London Großbritanniens Spitzenbanker bekommen in diesen Tagen einiges zu hören. Erst vor zwei Wochen bestellte Finanzminister Jeremy Hunt die Vorstandschefs der führenden Banken im Königreich ein. Am Donnerstag wurden die Spitzenbanker erneut zum Rapport gebeten – diesmal von der britischen Finanzaufsicht Financial Conduct Authority (FCA).
Hunt wollte die Bankchefs dazu bewegen, die Last der stark gestiegenen Hypothekenzinsen für knapp elf Millionen Hausbesitzer zu erleichtern. Die FCA wiederum sprach mit ihnen über die Sparzinsen, die nach Meinung der konservativen Regierung in London nicht schnell genug steigen. Britische Sparer können deshalb auf Besserung hoffen.
Die Gespräche mit den Bankensektor scheinen nötig, denn viele Briten sitzen in einer Zinsfalle: Die Bank of England erhöht angesichts der hartnäckig hohen Inflation – im Mai stiegen die Verbraucherpreise immer noch um fast neun Prozent – sukzessive die Leitzinsen auf zuletzt fünf Prozent.
Das treibt wiederum die Hypothekenzinsen in die Höhe: Die Raten für die in Großbritannien beliebten zwei- und fünfjährigen Immobilienkredite sind auf über sechs Prozent gestiegen.
Die durchschnittlichen Tagesgeldzinsen bei den britischen Banken hingegen lagen zuletzt nach Angaben der Verbraucherplattform Moneyfacts bei knapp 2,4 Prozent. „Einige große Banken zahlen weniger als ein Prozent Zinsen, während die meisten Menschen mindestens vier Prozent verdienen sollten“, sagt Verbraucherschützer Martin Lewis.
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Diese Zinsmarge hat die Zinseinnahmen von Großbanken wie Barclays und Lloyds im ersten Quartal um rund ein Fünftel gesteigert. Für die um ihre Wiederwahl bangenden Tories ist das ein politisches Ärgernis: Finanzminister Hunt moniert, es dauere „zu lange“, bis die britischen Sparer in den Genuss der hohen Zinsen kommen. „Das ist ein Problem, das gelöst werden muss“, sagte er im Unterhaus.
Seine Parteifreundin Harriet Baldwin, Vorsitzende des Finanzausschusses, wird deutlicher: Man habe seit Jahresbeginn festgestellt, „dass die Banken die Zinserhöhungen für Sparer nicht so stark weitergegeben haben wie für Hypothekennehmer“.
Der Finanzminister macht sich stark für höhere Sparzinsen.
(Foto: dpa)
Die Labour-Abgeordnete Angela Eagle spricht von „unverhohlener Geschäftemacherei“ der Banken und hat zusammen mit den anderen Mitgliedern des Finanzausschusses eine Beschwerde bei der FCA eingereicht. Die neuen Verbraucherschutzregeln geben der Finanzaufsicht jetzt einen Hebel in die Hand, jene Banken zu bestrafen, die sich auf Kosten ihrer Kunden bereichern.
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Die britischen Banken fürchten angesichts der aufgeheizten politischen Diskussion neue Staatseingriffe wie zum Beispiel eine Übergewinnsteuer, die es für große Energiekonzerne bereits gibt. Zudem könnte der Staat den Wettbewerb zwischen den Banken unter die Lupe nehmen. „Die FCA hat eine wettbewerbsrechtliche Verpflichtung. Zweifellos prüft sie dies im Zusammenhang mit den jüngsten Anschuldigungen sorgfältig“, sagte der frühere Kartellwächter Andrew Tyrie.
Die Kreditinstitute weisen darauf hin, dass ihre Nettozinsmargen im historischen Vergleich nicht ungewöhnlich stark gestiegen seien. Tatsächlich zeigt eine Untersuchung der FCA aus dem vergangenen Jahr, dass die Margen in den Vorjahren stetig gesunken sind. „Wenn wir den Sparern mehr zahlen wollten, müssten wir den Hypothekarkreditnehmern mehr abverlangen“, sagte Eric Leenders vom Branchenverband UK Finance.
Zudem betonen die Banken, dass sie ihren Kunden bereits Festgeldangebote mit deutlich attraktiveren Zinssätzen offerieren, die je nach Anlagedauer und Investment bis zu sechs Prozent erreichen. Die FCA ermutigte die britischen Sparer, dabei nach den besten Angeboten Ausschau zu halten: „Wir beobachten zunehmend, dass Kunden ihre Sparprodukte zu Produkten mit höheren Zinsen wechseln“, erklärte die Finanzaufsicht.
Das Zinsniveau in Großbritannien dürfte weiter steigen
Der Finanzinformationsdienst Bloomberg hat ausgerechnet, dass die britischen Haushalte bislang dank der Festgeldersparnisse unter dem Strich mit rund zehn Milliarden Pfund (etwa 11,7 Milliarden Euro) von den Zinserhöhungen profitiert haben. Wenn jedoch bis zum Jahresende rund 1,4 Millionen Briten ihre Hypotheken zu deutlich höheren Zinsen umschulden müssen, wird das die Rechnung zu ihren Ungunsten deutlich verändern.
Zumal die Zinskurve in Großbritannien weiter nach oben zeigt. Die Anleger an den Finanzmärkten preisen jetzt einen weiteren Anstieg der Leitzinsen auf 6,5 Prozent bis März nächsten Jahres ein. Allan Monks, Ökonom bei der US-Großbank JP Morgan in London, hält es gar für möglich, dass die Zinsen auf sieben Prozent steigen könnten. Damit würde auch der politische Druck auf die Zinsmargen der Banken weiter zunehmen.
Aber auch die Anleger profitieren: So musste die britische Regierung am Donnerstag ihre zweijährigen Staatsanleihen zu einer Rendite von fast 5,7 Prozent anbieten – das ist der höchste Stand seit 16 Jahren.
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