In den vergangenen anderthalb Jahren habe Baerbock mit Blick auf die Ukraine und viele andere Themen zu seinen engsten Kollegen gehört, so Blinken.
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Washington Das amerikanische Außenministerium in Washington ist ein eher deprimierendes Gebäude. Enge weiße Gänge, abgelaufenes Linoleum, tiefe Decken, wenig bis keine Bilder an den Wänden – bis man in den sogenannten „Treaty Room“ kommt, wo sich ein völlig anderes Bild bietet: hohe Decken, türkis-blaue Wände mit weißen Säulen verziert, edle Holzböden.
Hier kamen Außenministerin Annalena Baerbock (Grüne) und ihr amerikanischer Amtskollege Antony Blinken am Freitag zu einer gemeinsamen Pressekonferenz zusammen – der vorläufige Höhepunkt von Baerbocks mehrtägiger US-Reise.
Bereits am Vorabend hatten sich Blinken und Baerbock für zwei Stunden zum Abendessen in dessen Residenz getroffen – ohne Berater. Nur die Ehefrau von Blinken war mit dabei. Auch Bundeskanzler Scholz hatte sich vor einiger Zeit mit US-Präsident Joe Biden allein und ohne Berater getroffen.
Treffen dieser Art sollen es ermöglichen, in zwangloserer Atmosphäre auch über größere Themen zu sprechen. Freitagvormittag traf Baerbock Blinken dann zu einem förmlichen Austausch im amerikanischen Außenministerium. Es seien „sehr, sehr gute Konsultationen gewesen“, sagte Blinken im Anschluss an das Gespräch am Freitag.
Im Zentrum des Gesprächs stand der Krieg in der Ukraine. In Berlin besteht die Sorge, dass die Unterstützung der USA für das Land bei der Abwehr des anhaltenden russischen Angriffs nachlassen könnte. Blinken versicherte, dass beide Seite „zutiefst engagiert“ seien, „unsere starke Unterstützung für die Ukraine weiterzuführen“. Er betonte dabei, dass es auch um den längeren Zeithorizont gehe.
Der US-Außenminister lobte explizit das Engagement Deutschlands für die Ukraine. Nach den Vereinigten Staaten komme Deutschland im Ländervergleich bei den bereitgestellten Hilfen für die Ukraine an zweiter Stelle, so Blinken.
Transatlantischer Schulterschluss vor UN-Generalversammlung
Am Tag zuvor hatte sich Baerbock mit mehreren Politikern aus der republikanischen Partei getroffen, darunter Mitch McConnell, Fraktionschef der Republikaner im US-Senat. Der 81-Jährige gilt als einer der wichtigsten Strippenzieher in der US-Politik. Auch wenn es unterschiedliche Sichtweisen gebe, hätten viele Republikaner deutlich gemacht, dass für sie die Unterstützung der Ukraine wichtig sei, sagte Baerbock am Donnerstag.
Der transatlantische Schulterschluss kommt kurz vor der Anfang der kommenden Woche beginnenden UN-Generalversammlung in New York, bei der auch Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) eine Rede vor den Delegierten der Vollversammlung halten wird.
Auch der ukrainische Präsident Wolodimir Selenski wird zu dem wichtigen Treffen erwartet. Es ist bereits sein zweiter Besuch in den USA innerhalb eines Jahres.
Wolodimir Selenski mit gibt Antonio Guterres (r.), Generalsekretär der Vereinten Nationen bei einem vorherigen Besuch in New York.
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Auch Selenski scheint zu fürchten, dass der Rückhalt des wichtigsten westlichen Partners bröckeln könnte – und reist deswegen auch nach der UN-Generalversammlung in New York weiter durch die USA: Auf dem Capitol Hill und im Weißen Haus in Washington will er um Unterstützung gegen die russische Aggression werben. Auch in der UN-Generaldebatte am Dienstag und Mittwoch wird erwartet, dass Selenski fordert, dass der Westen weiter an der Seite der Ukraine stehen muss.
Möglicherweise, so berichten US-Medien, könnte Biden ihm die Lieferung von Langstreckenraketen zusagen – ein Schritt, auf den Selenski lange gedrängt hatte, und den Biden noch im vergangenen Jahr ausgeschlossen hatte. Bei der gemeinsamen Pressekonferenz zeigte sich US-Außenminister Blinken jedoch zurückhaltend diesbezüglich.
Eklat bei Pressekonferenz
Am Rande der Pressekonferenz am Freitag kam es auch zu einem kleinen Eklat. Ohne Vorankündigung mussten die teilnehmenden Journalisten überraschend ihre elektronischen Geräte abgeben – ein äußerst unüblicher Vorgang. Selbst bei einer früheren Pressekonferenz von Außenministerin Baerbock und ihrem damaligen chinesischen Amtskollegen Qin Gang in China, das für seine scharfe Pressezensur bekannt ist, waren elektronische Geräte zugelassen. Bis zuletzt hatte die deutsche Seite darauf hingewirkt, dass die Geräte zugelassen werden, doch dem Vernehmen nach sperrte sich die amerikanische Seite.
Bei den gemeinsamen Gesprächen von Blinken und Baerbock war auch China ein Thema. Blinken lobte die im Juli von der Bundesregierung verabschiedete China-Strategie als „sehr deckungsgleich mit unserer eigenen“.
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Sowohl Baerbock als auch Blinken betonten in diesem Zusammenhang, dass sie ihre Bemühungen zur wirtschaftlichen Absicherung verstärken wollen.
Am Freitag hatte ein Bericht verschiedener US-Medien für Aufsehen gesorgt, nach dem gegen den chinesischen Verteidigungsminister Li Shangfu, der seit mehr als zwei Wochen verschwunden ist, offenbar ein Disziplinarverfahren eingeleitet wurde. Ebenfalls verschwunden ist seit mehreren Monaten bereits der ehemalige chinesische Außenminister Qin Gang. Auf Nachfrage sagte Blinken, er wisse nichts über den Status des chinesischen Verteidigungsministers.
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