen Gesänge und Nazi-Parolen bei einer Feier auf Sylt. Nachdem ein aus Afghanistan Geflüchteter einen Polizisten mit einem Messer in Mannheim getötet hat, wird jetzt abermals über Abschiebungen auch in Krisengebiete diskutiert.
Es sind auch diese kontroversen Themen, die Comedian Abdelkarim auf der Bühne thematisiert, oft auch mit einem persönlichen Blick. Im t-online-Interview erklärt er, was ihn an dem Sylt-Video überrascht hat, welche Erfahrungen er mit Rassismus gemacht hat und wie das Sommermärchen 2.0 klappen könnte.
t-online: Herr Abdelkarim, was haben Sie sich gedacht, als Sie von den rassistischen Gesängen auf Sylt erfahren haben?
Abdelkarim: Ich war nicht davon überrascht, dass es in Deutschland Rassismus gibt. Wir haben ja immerhin auch Rassisten im Bundestag, und auch im Bundestag kommt nur das raus, was vorher reingesteckt wurde. Ich fand es auch nicht überraschend, dass Rassismus auch bei wohlhabenden Menschen vorkommt. Rassismus ist der Grund, warum auch heute noch viele große und reiche Unternehmen Bewerbungen mit Arabisch klingenden Namen oder Namen mit Ü direkt aussortieren.
Nein. Eine Sache hat mich dann doch überrascht: Wie schmerzfrei und glücklich die Leute da mitgesungen haben. Wer kein Deutsch versteht, könnte meinen, die singen da „Hänschen klein“. Und man kann auch nicht alles mit Alkohol entschuldigen. Ich habe in meinem Leben schon viele betrunkene Menschen gesehen. Die haben aber nie „Ausländer raus!“ gesungen. Zumindest nicht so offen. Dabei ist es mir auch egal, ob das Aufsagen des Satzes „Deutschland den Deutschen – Ausländer raus“ eine Straftat ist oder nicht. Das ist einfach ein sehr ekelhafter Satz, der eine rassistische Haltung wiedergibt. Und eine Frage, die sich stellt, ist: Was ist die letzten Jahre alles schiefgelaufen, dass Menschen sich denken „Deutschland den Deutschen – Ausländer raus! Geil, das singe ich jetzt. Die Parole geht wieder.“
Abdelkarim (42), ist Comedian und Kabarettist. Der gebürtige Bielefelder steht seit 2007 auf der Bühne. Für seine Arbeit wurde er unter anderem mit dem Deutschen Fernsehpreis und der Goldenen Kamera ausgezeichnet. Im Oktober feiert er in Berlin die Premiere seines vierten Programms „Plan Z – jetzt will er’s wissen!“. Weitere Informationen zu den Terminen finden Sie unter abdelkarim.tv.
Wie sind Ihre persönlichen Erfahrungen mit solchen Parolen, mit Rassismus?
Mir wurden noch keine rassistischen Lieder vorgesungen. Rassismus habe ich aber schon erlebt. Die eine oder andere Wohnung zum Beispiel habe ich nicht bekommen. Am Telefon war noch alles supi, aber als ich vor der Tür stand, ist der Vermieter fast vom Glauben abgefallen. Ich hab mich sogar kurz umgedreht, weil ich dachte, hinter mir steht ein Geist oder so, aber da war keiner. Das war eine sehr kurze Besichtigung: Zwei Zimmer, Dachboden und Keller in einer Minute. Dabei hatte ich sogar extra für diesen Termin ein Hemd angezogen.
Von Sylt und Rassismus spricht jetzt aber kaum noch jemand. Nach dem tödlichen Angriff auf einen Polizisten durch einen Geflüchteten ist Migration wieder das große Thema.
Der Angriff und die Folgen für alle Opfer haben mich erschüttert. Einige Menschen wurden schwer verletzt und der Polizist Rouven Laur erlag seinen Verletzungen. Vor allem sein Schicksal hat mich geschockt. Nach dem, was ich im Netz über ihn gelesen habe, war er ein toller Mensch. Und er hat sich für einen gefährlichen, aber wichtigen Beruf für die Gesellschaft entschieden.
Ich bin beim Thema ‚Abschiebungen‘ kein Experte, obwohl ich als Deutscher mit Abschiebeoptik beide Seiten verbinde.
Abdelkarim
Als Lösung für solche Attacken werden oft Abschiebungen, auch in Kriegsgebiete, gefordert.
Ich bin beim Thema „Abschiebungen“ kein Experte, obwohl ich als Deutscher mit Abschiebeoptik beide Seiten verbinde. Das Thema ist immer präsent, mal mehr, mal weniger. Es ist im Regelfall kein gutes Zeichen, wenn Politik spontan passiert oder improvisiert wird. Daher hoffe ich, dass die Entscheider das Thema „Abschiebungen“ ernst nehmen und sich nicht von tagesaktuellen Nachrichten zu irgendwelchen Entscheidungen hinreißen lassen. Das ist nicht immer einfach, vor allem bei schockierenden Nachrichten. Aber gerade dann, wenn es schwerfällt, muss sich der Rechtsstaat bewähren. Wenn die Sonne scheint und wir uns alle in den Armen liegen, brauchen wir das Grundgesetz nicht so dringend wie in Krisen. Dann ist eh ja alles gut. Und da wir in Deutschland zum Glück keine Todesstrafe haben und ich auch nichts von einer mittelbaren Todesstrafe halte, bin ich auch bei Straftätern gegen Abschiebungen in Kriegsgebiete.