San Francisco Der US-amerikanische Chipkonzern Intel hat den größten Quartalsverlust in der Geschichte des Unternehmens verzeichnet. In den ersten drei Monaten diesen Jahres machte das Unternehmen ein Minus von 2,8 Milliarden Dollar, wie der Konzern am Donnerstag mitteilte. Im gleichen Zeitraum brach der Umsatz um 36 Prozent auf 11,7 Milliarden Dollar ein.
CEO Pat Gelsinker versuchte sich in Schadenbegrenzung. Unter seiner Führung würden die Ausgaben im Unternehmen stark reduziert, versprach er. „Wir sind auf dem besten Weg zu unserem Ziel, die Kosten bis 2023 um drei Milliarden Dollar zu senken und ab 2025 jährliche Einsparungen in Höhe von acht bis zehn Milliarden Dollar zu erzielen“, sagte er.
Unter anderem das für Intel wichtige Geschäft mit Computern implodierte. Der Absatz der PC-Hersteller generell ging im Jahresvergleich um 29 Prozent zurück, wie der Marktforscher IDC errechnete. Intels PC-Sparte bezeichnete allerdings sogar einen Umsatzrückgang um 38 Prozent auf 5,8 Milliarden Dollar. Insgesamt hatten Analysten jedoch mit noch schlimmeren Daten gerechnet. Umsatz und Verlust fielen nicht ganz so dramatisch aus wie befürchtet. Die Aktie von Intel legte nachbörslich um mehr als fünf Prozent zu.
Intel als Architekt des Silicon Valley
Intel war über Jahrzehnte ein US-amerikanisches Vorzeigeunternehmen. Dessen Gründer Gordon Moore und Robert Noyce avancierten zu den Pionieren an der US-Westküste. Ihr Erfolg legte den Grundstein für das Entstehen des Silicon Valley. Moore formulierte das berühmte Moore’sche Gesetz, das ein schnelles Wachstum in der Leistungsfähigkeit von Chips voraussagte, bei gleichzeitig fallenden Preisen.
Moore und Noyce antizipierten früh das Aufkommen von Mikroprozessoren für Computer. Ihre Chips machten die heutige IT-Industrie erst möglich. Der Slogan „Intel Inside“ wurde zu einem Synonym für leistungsfähige Computerchips.
Der Chiphersteller gerät zunehmend in Bedrängnis.
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Intel hielt im Gegensatz zu vielen Konkurrenten daran fest, Chips nicht nur zu entwickeln, sondern auch selbst zu produzieren. Das Unternehmen investierte Milliardensummen in den Aufbau von Chip-Fabriken in den USA, sowie Asien und Europa. Der Auftragsfertiger TSMC aus Taiwan machte Intel jedoch zunehmend Konkurrenz.
Vor einigen Jahren begann TSMC in den Produktionsfähigkeiten deutlich an Intel vorbeizuziehen. Heute fertig TSMC die leistungsfähigsten Chips der Welt, während Intel die Einführung verbesserter Produktionsmechanismen mehrfach verschieben musste.
Das iPhone-Fiasko
Zudem rächt sich für Intel eine dramatische Fehlentscheidung. Die Firma hatte es abgelehnt, Chips für das iPhone zu produzieren. Intel hatte sich zur Einführung der ersten Geräte im Jahr 2007 nicht auf die Anforderungen von Apple einlassen wollen. Apple-Gründer Steve Jobs hatte daher zunächst auf Samsung und später auf TSMC als Partner gesetzt. TSMC ist heute der Hersteller der leistungsfähigen Chips, die Apple in seinen Geräten verbaut. Intel ging ein Milliardengeschäft verloren.
Apple geht bereits den nächsten Schritt. Anfangs optimierte das Unternehmen seine Chips für den Einsatz in Mobilgeräten wie Smartphones oder Tablets. Heute sind die Halbleiter so leistungsfähig, dass Apple sie auch in Computern verbaut. Bislang sind diese Chips den Apple-eigenen Macs vorbehalten. Industrieexperten spekulieren nun darüber, ob Apple die Chips künftig auch für PCs anbieten könnte. Damit könnte Intel in seinem wichtigsten Markt attackiert werden.
US-Regierung sieht Chip-Fertigung als Schlüsselindustrie
Der Erfolg von Chip-Unternehmen hängt aber nicht länger nur von der Qualität ihrer Produkte auf dem Markt ab. Sowohl China als auch die USA haben die Chip-Fertigung als Schlüsselindustrie definiert. Leistungsfähige Computerchips sind unter anderem für die Waffenindustrie wichtig. Intel hatte seit der Firmengründung eng mit dem US-Verteidigungsministerium zusammengearbeitet.
Der US-Präsident hat ein 53 Milliarden Dollar umfassenden Programm aufgelegt, um Chip-Fertigung in den USA auf- und auszubauen.
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Die US-Regierung um Joe Biden hat ein milliardenschweres Subventionsprogramm aufgelegt. Das 53 Milliarden Dollar umfassende Programm unterstützt Firmen, um Chip-Fertigung in den USA auf- und auszubauen. Intel will davon profitieren. Aber auch TSMC hatte angekündigt, eine 40 Milliarden Dollar teure Fertigung im US-Bundesstaat Arizona aufzubauen.
Biden besuchte im Dezember die Baustelle von TSMC in Phoenix in Arizona. „Die amerikanische Produktion ist zurück“, sagte Biden. Apple-Chef Tim Cook kündigte an, sein Unternehmen werde künftig Chips aus Arizona verbauen. „Dank der harten Arbeit so vieler Menschen können diese Chips mit Stolz den Stempel ‘Made in America’ tragen“, sagte Cook. „Das ist ein unglaublich bedeutender Moment“.
„Apple musste all die fortschrittlichen Chips aus dem Ausland beziehen, jetzt werden sie einen größeren Teil ihrer Lieferkette ins Land holen“, sagte Biden. „Das könnte ein Wendepunkt sein.“
Magdeburg steht für neue Intel-Strategie
Subventionen der US-Regierung könnten nicht reichen, um Intel ökonomisch zu retten. CEO Gelsinger will den Fokus der Firma grundsätzlich verändern, um Intel wieder profitabel zu machen. Zu seiner Strategie zählt unter anderen, Intel zu einem Auftragsfertiger zu machen. Der Chipkonzern soll also nicht nur selbst entwickelte Chips fertigen, sondern auch als Auftragnehmer Halbleiter für andere Unternehmen produzieren. Bei der Fertigung werde Intel künftig keinen Unterschied zwischen internen und externen Aufträgen machen, kündigte Gelsinger an: „Wir werden dazu beitragen, Gleichheit zwischen internen und externen Kunden herzustellen.“
Dazu will der CEO Milliardensummen in die Modernisierung bestehender Fabriken sowie den Aufbau neuer Fertigungen stellen. Unter anderem Deutschland soll davon profitieren, mit einer neuen Chipfertigung bei Magdeburg.
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Es ist aber unklar, ob sich andere Chip-Konzerne auf Intel als Fertiger einlassen werden, denn viele von ihnen sind direkte Wettbewerber von Intel. Um solche Konflikte zu vermeiden, hatte TSMC stets versprochen, nur im Auftrag zu fertigen und keine Chips selbst zu entwickeln.
Ähnlich wie die USA will auch Europa und Deutschland den Ausbau der Chipherstellung mit Subventionen unterstützen. Derzeit gibt es aber noch Streit, wie viel Geld für die Fertigung in Magdeburg von Intel gezahlt wird und wie viel über Subventionen fließt. Das Werk soll 17 Milliarden Euro kosten. Intel teilte mit: „Voraussetzung für das Bauprojekt ist die Genehmigung von Zuschüssen der EU-Kommission und der deutschen Behörden.“
Eine Delegation aus Sachsen-Anhalt reiste vergangene Woche ins Silicon Valley, um unter anderen bei Intel für das Werk in Magdeburg zu werben. Gelsinger begrüßte Wirtschaftsminister Sven Schulze (CDU) mit einem „High-Five”-Handschlag. Schulze sagte anschließend: „Wir als Land im Schulterschluss mit den Kommunen werden weiterhin alle für den Erfolg des Projekts erforderlichen Aufgaben erledigen.“
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