Duisburg Nach dem die Verhandlungen zwischen Russland und der Ukraine über eine Waffenruhe erneut gescheitert sind, haben die Unterhändler der Länder weitere Gespräche auf diesen Dienstag vertagt. Bei der Unterbrechung bis Dienstag deal with sich um eine technische Pause für Gespräche in Arbeitsgruppen und eine „Klärung individueller Definitionen“, erläuterte der ukrainische Präsidentenberater Mychajlo Podoljak.
Die Ukraine fordert ein Ende des Krieges und einen Abzug der russischen Truppen. Moskau verlangt, dass Kiew die annektierte Schwarzmeer-Halbinsel Krim als russisches Territorium sowie die ostukrainischen Separatistengebiete als unabhängige Staaten anerkennt und die Ukraine ihre Neutralität erklärt.
Am Montagnachmittag drohte Russland damit, große Städte in der Ukraine einzunehmen und Angriffe auf die Bevölkerungszentren durchzuführen. „Zu Beginn der Operation hat der russische Präsident das Verteidigungsministerium angewiesen, von einem sofortigen Angriff auf die großen Bevölkerungszentren, einschließlich Kiews, abzusehen“, sagte Kremlsprecher Dmitri Peskow am Montag in Moskau der Agentur Interfax zufolge.
Das Verteidigungsministerium schließt nun „unter Wahrung der größtmöglichen Sicherheit für die Zivilbevölkerung die Möglichkeit nicht aus“, so der Kremlsprecher. Dabei setzt das Putin-Regime weiterhin auf die Propaganda, mit der Russland den Krieg schon begonnen hatte: Peskow erklärte, dass „nationalistische Formationen“ angeblich „militärisches Gerät“ in Wohngebieten platziert hätten. Das führe zu Opfern unter Zivilisten. Putin gibt die Invasion der Ukraine als „militärische Sonderoperation zur Friedenssicherung“ aus.
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Zudem das Ministerium Angriffe gegen mutmaßliche Aufenthaltsorte ausländischer Kämpfer in der Ukraine an. „Wir kennen alle Standorte ausländischer Söldner in der Ukraine. Gegen sie werden weiterhin gezielte Angriffe durchgeführt“, sagte Ministeriumssprecher Igor Konaschenkow am Montagabend einer Mitteilung zufolge.
Russlands Militär hatte Sonntag in der Westukraine, unweit der polnischen Grenze, den Truppenübungsplatz Jaworiw attackiert und dabei eigenen Angaben zufolge viele ausländische Kämpfer getötet. Kiew widersprach dieser Darstellung später und sprach von „purer russischer Propaganda“. Nach ukrainischen Angaben gab es bei dem Angriff nordwestlich von Lwiw (Lemberg) mindestens 35 Tote sowie 134 Verletzte. Die Angaben der Kriegsparteien ließen sich nicht unabhängig überprüfen.
Kämpfe bei Kiew und um Atomkraftwerke
Nach ukrainischen Angaben wurde am Montag das Gelände der für ihre Frachtmaschinen bekannten Antonov-Flugzeugwerke in Kiew beschossen. „Die Besatzer haben das Antonow-Werk beschossen“, teilte die Stadtverwaltung im Nachrichtenkanal Telegram mit. Rettungskräfte seien vor Ort. Zunächst warfare unklar, ob es Verletzte und Tote gab. Das Portal „strana.information“ veröffentlichte Fotos und Movies, die eine riesige Rauchwolke über der Fabrik zeigen sollen. Einzelheiten lagen zunächst nicht vor.
Das russische Militär macht nach Einschätzung der US-Regierung nur langsam Fortschritte beim Vorstoß auf die ukrainische Hauptstadt Kiew. Stellenweise seien die Soldaten weiter rund 15 Kilometer vom Stadtzentrum entfernt, sagte ein hoher US-Verteidigungsbeamter am Montag.
Moskau bestätigte am Abend, Russlands Militär habe im Antonow-Werk „ein großes Munitionslager für Mehrfachraketensysteme“ zerstört. Das Unternehmen baut nach eigenen Angaben sowohl Fracht- als auch Passagierflugzeuge. Das Werk liegt im Nordwesten Kiews. Heftige Gefechte soll es nördlich und östlich von Kiew geben. Die Angaben beider Seiten lassen sich nicht von unabhängiger Seite überprüfen.
Das ehemalige Atomkraftwerk Tschernobyl ist nach Angaben des ukrainischen Betreibers Ukrenerho erneut ohne Strom. Die Leitung, die das Werk sowie die nahe gelegene Stadt Slawutytsch nördlich von Kiew versorge, sei von den russischen Kräften beschädigt worden, teilte Ukrenerho mit. Von russischer Seite gab es zunächst keine Stellungnahme.
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Russische Truppen sollen ukrainischen Angaben zufolge Teile eines Munitionslagers unweit des besetzten Atomkraftwerks Saporischschja gesprengt haben. Die Explosion habe sich bei der Ruine eines Militär-Ausbildungsplatzes ereignet, teilte der ukrainische Atomkraftbetreiber Enerhoatom am Montag auf Telegram mit. Die Angaben ließen sich nicht unabhängig überprüfen. Das Private im Kraftwerk habe zwischenzeitlich seine Arbeit niedergelegt, hieß es von Enerhoatom. Ob die Strahlenbelastung sich durch den Vorfall verändert habe, sei bislang nicht bekannt.
Bei dem von russischen Truppen besetzten Atomkraftwerk Saporischschja im Süden der Ukraine herrschte zuletzt Unklarheit darüber, wer für Betrieb und Sicherheit verantwortlich ist. Enerhoatom meldete der Internationalen Atomenergiebehörde IAEA, das Atomkraftwerk stehe „unter der Kontrolle des Befehlshabers der russischen Streitkräfte“. Der russische Staatskonzern Rosatom dementierte dagegen im Austausch mit der IAEA, die operationelle Kontrolle übernommen zu haben.
Streit um Raketeneinschlag in Donezk
In der ostukrainischen Großstadt Donezk sind nach Angaben aus Moskau und der prorussischen Separatisten mindestens 20 Menschen bei einem ukrainischen Raketenangriff getötet worden. Das russische Verteidigungsministerium teilte am Montag mit, 28 weitere Zivilisten seien schwer verletzt worden. Unter den Opfern seien Kinder. Von den Separatisten hieß es, die Rakete vom Typ Totschka-U (Nato-Code: SS-21 Scarab) sei über Donezk abgefangen worden, Teile seien aber dennoch im Stadtzentrum niedergegangen.
Ein Feuerwehrmann betrachtet ein Fragment einer ukrainischen Totschka-U-Rakete auf einer Straße in Donezk im Osten der Ukraine.
(Foto: AP)
Kiew wies die Vorwürfe am Abend zurück. Es sei „eindeutig eine russische Rakete oder eine andere Artwork von Munition“ gewesen, sagte Leonid Matjuchin, ein Vertreter des ukrainischen Verteidigungsministeriums, der Agentur Interfax-Ukraine zufolge. Die Angaben beider Seiten konnten nicht unabhängig überprüft werden.
Sowohl das russische Ministerium als auch Separatistenführer Denis Puschilin beschuldigten die Ukraine, es habe sich um einen Angriff mit einer verbotenen Streubombe gehandelt, die noch in der Luft über dem Ziel eine Vielzahl kleiner Sprengkörper freisetzt. Das sei ein Kriegsverbrechen, sagte Puschilin, der Chef der selbst ernannten „Volksrepublik Donezk“.
In Moskau warf Ministeriumssprecher Igor Konaschenkow den ukrainischen Kräften vor, sie hätten möglichst viele Zivilisten töten wollen. „Dies zeigt einmal mehr die nazistische und antimenschliche Einstellung des regierenden Regimes in der Ukraine“, sagte Konaschenkow. Bereits vor einigen Tagen hatte die Nato ihrerseits Russland vorgeworfen, im Krieg auch Streumunition einzusetzen.
Russland beschuldigt die Ukraine immer wieder, absichtlich Zivilisten und Wohngebiete im Donbass anzugreifen. Moskau behauptet, in Kiew hätten „Nazis“ die Kontrolle, die einen „Genozid“ an der russischen Minderheit in der Ostukraine verübten. Dafür gibt es keine Belege.
Große Evakuierungen in Mariupol gescheitert
Geplante Evakuierungen von Zivilisten aus der belagerten Hafenstadt Mariupol sind ukrainischen Angaben zufolge auch am 19. Kriegstag weitgehend gescheitert. Zwar hätte eine Kolonne von Privatautos Mariupol am Montag in Richtung der mehr als 70 Kilometer westlich gelegenen Stadt Berdjansk verlassen können, sagte Vizeregierungschefin Iryna Wereschtschuk der Agentur Unian zufolge am Abend. „Aber unsere humanitäre Fracht ist weiter nicht in Mariupol angekommen, sie ist noch in Berdjansk.“ Die Scenario in Mariupol sei katastrophal, betonte Wereschtschuk: „Die Menschen kämpfen um Essen und Wasser, dort spielt sich ein Alptraum ab.“
Wereschtschuk widersprach ausdrücklich Angaben des russischen Verteidigungsministeriums, wonach eine Massenevakuierung von Zivilisten eingeleitet worden sei. Der russische Generalmajor Michail Misinzew hatte zudem gesagt, ein erster Hilfskonvoi habe erfolgreich 450 Tonnen Medikamente, Lebensmittel und Babynahrung geliefert.
Im Tagesverlauf warfare ukrainischen Angaben zufolge ersten Zivilisten die Flucht aus der Großstadt am Asowschen Meer auf eigene Faust gelungen: Mehr als 160 Privatautos hätten Mariupol in Richtung Berdjansk verlassen können, hieß es am frühen Nachmittag. Der Konvoi mit Hilfsgütern kam hingegen nicht durch – ebenso wie Busse, die größere Zahlen an Zivilisten hätten aus der Stadt fahren sollen.
Eine Frau geht an einem brennenden Wohnhaus vorbei, nachdem es in Mariupol beschossen wurde.
(Foto: AP)
Bereits in den vergangenen Tagen hatte der Konvoi aufgrund andauernder Kämpfe mehrfach erfolglos in Richtung Berdjansk umkehren müssen. Auch Evakuierungsversuche scheiterten trotz vereinbarter Feuerpausen und Fluchtkorridore immer wieder. Russland und die Ukraine gaben sich dafür gegenseitig die Schuld. Die Menschen in Mariupol harren seit Tagen ohne Strom, Heizung und Wasser aus. Medikamente und Lebensmittel werden Beobachtern zufolge knapp.
Für Montag waren ukrainischen Angaben zufolge landesweit zehn Fluchtkorridore aus besonders umkämpften Städten und Dörfern geplant. Allerdings seien auch in den Regionen Kiew, Sumy und Charkiw geplante Evakuierungen nicht zustande gekommen, sagte Wereschtschuk.
Scholz und Erdogan fordern Waffenstillstand
Am Montag haben sich der Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) und der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan über den Ukraine-Krieg ausgetauscht. Gemeinsam forderten sie einen Waffenstillstand im russischen Krieg in der Ukraine. „Wir sind uns völlig einig, dass es so schnell wie möglich einen Waffenstillstand geben muss“, sagte Scholz am Montag bei seinem Antrittsbesuch in der Türkei.
Es müsse zudem sofort sichere Korridore für Zivilisten geben. Erdogan betonte: „Wir werden die Bemühungen um einen dauerhaften Waffenstillstand unentwegt fortsetzen.“ Man sei sich einig darüber, dass die diplomatischen Bemühungen fortgesetzt werden müssten.
Nach UN-Angaben haben bisher insgesamt rund 2,7 Millionen Menschen aus der Ukraine Zuflucht im Ausland gesucht. 1,77 Millionen Menschen haben sich bisher in Polen in Sicherheit gebracht. Das teilte der Grenzschutz beim Kurznachrichtendienst Twitter mit. Auch die Zahl der Kriegsflüchtlinge in Deutschland nimmt weiter zu: 146.998 Menschen seien registriert worden, teilte das Bundesinnenministerium mit.
USA bringen vollständiges Handelsembargo ins Gespräch
Um den Krieg in der Ukraine zu stoppen, haben die USA am Montagabend einen vollständigen Handelsembargo gegen Russland ins Gespräch gebracht. Die US-Regierung könnte Russland damit belegen, sagte der stellvertretende US-Finanzminister Wally Adeyemo dem Sender CNBC. Außerdem könnten die USA Russlands Zugang zu internationalen Gewässern blockieren.
Die EU-Mitgliedstaaten einigten sich derweil auf ein viertes Sanktionspaket gegen Russland. Particulars wurden am Montagabend zunächst nicht genannt.
So berichtet das Handelsblatt über den Ukrainekrieg:
Diplomaten zufolge gehören zu den Sanktionen ein Importverbot für Stahl und Eisen, ein Verbot von Investitionen in Ölunternehmen und den Energiesektor sowie ein Exportverbot für Luxusgüter, darunter Autos im Wert von mehr als 50.000 Euro. Das Büro der französischen EU-Ratspräsidentschaft erklärt, der Handelsstatus von Russland als „meistbegünstigte Nation“ werde widerrufen.
Derweil schätzt der Internationale Währungsfonds (IWF), dass die ukrainische Wirtschaft wegen des russischen Einmarsches in diesem Jahr um zehn Prozent schrumpfen könnten. Das geht aus einem Bericht des Fonds hervor, der vor der IWF-Finanzzusage von 1,4 Milliarden Greenback vorbereitet wurde.
Basierend auf Daten von anderen Ländern im Kriegszustand könnte das Bruttoinlandsprodukt (BIP) der Ukraine sogar um 25 bis 35 Prozent einbrechen. Die Ukraine habe eine Außenfinanzierungslücke von 4,8 Milliarden Greenback, der Finanzbedarf des Landes dürfte zunehmen. Die Staatsverschuldung dürfte in diesem Jahr auf 60 Prozent des BIP von 50 Prozent 2021 steigen.
Mit Agenturmaterial
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