Jeden Monat liefern Wetterdienste neue Daten zur Erderhitzung. In Windeseile löst eine KI-Anwendung die andere ab. Wer am Ball bleiben will, muss sich ranhalten. Wie wird das in Schulen sichergestellt?
„753 – Rom schlüpft aus dem Ei“. An historischen Daten in Geschichtsbüchern ändert sich in der Regel nichts mehr. Aber wie sieht es mit Klimawandel und Künstlicher Intelligenz (KI) aus?
Kaum ein anderes Thema ist aktuell wohl so gefragt – auch viele Schüler und Schülerinnen interessieren sich dafür. Doch in beiden Fällen tut sich enorm viel. Der Wissensstand von heute ist quasi morgen schon überholt. Schulbuchverlage und Lehrkräfte tun einiges, damit der Unterricht und die Materialien auf aktuellem Stand bleiben.
Schulbücher können da freilich kaum mithalten, sollen sie doch lange halten. Der Stuttgarter Ernst Klett Verlag zum Beispiel aktualisiert Lehrwerksinhalte etwa alle vier Jahre. Daher wird Lehrerinnen und Lehrern Zusatzmaterial digital zur Verfügung gestellt, das nach Angaben einer Sprecherin in kürzeren Abständen überarbeitet wird. „Gibt es Entwicklungen, die für das Fach wichtig sind, wenn das Buch bereits im Umlauf ist, erreichen wir die Lehrkräfte zudem über unsere Blogs und Newsletter sowie über Fortbildungen, so dass wir damit schnell auf aktuellen Bedarf reagieren können.“ Schülerinnen und Schüler wiederum werden in Aufgaben etwa dazu aufgefordert, selbst die aktuelle Umsetzung des Pariser Klimaabkommens zu recherchieren.
Ähnlich hält es der Cornelsen Verlag. Ein Sprecher verweist auf Arbeitsblätter oder Podcasts, mittels derer aktuelle Entwicklungen aufgegriffen oder Akzente gesetzt würden. Die Westermann-Gruppe hat laut einer Sprecherin schon mehr als 190 Arbeitsblätter zum Stichwort Klimawandel entwickelt. Darin gehe es um einzelne Aspekte wie die Berichte des Weltklimarats, die Weltklimakonferenzen, aber auch zu Extremwetter-Ereignissen oder langfristigen Folgen des Klimawandels. Über den sogenannten Aktualitätendienst Schroedel bietet das Unternehmen verstärkt Materialien zu KI, seit der Chatbot ChatGPT vor einem Jahr erstmals für Schlagzeilen sorgte. „Damit reagieren wir auf steigende Nachfrage nach Unterrichtsmaterialien zu diesem Thema.“
Lehrkräfte müssen sich auch fortbilden
Stefan Düll, Präsident des Deutschen Lehrerverbands, erklärt dazu: „Lehrkräfte schauen immer auch über den Tellerrand der vorhandenen Schulbücher hinaus und versorgen sich für ihre Fächer mit aktuellem, zusätzlichem Material unter Verwendung gedruckter und vor allem digitaler Medien.“ Manche befassten sich selbst mit KI und tauschten sich im Kollegium aus. Zudem böten Mitgliedsverbände Fortbildungen an. Wobei es hier laut Düll Luft nach oben gibt.
Mit KI müssen sich Lehrkräfte seinen Ausführungen nach schon allein deshalb beschäftigen, weil sie früher oder später mit Hausaufgaben zu tun haben (werden), die möglicherweise mit KI-Hilfe erstellt wurden. Das Thema Klimawandel sei nicht zuletzt durch den Gesprächsbedarf der Schülerinnen und Schüler und ihr Engagement zum Beispiel für die Bewegung Fridays for Future in den Unterricht hineingetragen worden.
Welche Themen in einem Schulbuch dargestellt werden, entscheide nicht der Verlag, sondern das jeweilige Bundesland über den für das Land verbindlichen Lehrplan, erläutert die Westermann-Sprecherin. In der Regel verfasse eine vom Kultusministerium eingesetzte Kommission den Lehrplan. Der gebe den Verlagen vor, in welchen Fächern, in welchem Umfang und Tiefgang sie Themen wie Klimawandel abbilden.
KI und Klimawandel sind interdisziplinär
Aus den Antworten der Schulbuchverlage geht hervor, dass Klimawandel und KI in vielen Fächern eine Rolle spielen – und das im Fall des Klimawandels seit fast 30 Jahren. Das Thema „Treibhauseffekt“ sei erstmals im Buch „Elemente Chemie“ in Nordrhein-Westfalen vorgekommen, erschienen im Jahr 1994, teilt Klett mit. Doch nicht nur in den Naturwissenschaften spielt das Thema eine Rolle – sondern auch etwa im Geografie-, Politik- oder Englischunterricht. Das Fach Englisch biete „als Weltsprache ideale Voraussetzungen, um die Fragestellungen des globalen Klimawandels im Unterricht zu thematisieren.“
Der erste Lehrplan, der das Thema KI konkret mit eingebracht hat und für den Klett ein konkretes Angebot geschaffen hat, war der Sprecherin zufolge NRW im Jahr 2020/2021. Hauptsächlich ist es in Informatik oder technischen Fächern angesiedelt. Doch auch im Ethik- und Religionsunterricht setzen sich neunte und zehnte Klassen zum Beispiel mit der Frage auseinander, ob KI die Gesellschaft verändert.
„Die Nachfrage nach entsprechenden Materialien ist in unserer Wahrnehmung hoch“, heißt es bei Klett. Wichtig sei den Lehrkräften Material, das erklärt, wie KI funktioniert. „Denn hier lernen nicht nur die Lernenden, sondern auch die Lehrkräfte, warum es so wichtig ist, zu verstehen, wie eine Künstliche Intelligenz stetig dazulernt.“ Auch die Nachfrage nach Online-Seminaren zum Thema KI sei extrem hoch. „Die Plätze für unsere Online-Seminare mit KI-Schwerpunkt sind stets innerhalb kürzester Zeit belegt“, teilt der Verlag mit.
KI ist dem Cornelsen-Sprecher zufolge nicht nur inhaltliches Thema. Es biete große Potenziale für Lernende und Lehrende: „KI-gestützte Tools können Lernenden beispielsweise individuelles Feedback geben und somit eine wertvolle Unterstützung im Lernprozess sein.“