Düsseldorf Waschen, schneiden, färben – klassisches Friseurprogramm. Das Haarefärben wird dabei dank einer großen Produktauswahl oft zu Hause durchgeführt. Aber: „Das erforderte bislang Geduld, conflict zeitintensiv, kompliziert, machte viel Müll – und ist nicht immer gelungen“, sagt Guive Balooch, globaler Leiter des Tech-Inkubators für Forschung und Innovation bei L‘Oréal.
Er und sein Group haben auf der Technikmesse CES in Las Vegas nun ihren Ansatz gegen den Haaransatz vorgestellt: ein Gerät namens Colorsonic. Der tragbare Apparat soll es Kunden ermöglichen, zu Hause Farbe gleichmäßig und an schwer zugänglichen Stellen zu verteilen.
Über ihr Smartphone suchen Anwender mithilfe eines Algorithmus aus mehr als 40 Farben die passende aus. Der Blick auf den Bildschirm soll virtuell zeigen, wie die Kolorierung am eigenen Haar aussieht, die entsprechende Kartusche kommt per Put up. Sieben Jahre lang hat Baloochs Group am Produkt gearbeitet. „Diese personalisierte Technologie ist die erste, die wir direkt für den Massenmarkt anbieten wollen.“ In Deutschland soll Colorsonic voraussichtlich in der zweiten Jahreshälfte 2023 erhältlich sein.
Wie L’Oréal arbeiten immer mehr Konsumgüterhersteller an Produkten, die Kunden per App und Künstlicher Intelligenz (KI) auf ihre Bedürfnisse abstimmen können. In der Branche sind Onlineberatung oder persönliche Verpackungsmöglichkeiten bereits Usus. Nun setzen Hersteller vermehrt darauf, dass auch Produkte individuell kreiert werden.
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„Personalisierung ist ein Megatrend in der Branche“, sagt Sandra Deutschländer, Konsumgüterexpertin bei der Boston Consulting Group (BCG). Gerade in der Kosmetik sei das sinnvoll, da etwa verschiedene Hauttypen unterschiedliche Bedürfnisse bei Pflege- und dekorativen Produkten haben. Im Premiumbereich setzten derweil viele Hersteller auf Personalisierung, damit sie related blieben. „Kunden fühlen sich durch individualisierte Artikel besser verstanden“, so Deutschländer.
Viele Hersteller arbeiten an personalisierten Produkten
Der Kosmetikmarkt verzeichnet in den vergangenen Jahren nur geringes Wachstum. Durch individualisierte Cremes, Lippenstifte oder Haarfärbemittel hoffen die Firmen auf neue Erlösquellen. Die indische Beratung Perception Ace Analytic sieht den globalen Markt für personalisierte Kosmetik 2028 bei einem Volumen von 72,6 Milliarden US-Greenback, quick doppelt so viel wie noch 2019.
Das Potenzial reizt die Branche. So hat Nivea-Hersteller Beiersdorf vor einem Jahr die Onlinemarke „Personal“ an den Begin gebracht. Mit einem Algorithmus können Kunden aus 380.000 Kombinationen die passende Hautpflege finden. Zudem beteiligten sich die Hamburger an dem Begin-up Routinely, das per App Cremes tagesaktuell an die Haut anpasst.
Henkel individualisiert, wie nun auch L’Oréal, vor allem die Haarpflege. Seit 2019 gibt es ein Joint Enterprise mit dem US-Begin-up E-Salon, einem Anbieter für Haarfärbemittel. Ein Beispiel aus dem Hause Henkel ist auch die Marke „M:ID“, bei der sich Männer personalisierte Haar- und Kopfhautpflegeprodukte zusammenstellen können. Die japanische Kosmetikmarke Shiseido integriert bei der Beratung per App sogar Geodaten, um die Pflegeprodukte ans Wetter anzupassen.
Begin-ups haben in diesem Bereich den Weg geebnet: Wild Magnificence etwa offeriert ein Shampoo, das aus bis zu 50 Komponenten zusammengemischt wird. Und die Begin-ups Ave+Edam aus Berlin, Asam Magnificence aus München sowie Skinmade aus Stuttgart kreieren personalisierte Hautpflegeprodukte.
Der hohe Grad an Individualisierung macht auch die Unternehmen jeweils einzigartig. „Jede Marke wünscht sich, Produkte für den Kunden bereitzustellen, die unvergleichlich sind“, sagt der Nürnberger Markenexperte Christopher Spall.
Der Geschäftsführer der Markenidentitätsberatung Spall.macht.Marke erklärt, dass sich die Personalisierung positiv auf die Markenwahrnehmung auswirke. „Marken haben heute auch die Aufgabe, Menschen dabei zu helfen, sich selbst zu verwirklichen und der eigenen Identität Ausdruck zu verleihen.“ Gerade individualisierte Produkte könnten das leisten.
Lippenstift auf Knopfdruck
Lohnen dürfte sich das aufgrund der zahlungskräftigen Klientel gerade im Schönheits- und Luxussegment. So stellte L’Oréal vor zwei Jahren auf der CES das Lippenstift-Mischgerät Perso vor. Ab diesem Frühjahr wird es in ausgewählten Breuninger-Warenhäusern auch in Deutschland verkauft.
Isabel Neudeck, Geschäftsführerin der L’Oréal-Luxussparte für Deutschland und Österreich, hat ein solches Gerät schon – und demonstriert es. Sie scannt mit ihrem Smartphone die Farbe ihres Schals. Die App zeigt ihr virtuell, wie diese Farbe auf ihren Lippen aussehen würde. Neudeck nickt, per Tastendruck beginnt Perso, die gewünschte Farbe zu kreieren. Das kleine Gerät brummt leise, füllt die Lippenstiftmasse in ein Etui. „Solch ein persönliches Erlebnis bei unseren Kunden hilft, sie längerfristig an unsere Produkte zu binden“, sagt sie.
Und um mehr über die eigene Kundschaft zu erfahren, als wenn Firmen ihre Produkte im Handel verkaufen würden. „Diese Informationen helfen den Herstellern auch dabei, neue Produkte zu entwickeln, die dann später auch für den Massenmarkt interessant sein können“, sagt BCG-Expertin Deutschländer.
Rentabel sind die Personalisierungsbemühungen bei vielen Konzernen bisher allerdings noch nicht. Das Geschäft ist eine Wette auf die Zukunft. „Im ersten Schritt geht es nicht um Profitabilität“, sagt auch Neudeck. „Personalisierung ist die Zukunft des Kosmetikmarktes, die Verbraucher fordern das zunehmend ein.“ Es gehe darum, früh Erfahrungen in diesem Bereich zu sammeln.
Der Konsument muss dafür tief in die Tasche greifen: 300 Euro kostet „Perso“. Und jede der drei auswechselbaren Kartuschen, die für die Lippenstift-Produktion nötig sind, nochmals 90 Euro. Sie sollen der Menge von dreieinhalb handelsüblichen Lippenstiften entsprechen. 4000 verschiedene Farben können Kundinnen damit kreieren, verspricht das Unternehmen. L’Oréal bietet das Gerät über seine Luxusmarke Yves Saint Laurent an. Bei der kostet ein Lippenstift auch schon rund 25 Euro.
Für den Massenmarkt sind solche Preise zu hoch. Dieser dürfe für weniger loyale Kunden kaum teurer als vergleichbare nicht-personalisierte Produkte sein, sagt Klaus Ballas, Leiter des Sektors Konsumgüter und Handel bei EY. Es sei sehr sinnvoll, dass Unternehmen sich mit solchen Developments beschäftigen. „Bei vielen Innovationen wird es allerdings bei einem Marketingthema bleiben, um Sichtbarkeit zu erreichen.“
Ein Schritt Richtung Massenmarkt
Weit mehr als das will L’Oréal mit seiner neuen Anwendung Colorsonic erreichen. Auch Perso könnte künftig über andere Konzernmarken einer breiteren Zielgruppe zugänglich gemacht werden. Colorsonic zielt direkt auf den Massenmarkt ab. Das Unternehmen plant, das Produkt über seine Marke L’Oréal Paris in Supermärkten und Drogerien zu verkaufen.
Der genaue Preis steht noch nicht fest, sagt Balooch. „Es wird ein Premiumpreis sein, aber einer, der im Massenmarkt bezahlbar ist.“ In den vergangenen zehn Jahren habe man zehn Magnificence-Tech-Produkte entwickelt, erzählt er. So würden die Entwicklungskosten mit der Zeit sinken – und so auch der Preis im Handel.
L’Oréal hat auf der der CES auch eine Anwendung für Friseursalons vorgestellt. Mit dem Gerät Coloright kann der Friseur etwa die Haarfarbe, den Grauanteil sowie die Beschaffenheit des Haars messen. Ein Algorithmus schlägt aus mehr als 1500 möglichen Farben die passenden vor. Die Maschine könne sich die Farbe merken und sie anpassen, wenn sich das Haar verändert, erzählt Balooch. Wann Coloright hierzulande erhältlich sein soll, steht noch nicht fest.
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