Düsseldorf Seit Tagen ranken sich bei Volkswagen Gerüchte um ein neues Batteriezellwerk in Nordamerika. Vergangenen Freitag hatte Europas größter Autobauer eine Telefonkonferenz angesetzt, um vor Journalisten eine größere Investition in der Region zu verkünden. Kurzfristig sagte VW den Termin jedoch ab. Seither rumort es. Kommt das Batteriewerk noch – oder nicht?
Nach Informationen des Handelsblatts wird VW in den kommenden Tagen eine Entscheidung zugunsten von Nordamerika verkünden. „Es ist keine Frage ob, sondern nur, wann es so weit ist“, heißt es von einem Insider. Als wahrscheinlichster Standort gilt Kanada. Dort könnte VW von den milliardenschweren Subventionen der US-Regierung profitieren.
Das Brisante: Gleichzeitig dürfte der Autobauer seine geplante Investition für eine Batteriefabrik in Osteuropa zeitlich hintanstellen. So soll VW auf einem Treffen der „European Battery Alliance“ vor einigen Tagen den anwesenden Regierungsvertretern mitgeteilt haben, dass man entsprechende Pläne vorerst auf Eis lege. Das berichtete eine Person aus dem Teilnehmerkreis dem Handelsblatt.
Auch aus Unternehmenskreisen heißt es, dass von den derzeitigen Batterieprojekten des Konzerns das in Osteuropa „am wenigsten fortgeschritten“ sei. Deshalb sei ein Verschieben des Zeitplans dort am wahrscheinlichsten. Die „Financial Times“ hatte am Mittwoch Ähnliches berichtet.
Offiziell kommentieren wollte Volkswagen ein mögliches Verschieben der Prioritäten nicht. Ein Sprecher erklärte am Mittwoch, man suche „weiterhin nach geeigneten Standorten für unsere nächsten Zellfabriken in Osteuropa und Nordamerika“. Bislang gebe es dazu noch keine Entscheidungen.
VW würde milliardenschwere Subventionen von der US-Regierung erhalten
Motiviert sein dürfte die Entscheidung vor allem vom Klimaschutzprogramm „Inflation Reduction Act“ der US-Regierung, von dem der zweitgrößte Autobauer der Welt kräftig profitieren dürfte. So könnte VW für ein 40-Gigawatt-Stunden-Werk in Nordamerika über mehrere Jahre insgesamt etwa 8,5 Milliarden Euro an Fördermitteln einstreichen.
Zum Vergleich: Der Bau eines Batteriewerks in Europa kostet Volkswagen zwischen zwei und vier Milliarden Euro. Von der EU gefördert werden aktuell davon etwa zehn Prozent, also 200 bis 400 Millionen Euro.
Die US-Regierung lockt die Autoranche mit milliardenschweren Subventionen.
(Foto: Volkswagen AG)
Volkswagen hat sich ehrgeizige Ziele zur Elektrifizierung der Modellpalette gesetzt. Um diese erfüllen zu können, hatte der Autohersteller erklärt, bis Ende des Jahrzehnts sechs Batteriezellfabriken in Europa zu bauen. Das entspricht einer Fertigungskapazität von 240 Gigawattstunden (GWh).
In Schweden errichtet der Konzern gemeinsam mit dem Batteriehersteller Northvolt eine Zellproduktion. Das erste eigene Werk entsteht derzeit im niedersächsischen Salzgitter. Momentan ist dort noch Baustelle, die Fabrik soll 2025 an den Start gehen. Eine zweite sogenannte Gigafabrik ist in Spanien nahe Valencia geplant. Die anderen Standorte sind noch nicht verkündet. In Osteuropa galten bisher Tschechien, Polen und die Slowakei als aussichtsreich.
Die Regierungen dort halten sich bei Nachfragen jedoch bedeckt. Ein Sprecher des tschechischen Industrieministeriums antwortete dem Handelsblatt: „Die Verhandlungen über das Gigafactory-Projekt mit VW laufen ebenso wie die technischen Vorbereitungen.“ Einen Zeitpunkt für die Fertigstellung des Projekts nannte er nicht.
Ein Regierungssprecher in Warschau teilte mit, man informiere erst nach Vertragsunterzeichnung, „welche Investitionen in unserem Land durchgeführt werden“. Die slowakische Regierung reagierte auf eine Anfrage nicht.
Volkswagens Batteriepläne in Europa: Weniger Werke, mehr Fertigungskapazität?
Bei der Präsentation der vorläufigen Jahreszahlen am Freitag deutete Finanzchef Arno Antlitz an, dass Volkswagen künftig auch mit weniger als sechs Batteriezellfabriken auskommen könnte, um seine angestrebte Fertigungskapazität in Europa zu erreichen. Das würde bedeuten, dass die einzelnen Batteriewerke in Europa bis 2030 mit mehr Fertigungskapazitäten ausgestattet werden müssten.
Ein Sprecher bestätigte VWs Ziel von 240 GWh für Europa noch einmal. Dafür benötige man aber „wettbewerbsfähige“ Rahmenbedingungen. „Aktuell warten wir deshalb ab, was der EU-Green-Deal bringen wird“, teilte das Unternehmen mit.
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Wie schnell oder langsam VW in Europa weiterbaut, dürfte somit vor allem an Brüssels Antwort auf Amerikas milliardenschweres Förderprogramm liegen. Die Europäische Kommission will kommende Woche ihren Net Zero Industry Act vorstellen. Dieser soll die Förderpolitik in Europa deutlich lockern und Staaten einen Mindestbetrag für Zukunftsinvestitionen vorschreiben.
Bis 2030 will die EU in der Lage sein, 40 Prozent ihres jährlichen Bedarfs an emissionsfreien Technologien selbst zu produzieren, schreibt die Kommission in einem Entwurf. Das Dokument liegt dem Handelsblatt vor.
VW und Kanada: Eine „logische Option“
Dass VW ein Batteriezellwerk in Nordamerika plant, ist schon länger bekannt. Bis 2030 wollen die Wolfsburger in der Region ihren Marktanteil auf zehn Prozent steigern. Ende Januar berichtete das Handelsblatt mit Verweis auf Einträge in einem Lobbyregister, dass VW den Bau einer Batteriezellfabrik in der kanadischen Provinz Ontario auslotet.
Den Dokumenten zufolge habe Ontario angeboten, „das Projekt durch Investitionen und andere Anreizbeiträge zu unterstützen“. Unter der Nummer PP4740 taucht Konzernchef Oliver Blume persönlich in dem Register auf. Inzwischen sind weitere VW-Einträge in der Datenbank hinzugekommen.
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Kanada ist eines der wenigen westlichen Länder, das über wichtige Batterierohstoffe wie Lithium, Nickel oder Kobalt verfügt. Im August und Dezember hatte VW deshalb mehrere Vereinbarungen zur Sicherung wichtiger Batterierohstoffe in dem Land geschlossen.
Seither nennt Konzernchef Oliver Blume das Land „eine logische Option“ in der Batteriefrage. Weil Kanada und die USA ein Freihandelsabkommen verbindet, können Investitionen in dem Land auch über das Förderprogramm IRA subventioniert werden.
Volkswagen wäre nicht der erste Konzern, der aufgrund der Subventionen Nordamerika den Vorrang gibt. Einer aktuellen Studie der Umweltorganisation Transport & Environment zufolge sind derzeit zwei von drei Batterieprojekten in Europa gefährdet.
So stoppte der US-Autobauer Tesla kürzlich seine Pläne für eine eigene Zellproduktion in Grünheide bei Berlin und investierte stattdessen in den Bau eines Werks im US-Bundessstaat Nevada. Auch Northvolt wollte eigentlich sein nächstes Batteriezellwerk in Schleswig-Holstein bauen, überlegt aber angesichts der Fördermöglichkeiten nun, zuerst in Amerika zu produzieren.
Mitarbeit: Christoph Herwartz, Moritz Koch
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