San Francisco Salesforce-Gründer und CEO Marc Benioff geht in die Offensive: „Künstliche Intelligenz ist die Zukunft“, verkündete Benioff am Mittwoch auf der jährlichen Kundenkonferenz „Dreamforce“. Vor rund 40.000 Teilnehmenden in San Francisco kündigte der SAP-Rivale an, KI-Funktionen in alle Produkte des Unternehmens integrieren zu wollen.
Benioff braucht Erfolge. Denn zuletzt herrschte viel Unruhe bei Salesforce, dem größten privaten Arbeitgeber in San Francisco: Das Unternehmen hatte rund zehn Prozent der Belegschaft entlassen, zahlreiche Führungskräfte wie Co-CEO Brad Taylor verließen das Unternehmen, aktivistische Investoren stiegen ein. Nun soll Künstliche Intelligenz dabei helfen, die Konkurrenz abzuhängen.
Mit der Software von Salesforce verwalten Unternehmen ihre Kundenbeziehungen, vom Vertrieb über das Marketing bis zum Kundenservice. Der Konzern gilt als weltweiter Marktführer für den Bereich Customer Relationship Management (CRM). Zuletzt hatte die Firma zahlreiche Unternehmen aufgekauft. Der teuerste Zukauf war die Übernahme der Kommunikationsplattform Slack für 28 Milliarden Dollar.
Nun will Salesforce alle Bereiche zusammenführen und mittels Künstlicher Intelligenz ausbauen. „Die Chancen sind gewaltig“, sagte Salesforce KI-Chefin Clara Shih dem Handelsblatt. „Noch nie war es so einfach, dass ein Mitarbeiter sofort alle Informationen über einen Kunden zur Verfügung hat – egal wo dessen Daten im Unternehmen gespeichert sind.“
Slack wird um mehrere KI-Funktionen erweitert. „Es wird eine völlig neue Suche möglich“, sagte die neue Slack-Chefin Lidiane Jones. Informationen ließen sich auch in verschiedenen Konversationen mit Kollegen oder Kundinnen besser wiederfinden. Gleichzeitig ließen sich lange Dialoge zusammenfassen.
Einstein von der Salesforce-Tochter Slack
Ein virtueller Assistent mit dem Namen Einstein Copilot soll über alle Salesforce-Anwendungen hinweg Aufgaben übernehmen. Dazu zählt etwa das Zusammenfassen von Videos, das Schreiben von Entwürfen für E-Mails oder auch das Vorformulieren von Antworten auf Anfragen von Kunden.
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In den Wochen zuvor hatten bereits Microsoft und Google ähnliche Funktionen vorgestellt. Beide Tech-Konzerne sind mit ihren Kollaborations-Plattformen direkte Wettbewerber zu Slack. Das Wachstum bei Slack hatte sich zuletzt stark verlangsamt. „Unsere internen Daten zeigen, dass die Kunden Slack schätzen und wir ständig neue Kunden hinzugewinnen“, sagte Jones.
Unter dem Namen Einstein fasst Salesforce KI-Funktionen zusammen. Im März hatte der Konzern erstmals ein KI-Werkzeug namens Einstein GPT vorgestellt. Nun wird das Angebot ausgebaut. Hinter den Funktionen stehen unter anderem die Sprachmodelle des Unternehmens OpenAI. Dessen Gründer und CEO, Sam Altman, trat ebenfalls auf der Konferenz auf und lobte die Partnerschaft mit Salesforce. Zudem kündigte Shih an, Salesforce arbeite an mehreren, selbst entwickelten Sprachmodellen.
Benioff räumte ein, dass der Einsatz der Modelle noch nicht perfekt sei. „Die Modelle machen noch Fehler. Es ist noch unklar, ob sich das ändern wird“, sagte Benioff. Trotzdem sei schon jetzt absehbar, dass KI-Modelle künftig eine noch wichtigere Rolle spielen würden. Damit sei Salesforce besser aufgestellt als andere Firmen, die den Wandel durch Künstliche Intelligenz verpassten. Ohne SAP namentlich zu nennen, teilte er damit in Richtung des Rivalen aus Deutschland aus.
Salesforce will SAP mit Einstein-KI ausstechen
Während der vergangenen Wochen waren mehrere SAP-Vorstände in San Francisco. Denn auch der deutsche Softwarekonzern will das Geschäft mit der Künstlichen Intelligenz ausbauen. Allerdings nicht mit einem Produkt wie Einstein.
SAP will dagegen mit Offenheit gegenüber den Systemen der Konkurrenz überzeugen. SAP-Technikchef Jürgen Müller war zuletzt bei einer Konferenz der Cloud-Sparte von Google aufgetreten. Dort hatte er betont, wie eng die SAP-Plattform mit den KI-Lösungen von Google verknüpft sei. „Wir lassen unseren Kunden die Wahl, welches KI-Modell sie nutzen wollen. Wir sind mit allen kompatibel“, sagte Müller.
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SAP-CEO Christian Klein hatte zuvor im Interview mit dem Handelsblatt gesagt: „SAP muss nicht jedes Problem dieser Welt selbst lösen, sondern wir schließen da Partnerschaften, wo es sinnvoll ist.“ Klein hatte jedoch auch gesagt, sein Unternehmen forsche zudem an KI-Basismodellen.
Und auch bei der Datensicherheit sieht sich der deutsche Softwareriese im Vorteil. Vorstand Scott Russell sagte im Interview mit dem Handelsblatt vor wenigen Tagen: „Wir sind Experten für den sicheren Umgang mit Daten.“ Die SAP-Plattformen seien in der Lage, mit unterschiedlichen KI-Modellen kombiniert zu werden, etwa mit Google oder Databricks. Schon heute nutzen mehr als 20.000 SAP-Kunden KI-Funktionen.
Salesforce ist bei der Entwicklung schon weiter, sagt zumindest CEO Benioff. „Wir haben mehrere KI-Modelle von Salesforce in Vorbereitung.“ Dabei werde das Unternehmen nicht Partner wie OpenAI kopieren. „Wir sind es gewohnt, mit sensiblen Kundendaten umzugehen. Da liegt unsere Stärke“, sagte Benioff. Die Salesforce-Modelle seien daher auf diesen Bereich konzentriert.
Marktexperten beurteilen die KI-Ambitionen von Salesforce positiv. Benioff habe erst einen Appetithappen serviert, meint Analyst Brent Thill, der wirkliche Nutzen von KI bei Salesforce werde sich erst in den nächsten ein bis zwei Jahren zeigen.
Allerdings seien die vorgestellten Produkte von Salesforce bislang noch „unreif“ und seien vermutlich noch nicht unmittelbar für Kundenfirmen einsetzbar, schränkt Thill ein. Dennoch empfiehlt er die Aktie von Salesforce zum Kauf und gibt ein Kursziel von 275 Dollar je Papier aus, was einer Wertsteigerung von rund 24 Prozent entspricht.
Auch andere Analysten sind optimistisch: Benioff sei es gelungen, strategische Themen wie KI zu forcieren und gleichzeitig früher als angekündigt eine operative Marge von mehr als 30 Prozent zu erreichen, schrieb Analyst Keith Weiß von Morgan Stanley in einer Analyse der Quartalszahlen, die Salesforce vor zwei Wochen vorgelegt hat. Er taxiert das Kursziel für die Firma bei 278 Dollar je Aktie und damit ähnlich wie Analyst Thill.
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