Klaus-Michael Kühne ist 37 Milliarden Euro schwer. Jetzt werden neue Details zum Umgang mit seiner düsteren Familiengeschichte bekannt.
Der reichste Deutsche hat offenbar eine selbst von ihm in Auftrag gegebene Studie zur Firmengeschichte seines Unternehmens im Giftschrank verschwinden lassen. Das berichtet die US-Zeitschrift „Vanity Fair“.
Demnach hatte der Milliardär Klaus-Michael Kühne im Vorfeld des 125-jährigen Unternehmensjubiläums 2015 das wirtschaftswissenschaftliche Forschungsinstitut Handelsblatt Research Institute damit beauftragt, eine Historie der Firma Kühne + Nagel zu verfassen. Bei der Präsentation des Ergebnisses soll Kühne an die Decke gegangen sein. Das Kapitel zur Rolle seines Vaters und seines Onkels zur Nazizeit habe ihm gar nicht gepasst, berichtet „Vanity Fair“. Kühne habe Änderungen gefordert und bei einer Telefonkonferenz darauf bestanden: „Mein Vater war kein Nazi.“
Handelsblatt Research Institute dementiert nicht
Als die Forscher sich weigerten, die Firmenhistorie den Wünschen Kühnes anzupassen, habe dieser gesagt, dann werde die Studie eben gar nicht veröffentlicht und die Telefonkonferenz beendet. „Fragt bloß nicht, wo der Reichtum herkommt“, heißt es daher zusammenfassend im Artikel der „Vanity Fair“.
t-online hat Kühne + Nagel zu den Vorwürfen Fragen gestellt. Ein Sprecher antwortete, von der Studie sei im Unternehmen „nichts bekannt“.
Das Handelsblatt Research Institute dementierte unterdessen nicht, dass sich der Vorfall wie von der „Vanity Fair“ dargestellt zugetragen hat. „Bitte haben Sie Verständnis, dass wir uns zu diesem Thema nicht äußern“, teilte das Institut t-online lediglich mit.
Die Nazi-Vergangenheit von Kühne + Nagel ist in der Vergangenheit bereits öfter thematisiert worden. Der Konzern selbst hat zur Aufarbeitung allerdings nur wenig beigetragen.
Klaus-Michael Kühne wurde 1937 als einziges Kind des Speditionskaufmanns Alfred Kühne geboren. Sein Großvater August Kühne hatte das Unternehmen 1890 gemeinsam mit einem Unternehmerkollegen gegründet.
1910 stieg ein weiterer Kaufmann mit ein. Adolf Maass verließ 1933 kurz nach der Machtübernahme der Nazis die Firma. Er sei von Kühnes Vater und Onkel aus der Firma gedrängt worden, ohne eine Entschädigung für seine Anteile zu erhalten, gab später sein Sohn Gerhard Maass zu Protokoll.
Adolf Maass war Jude. Es gelang ihm und seiner Frau noch, ihre drei Kinder ins Ausland zu schicken, selbst konnten sie sich nicht retten. 1942 wurde das Paar nach Theresienstadt deportiert, 1944 brachten die Nazis die Eheleute nach Auschwitz und ermordeten sie dort.
Nur Tage, nachdem die Brüder Alfred und Werner Kühne sich 1933 von ihrem ehemaligen Partner Maass getrennt hatten, traten beide in die NSDAP ein. Mit einem jüdischen Mitinhaber im Unternehmen wäre das nicht gegangen.
Nachdem es sich praktisch selbst arisiert hatte, entwickelte sich das Speditionsunternehmen Kühne + Nagel in den folgenden Jahren zu einem mehrfach ausgezeichneten „nationalsozialistischen Musterbetrieb“. Die Firma war maßgeblich an Verbrechen der Nazis beteiligt.
Ab 1942 wirkte das Unternehmen in großem Stil an der systematischen Ausplünderung der europäischen Juden mit und schaffte jüdisches Eigentum aus besetzten Gebieten wie Holland, Frankreich, Luxemburg und Belgien ins Deutsche Reich. Es geht um rund 30.000 Bahnwaggons sowie 500 Schiffsladungen mit geraubten Möbeln aus den Haushalten von deportierten und ermordeten Menschen.
Kühne + Nagel war die bevorzugte Firma der Nazis für dieses schmutzige Geschäft mit dem Namen „M-Aktion“ (für Möbel). Das Unternehmen habe quasi ein Monopol darauf gehabt, sagte Frank Bajohr, Leiter des Zentrums für Holocaust-Studien am Institut für Zeitgeschichte in München, der „Vanity Fair“. Der Reichtum der Kühne-Inhaber wuchs in dieser Zeit den Recherchen des US-Magazins zufolge beträchtlich.
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