Düsseldorf, Frankfurt Die aktuelle Runde im Übernahmekampf um die Darmstädter Software AG läutete Bain Capital am Dienstagabend ein. Der Finanzinvestor aus Boston, der die Mehrheit am US-Datenbanksoftwareanbieter Rocket Software hält, warb erstmals öffentlich für einen Zusammenschluss der beiden Firmen. Gleichzeitig erhöhte Bain sein Angebot für die Software AG um zwei Euro auf mindestens 34 Euro pro Aktie, was einer Bewertung von 2,5 Milliarden Euro entspricht.
Silver Lake aus dem amerikanischen Silicon Valley bekräftigte dagegen am nächsten Morgen die eigene Offerte von 32 Euro. Silver Lake wiederholte seine Einschätzung, das eigene Angebot sei attraktiv und habe die volle Unterstützung für die Strategie der Software AG und garantiere eine Eigenständigkeit der deutschen Firma, die in den vergangenen Jahren mit Problemen zu kämpfen hatte.
Die Software AG selbst, zweitgrößter deutsche Softwarehersteller nach SAP, bezeichnete das Silver-Lake-Angebot als das „im besten Interesse“ aller Stakeholder.
Übernahmeschlachten um börsennotierte Unternehmen sind in Deutschland selten. In den vergangenen fünf Jahren gab es nur drei größere Fälle: Beim Generikahersteller Stada, dem Leuchtenproduzenten Osram und dem Tierfutterhändler Zooplus rangelten sich ebenfalls einige konkurrierende Bieter.
Was bisher nicht vorkam, ist eine Ausgangslage, in der ein Bieter bereits die faktische Kontrolle über das Unternehmen hat. Silver Lake hat schon heute Zugriff auf knapp zwei Fünftel der Anteile, kann also die Beherrschung der Software AG und damit wichtige strategische Weichenstellungen locker blockieren, sollte Bain in dem Übernahmekampf gewinnen.
In Kürze sind die Aktionäre am Zug. Nach Prüfung durch die Finanzaufsicht Bafin ist in den nächsten Tagen mit der Veröffentlichung der Angebotsunterlagen von Silver Lake zu rechnen. Bain könnte ein eigenes Gebot vorlegen. Die Annahmefrist für Aktionäre läuft in der Regel vier Wochen, kann aber verlängert werden, etwa wenn sich entscheidende Komponenten wie der Preis oder die Annahmeschwelle ändern. Anleger, die verkaufen wollen, werden wohl bis zum Schluss warten, um zu sehen, ob nicht noch mehr für sie rausspringen könnte.
Silver Lake bietet Transaktionssicherheit
Die Konzepte der beiden Private-Equity-Spieler unterscheiden sich grundlegend. Silver Lake ist schon seit rund anderthalb Jahren bei der Software AG an Bord und besetzt zwei Sitze im Aufsichtsrat. Den Kurs des Vorstands um Konzernchef Sanjay Brahmawar unterstützt der Investor ausdrücklich.
Das Management hat Investitionen in Wachstumsfelder wie Datenintegration angekündigt und baut zudem das Geschäftsmodell um: Ähnlich wie die meisten Softwarehersteller will auch die Software AG stärker Software-Abos aus der Cloud (Software as a Service, kurz SaaS) vermarkten, anstatt Lizenzen für Programme zu verkaufen, die fest auf Rechnern installiert werden. Zudem ist es erklärtes Ziel, das Geschäft in den USA auszubauen, wobei der Finanzinvestor aus dem kalifornischen Menlo Park helfen soll.
Der Firmensitz der Software AG befindet sich in Darmstadt.
(Foto: dpa)
Silver Lake hatte vor Kurzem von der Software AG-Stiftung – zuletzt größter Aktionär des SDax-Konzerns – einen 25-prozentigen Anteil gekauft und sich darüber hinaus fünf Prozent der Aktien gesichert. Das angekündigte Angebot hat eine Annahmeschwelle von 50 Prozent. Schon vergangenes Jahr hatte Silver Lake eine Wandelanleihe gezeichnet, mit der der Investor knapp zehn Prozent an der Software AG bekommen könnte – allerdings zu einem Preis von 46 Euro je Aktie.
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Silver Lake betont, dass für eine vollständige Übernahme der Software AG keine weitere Due-Diligence-Prüfung notwendig sei und die Finanzierung bereits vollständig gesichert sei. Es könne somit ohne mehrmonatige Störungen und Unsicherheit für das Unternehmen und seine Stakeholder umgesetzt werden, wirbt Silver Lake.
Auch aus dem Unternehmen heißt es, Silver Lake habe ein „valides“ Angebot vorgelegt und biete eine hohe Transaktionssicherheit. Durch Bain drohe eine Blockade, die sich im schlimmsten Fall über Monate hinziehen könnte. Massive Auswirkungen auf die Arbeitsplätze seien zu befürchten.
Aus Sicht von Analysten gibt es bei der Software viel Umbaupotenzial. Zu „Rohdiamanten“ im Portfolio zählten etwa die Plattform Aris für das Process Mining, mit dem Unternehmen ihre Geschäftsprozesse analysieren, die Internet-der-Dinge-Plattform Cumulocity sowie Streamsets für die Integration von Datenquellen, sagte Michael Briest von der Schweizer Bank UBS dem Handelsblatt.
Die Software AG habe seit 2001 etwa 2,1 Milliarden Euro für Übernahmen ausgegeben – die Summe befindet sich also fast in der gleichen Größenordnung wie das Angebot von Silver Lake. „Möglicherweise liegt in der Summe der Teile ein größerer Wert als in der Gruppe als kombinierte Einheit.“
Rocket betont strategische Vorteile
Bains Rocket Software betont hingegen die strategischen Vorteile eines Zusammenschlusses der beiden Softwarefirmen. Rocket Software und Software AG verfügten über ein komplementäres Portfolio jeweils führender Produkte, die zusammen eine ideale Grundlage für weiteres Wachstum bilden könnten. Dazu könnte sogenanntes Cross Selling beitragen, also der Verkauf des Produkte des künftigen Partners an die eigenen Kunden. „Ein Zusammenschluss würde beide Unternehmen in die Lage versetzen, Innovationen zu beschleunigen“, so die Firma.
Rocket Software hat, anders als der deutsche Rivale, den Wandel zum SaaS-Spieler bewältigt. Mit rund 400 Millionen Dollar Betriebsergebnis (Ebitda) könnte Rocket bei einem Zusammenschluss mit über acht Milliarden Dollar bewertet werden, die Software AG wäre also sehr eindeutig in der Juniorrolle.
Gleichzeitig versuchte Rocket, damit einhergehende Bedenken zu zerstreuen. Die Vision sei ein Zusammenschluss, der die Identität als auch die Kultur beider Unternehmen schützt. Das Management verpflichte sich, in „erheblichem“ Umfang in die Mitarbeiter, die Technologie und die Fähigkeiten des neuen Konzerns zu investieren, so die Werbebotschaft.
Rocket Software will mindestens 34 Euro pro Aktie zahlen, allerdings zunächst noch eine Buchprüfung durchführen. Falls Silver Lake und Software AG-Stiftung einen Zusammenschluss unterstützen, würde sich der Preis sogar auf 36 Euro erhöhen. Die Mindestannahmeschwelle liegt in diesem Fall bei 62,5 Prozent des Grundkapitals – damit wäre ein Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrag möglich.
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Für den Fall, dass Silver Lake und die Software AG-Stiftung bei ihrer Ablehnung bleiben, beträgt die Annahmeschwelle 40 Prozent. Rocket Software würde dann die Rolle des „unterstützenden Ankeraktionärs“ spielen, hieß es.
Aus Sicht einiger Investoren wirft das Vorgehen von Silver Lake und dem Software-AG-Vorstand Fragen auf. Die Software AG hätte einen strukturierten Verkaufsprozess organisieren müssen, anstatt den aus ihrer Sicht hastig eingefädelten Verkauf eines 25-prozentigen Anteils an Silver Lake gutzuheißen, so die Kritik. Der Verkauf an Silver Lake sei möglicherweise erst aufgegleist worden, nachdem Bain sein Interesse bekundet hatte. Software AG und Silver Lake haben das bestritten.
Laut Morgan-Stanley-Analyst Alastair Nolan ist es unklar, wie der Vorstand und der Übernahmeausschuss der Software AG die Vorzüge der einzelnen Angebote bewertet haben.
Wie die Situation ausgeht, ist unklar. Gregory Lafitte, Analyst bei Tradition, erklärte dazu: „Entweder muss Silver Lake sein Angebot als Reaktion auf den Druck von Bain erhöhen, oder Bain und Silver Lake müssen eine gegenseitige Einigung erzielen, obwohl dies derzeit nicht der Fall zu sein scheint.“ Vorbild für ein gemeinsames Vorgehen wäre der Online-Tierfutterhändler Zooplus, bei dessen Übernahme sich die Finanzinvestoren Hellman & Friedman und EQT zunächst gegenseitig überboten hatten und am Ende gemeinsam boten.
Die derzeitige Situation könnte die Software AG für Monate blockieren und Trittbrettfahrer anlocken. Aktivistische Investoren beobachten Finanzkreisen zufolge die Situation – wie seinerzeit bei der Übernahmeschlacht um Stada, als Elliott mitmischte und am Ende viel Geld einstrich.
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