Einst bauten die Deutschen ihr Land mit bloßen Händen wieder auf. Und heute? Sei unser Wohlstand gefährdet, warnt Gesamtmetall-Präsident Stefan Wolf.
Schwache Pisa-Ergebnisse, der Wunsch nach einer Viertagewoche und immer mehr Frührentner: Kann Deutschland noch Leistung? Oder haben wir uns zu einer Wenig-Bock-Gesellschaft entwickelt?
Wie kaum ein anderes gesellschaftliches Thema hat diese Debatte das Jahr 2023 geprägt – und zu Kontroversen geführt. Einer, der das klare Wort dabei nicht scheut, ist Stefan Wolf. Immer wieder betont der Präsident des Arbeitgeberverbands Gesamtmetall, wie wichtig es ist, dass schon Kinder verstehen, was Leistung heißt. Sonst, so Wolf, drohe Deutschland ärmer zu werden – wirtschaftlich, durch Wohlstandsverluste, aber auch gesellschaftlich, etwa weil sich niemand mehr im Vereinswesen engagiere.
Beim Interview in Berlin erklärt er, mit welchem Leistungsempfinden er selbst aufgewachsen ist, wie die Politik Leistungsanreize setzen sollte und was er selbst in der Erziehung seiner Tochter hätte anders machen sollen.
t-online: Herr Wolf, wann waren Sie das letzte Mal so richtig stolz darauf, etwas geschafft zu haben?
Stefan Wolf: Ich bin auf vieles in meinem Leben stolz. Besonders glücklich gemacht hat mich aber, Elring Klinger gut durch die Corona-Pandemie gebracht zu haben. Das war eine extrem schwierige Zeit und erfüllt mich schon mit Stolz.
Wie genau hat sich das für Sie angefühlt?
Ein großer Erfolg beflügelt mich und ich möchte diesen Erfolg mit allen beteiligten Menschen teilen, ihn groß feiern. Das ist auch ganz wichtig: Wenn wir Erfolge richtig feiern, spüren wir, dass sich Leistung lohnt. Egal ob im Sport, in der Schule oder bei der Arbeit.
Haben wir Deutsche das Erfolge-Feiern verlernt?
Ja. Wir feiern uns zu wenig für unsere Leistung. Auch unseren Kindern bringen wir es kaum mehr bei. Wie soll sich ein Schüler über eine gute Leistung freuen, wenn es keine Noten mehr gibt? Wie sollen Jugendspieler im Fußball einen Sieg feiern, wenn das Tore-Zählen abgeschafft wird? Ich bin überzeugt: Der Leistungsgedanke ist im Menschen angelegt, wir müssen ihn nur wieder wecken und fördern.
Ich habe auch nie eine Siegerurkunde bekommen.
Stefan Wolf
Mit welchem Leistungsbegriff sind Sie aufgewachsen?
Mir haben meine Eltern und Lehrer immer gesagt: Wenn Du was erreichen willst im Leben, dann musst Du Leistung bringen. Und diese Leistung hast Du selbst in der Hand. Das habe ich immer beherzigt, auch in Dingen, die mir nicht so gut lagen.
Ich war nie der größte Leichtathlet. Trotzdem habe ich mich im Sportunterricht immer angestrengt, auch bei den Bundesjugendspielen, über die dieses Jahr ja viel diskutiert wurde. Ich habe auch nie eine Siegerurkunde bekommen. Aber ich habe es im nächsten Jahr immer versucht, es war immer mein Ansporn.
Hat sich dieses Verständnis von Leistung bei Ihnen im Laufe des Lebens verändert?
Nein, nicht wirklich. Nach meiner Banklehre habe ich ein Jurastudium aufgenommen. Und das war davon geprägt, dass ich unbedingt ein Prädikatsexamen machen wollte, um in einer großen Anwaltskanzlei arbeiten zu können. Dafür habe ich mich sehr angestrengt und das ist mir dann im Gegensatz zur Siegerurkunde auch gelungen, auch darauf bin ich bis heute sehr stolz.
Deutschland macht 2023 nicht gerade den Eindruck, ein Land von Leistungsträgern zu sein: Die Wirtschaft schwächelt, trotzdem wollen Umfragen zufolge immer mehr Menschen in Frührente gehen, Gewerkschaften fordern die Viertagewoche und beim Pisa-Test schneiden unsere Schüler schlechter ab denn je. Kann Deutschland noch Leistung?
Ich will und kann nicht alle über einen Kamm scheren, es gibt durchaus auch heute noch viele junge Menschen, die anpacken, die etwas für sich erreichen wollen. Aber ich finde, dass der Leistungsgedanke weniger verbreitet ist als in meiner Generation. Sehr viele Jüngere setzen in ihrem Leben andere Schwerpunkte. Die leben in einer Freizeitgesellschaft, in der Arbeit etwas Schlechtes ist. Das ist nicht in Ordnung, finde ich.