Passt das zum Kampf gegen die Klimakrise? Statt einem Gerichtstermin beizuwohnen, genießt ein Aktivist der „Letzten Generation“ die Annehmlichkeiten einer Kreuzfahrt.
Der Elektrotechniker Hendrik Fauer, Aktivist der „Letzten Generation“, ist kein Unbekannter vor Gericht. Schon im vergangenen Jahr wurde der 54-Jährige aus Stockelsdorf zu einer Geldstrafe verurteilt, weil er sich in Flensburg auf die Straße geklebt hatte.
Auch an diesem Donnerstag war Fauer wegen einer Klimaaktion vor Gericht geladen. Der Vorwurf: Hausfriedensbruch. Er und andere Aktivisten hatten die Abgeordnetenversammlung in Hannover gestört. Sie beschmierten laut Anklage Wände und Boden mit Sprühkreide und verursachten einen Schaden von rund 9.500 Euro.
„Bild“ berichtet nun von einer ironischen Wendung: Anstatt im Amtsgericht Hannover zu erscheinen, sei Klimaaktivist Fauer auf einem Kreuzfahrtschiff Richtung Norwegen unterwegs. Demnach ging die Reise in einer Drei-Sterne-Kabine auf der „MS Color Fantasy“ von Kiel nach Oslo. Fauer, als Experte für Offshore-Windkraftanlagen bekannt, begründete sein Fernbleiben demnach in einem Schreiben an die Richterin damit, dass die Reise schon lange geplant gewesen sei.
Richterin Monika Pinski habe das Fernbleiben Fauers mit der Bemerkung: „Wir sitzen ja alle in einem Boot“, kommentiert. Seine Mitstreiter, zwei Studenten und eine Psychologin, hätten schweigend im Gerichtssaal gesessen, berichtet „Bild“.
Richterin lässt „Letzte Generation“ Schaden beseitigen
An einer Strafe wegen Hausfriedensbruchs kamen die Aktivisten nicht vorbei: Richterin Pinski verurteilte sie zu einer Geldbuße, die der Umweltorganisation BUND zugutekommen soll. Die Amtsrichterin schlug zudem einen ungewöhnlichen Kompromiss vor: Die Gruppe soll den Saal im Regionshaus putzen, dafür darf sie einen Brief an die Abgeordneten schreiben.
Regionspräsident Steffen Krach (SPD) betonte vor Gericht, man habe mit dem Strafantrag ein Zeichen setzen wollen, um derartige Aktionen in Zukunft zu verhindern. Der Oberbürgermeister von Hannover, Belit Onay (Grüne), hatte sich jedoch kurz nach der Protestaktion mit den Aktivisten geeinigt und ihre Forderungen weitgehend unterstützt. Hier lesen Sie mehr.
Kreuzfahrtreise und Umweltschutz?
Die Reise von Fauer während eines Gerichttermins ist wohl ein weiterer Fall, der nicht günstig für das Image der „Letzten Generation“ sein dürfte: Erst im vergangenen Jahr hatten zwei Aktivisten für Wirbel gesorgt, weil sie einen Gerichtstermin wegen eines Bali-Urlaubs schwänzten. Das trat in den Medien eine Debatte über die Glaubwürdigkeit der Klimabewegung los.
Die „MS Color Fantasy“ ist laut Angaben des Betreibers, der Reederei Color Line, die zweitgrößte Kreuzfähre der Welt und kann bis zu 2.605 Passagiere in 966 Kabinen und 750 Autos aufnehmen. Das Schiff wird von vier Dieselmotoren mit einer Gesamtleistung von 42.400 PS angetrieben. Es verfügt über 15 Decks mit verschiedenen Einrichtungen wie Restaurants, Bars, Geschäften, Spa, Theater und Casino.
Immerhin soll die „MS Color Fantasy“ eine der modernsten und somit auch umweltfreundlichsten Fähren der Welt sein. Die Reise von Kiel nach Oslo dauert etwa 20 Stunden und hinterlässt pro Person einen deutlich kleineren CO2-Fußabdruck als ein Kurzstreckenflug.
Richterin Pinski fasste während der Verhandlung laut einem Bericht der „Hannoverschen Allgemeinen“ zusammen: Die Kreideschmierereien der „Letzten Generation“ seien der Sache nicht förderlich gewesen. „Das Grundproblem wird durch bloßes Wischen nicht gelöst – das kann ich hier auch nicht lösen.“ Sie selbst habe schon vor Jahren ihr Auto in der Stadt abgeschafft und gehe seitdem zu Fuß oder nehme die Bahn.