Überraschend positive Zahlen für die Windkraft in Europa.
(Foto: dpa)
Düsseldorf Die Windkraft ist im vergangenen Jahr entgegen den Branchenerwartungen deutlich gewachsen. 15 Gigawatt an zusätzlichen Kapazitäten wurden im Jahr 2022 in der Europäischen Union installiert. Das ist ein Drittel mehr als noch 2021 – trotz Energiekrise und Inflation. 90 Prozent der Windräder wurden dabei an Land installiert. Die Zahlen des europäischen Branchenverbands Wind Europe liegen dem Handelsblatt vor.
„Das sind keine schlechten Zahlen, vor allem vor dem Hintergrund der aktuellen Herausforderungen in der Windbranche“, sagte Wind-Europe-Chef Giles Dickson dem Handelsblatt. Die Nachfrage nach Windrädern ist weltweit so hoch wie nie, viele Länder haben ihre Klimaziele höher gesetzt und damit auch den geplanten Ausbau erneuerbarer Energien.
Doch stark steigende Rohstoffpreise und Chaos in den globalen Lieferketten mit teils monatelangen Verzögerungen belasten die Windindustrie. Vor allem die Turbinenhersteller schreiben schon länger rote Zahlen, streichen Tausende von Stellen und schließen Werke.
Windenergie: Verbesserte Situation bei Genehmigungsverfahren
Dass nun zumindest in den 27 EU-Staaten trotzdem deutlich mehr Windräder aufgestellt wurden, liegt vor allem an den in vielen Ländern inzwischen beschleunigten bürokratischen Prozessen. Die oft jahrelangen Genehmigungsverfahren hatten den Ausbau der Windkraft seit jeher gebremst.
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Dabei hatte die EU mit der Erneuerbaren-Richtlinie RED II (Renewable Energy Directive) eigentlich schon 2018 klar vorgeschrieben, dass die Genehmigungen für Anlagen nach spätestens zwei Jahren vorliegen müssen.
Die Realität ist in vielen Ländern bis heute jedoch eine andere, Beispiel Deutschland: Genehmigungsverfahren für einen Windpark dauern hier in der Regel vier bis fünf Jahre. Bei der in Zukunft so wichtigen Offshore-Windkraft auf See sogar oft noch länger.
Doch Wind-Europe-Chef Dickson lobt auch, dass sich in der Zwischenzeit einiges verbessert habe. In Deutschland seien erste Ergebnisse der unter Wirtschaftsminister Robert Habeck eingebrachten Gesetzesänderungen für den Ausbau erneuerbarer Energien zu erkennen.
„Wir sehen, dass neue Genehmigungen im vergangenen Jahr stark zugenommen haben“, so der Verbandschef. Aber die Zulassungen seien weiterhin das größte Hindernis beim Ausbau der Windkraft. In Europa befinden sich laut Wind Europe aktuell Windkraftanlagen mit einer Kapazität von insgesamt 80 Gigawatt in Genehmigungsverfahren und können bis zur Bewilligung nicht gebaut werden.
Durch die Bürokratieverzögerungen sei der Ausbau der Windkraft in den vergangenen Jahren deutlich hinter den Planungen zurückgeblieben. „Und auch 2022 war es wesentlich weniger, als wir bräuchten, um die Ziele für 2030 zu erreichen“, sagt Dickson. Dafür müsste die Europäische Union jedes Jahr mehr als doppelt so viele neue Windkraftanlagen bauen. Vor allem auf dem Meer.
Das hält Dickson allerdings auch 2023 für kaum umsetzbar.
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