Im Herbst werden in Sachsen, Thüringen und Brandenburg neue Landtage gewählt. Die drei Parteien, die Deutschland regieren, kommen auf teils katastrophale Umfragewerte. Was bedeutet das?
Das kann bitter enden für die Ampel. Gut fünf Monate vor den wichtigen Landtagswahlen in Ostdeutschland ist die AfD in Umfragen dort Nummer eins. Zugleich droht den Regierenden im Bund ein Debakel.
In Thüringen und Sachsen kam die SPD zuletzt in Insa-Umfragen noch auf 6 Prozent, die Grünen standen in beiden Ländern bei 5 Prozent, die FDP bei 2 Prozent. Gibt der Osten der Ampel den Rest? Und wer regiert dann mit wem in den Ländern? Stand heute kann das kaum jemand sagen. Aber heute ist noch nicht Wahltag. Und die Lage in den einzelnen Ländern ist trotz allem unterschiedlich.
Die Ausgangslage
Gewählt werden am 1. September die Landtage in Thüringen und Sachsen, am 22. September folgt Brandenburg. Zur Erinnerung kurz die Eckpunkte: In Thüringen koaliert der einzige Ministerpräsident der Linken, Bodo Ramelow, mit SPD und Grünen. Beide waren schon bei der letzten Wahl 2019 so schwach (8,2 Prozent für die SPD und 5,2 Prozent für die Grünen), dass es nur zur Minderheitsregierung reichte. Die FDP schaffte genau 5 Prozent.
Bei der Wahl in Sachsen 2019 erhielt die SPD nur 7,7 Prozent und die Grünen 8,6 Prozent, beide regieren aber ebenfalls mit, dort unter CDU-Ministerpräsident Michael Kretschmer. Die FDP ist nicht im Landtag. Das gilt auch für Brandenburg. Dort war die SPD vor fünf Jahren mit 26,2 Prozent stärkste Partei. Ihr Ministerpräsident Dietmar Woidke koaliert mit CDU und Grünen. Grob gesagt gilt also: In Brandenburg kämpft die SPD ums Regierungsamt und in den beiden anderen Ländern ums Überleben. Die Grünen sind in allen drei Ländern schwach, aber einigermaßen stabil. Die FDP ist in der Todeszone.
„Der Unterschied zwischen Überleben und Untergang“
Parteienforscher Sven Leunig von der Universität Jena findet die Schwäche der Ampel-Parteien wenig verwunderlich: „Das ist ja kein Geheimnis: Die permanente Zerstrittenheit der drei Parteien im Bund wirkt sich auf die Landesparteien aus.“ Landtagswahlen seien aber auch traditionell die Gelegenheit, die Regierenden abzustrafen. „Es war schon immer so, dass Regierungsparteien im Bund auf Landesebene schlechter abschneiden“, erläutert der Politikwissenschaftler. Verglichen mit den vorigen Wahlen seien die Ampel-Parteien nicht extrem abgestürzt. „Nur ist es vor allem im Fall der FDP so, dass zwei Prozentpunkte den entscheidenden Unterschied machen zwischen Überleben und Untergang.“
Als Partei findet die FDP im Osten kein echtes Thema und tut sich als außerparlamentarische Opposition in Sachsen und Brandenburg schwer. Und auch SPD und Grüne haben hausgemachte Probleme. Die in Ostdeutschland geborene Autorin Sabine Rennefanz erinnerte im „Spiegel“ daran, wie die SPD einst mit Hartz IV und Ich-AGs Anhänger vergraulte. Themen wie gleiche Löhne in Ost und West packt die Partei nur zaghaft an.
Bündnis 90/Die Grünen haben trotz ihrer Rolle in der friedlichen Revolution 1989 im Osten traditionell einen schweren Stand. Nach einer aktuellen Umfrage im Auftrag der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“ werden sie von vielen als abgehoben und regulierungswütig wahrgenommen – Stichwort Heizungsgesetz. Vor allem grüne Bundesminister wie Robert Habeck wurden im Osten zuletzt gerne mal ausgepfiffen, ob nun von wütenden Bauern oder friedensbewegten Gegnern der Waffenlieferungen an die Ukraine.
Erwartungen niedrig hängen
Die politische Geschäftsführerin der Grünen, Emily Büning, gibt sich trotzdem zuversichtlich. Ihre Partei habe in den vergangenen Wochen viele neue Mitglieder gewonnen, auch im Osten. Ihr Ziel: „Bei den Wahlen im Herbst geht es darum, dass demokratische Mehrheiten und damit stabile Regierungen ohne die AfD gebildet werden können.“
Das Ziel teilt mit Sicherheit auch die SPD, die als einzige Partei derzeit in allen fünf ostdeutschen Bundesländern und Berlin mitregiert. Das könnte so bleiben – sofern die SPD die Fünf-Prozent-Hürde meistert. Mit einstelligen Wahlergebnissen in Sachsen und Thüringen scheint sie sich abzufinden. In den Kleinstädten und Dörfern seien sie nicht gut aufgestellt, räumte SPD-Chefstratege Kevin Kühnert kürzlich ein.
Bei der FDP, die zuletzt Wahlniederlagen in Serie kassierte, werden die Erwartungen für die ostdeutschen Bundesländer bewusst niedrig gehängt. Vor der Europawahl am 9. Juni konzentrieren sich die Liberalen darauf, Spitzenkandidatin Marie-Agnes Strack-Zimmermann zu stärken und sich bundesweit über fünf Prozent zu stabilisieren.