Düsseldorf Haniel-Chef Thomas Schmidt wird das Duisburger Familienunternehmen verlassen. Der Aufsichtsrat und der seit Mitte 2019 amtierende Manager hätten sich im „gegenseitigem Einvernehmen“ entschieden, den bis Sommer 2024 laufenden Vertrag nicht zu verlängern. Das teilte das fast 270 Jahre alte Unternehmen am Freitag mit.
Der erst seit Mai amtierende Aufsichtsratschef aus der Haniel-Familie, Maximilian Schwaiger, erklärte zwar, Schmidt habe es „geschafft, unser Unternehmen in den Grundfesten neu aufzustellen“. Es habe aber „unterschiedliche Auffassungen über die Umsetzung der Strategie“ für die Zukunft gegeben. Ein neuer Vorstandschef solle nun in einem „strukturierten Prozess“ gefunden werden.
Der 51-jährige Schmidt war 2019 auf Stephan Gemkow gefolgt, der das Unternehmen seit 2012 vor allem finanziell wieder auf eine solide Basis gestellt hatte. Gesucht wurde als Nachfolger jemand, der eine Zukunftsvision für das 1756 als Kohlehandlung gegründete Familienunternehmen entwickelt. Das sollte Schmidt tun.
Er setzte vor allem auf die Themen Klimaschutz, Gesundheit und Robotik. Doch eine klare Strategie zeigt das Portfolio bis jetzt nicht. Zu Haniel gehören so unterschiedliche Firmen wie der Hygienespezialist CWS, der Matratzenhändler Emma, der Sicherheitsdienstleister Bauwatch oder Optimar, ein Anbieter von Fischverarbeitungssystemen, der inzwischen nur noch als Finanzbeteiligung geführt wird.
Hinzu kommen Investments in das Start-up 1Komma5 Grad, das die Umstellung auf CO2-neutrale Energiesysteme in Privathaushalten vorantreibt, und in nachhaltige Fonds. Zusätzlich ist Haniel am börsennotierten Büroartikelversender Takkt sowie am Elektronikhändler Ceconomy beteiligt. Insgesamt erwirtschaftete Haniel 2022 einen Umsatz von 4,2 Milliarden Euro und einen Nettoverlust von 133 Millionen Euro.
Aus Unternehmenskreisen verlautet, dass es richtig sei, die gefallene Entscheidung sofort umzusetzen. Doch der Zeitpunkt ist heikel. Nach rund 20 Jahren verlässt auch der langjährige Finanzchef Florian Funck das Unternehmen. Er wechselt zum April 2024 als Finanzchef zum Laborausrüster Sartorius. Sein Nachfolger Henk Derksen wurde erst vor zwei Wochen bekanntgegeben.
Aufsichtsratschef Schwaiger, der sich in den vergangenen viereinhalb Monaten ein Bild über die Portfoliofirmen verschafft hat, wird den vakanten Posten als Vorstandschef nicht selbst füllen. Bereits seit mehr als 100 Jahren wird das Unternehmen gemäß der Satzung von familienfremden Managern operativ geführt.
Derksen, der laut einem Vertrauten als „krisenfester Finanzvorstand“ gehandelt wird, startet bei Haniel erst am 1. Oktober. Er solle „interimistisch die geschäftsführenden Aufgaben“ mit übernehmen, heißt es bei Haniel. Unterstützen soll der scheidende Finanzvorstand Funck. Der Übergang würde dadurch erleichtert, dass Derksen und Schmidt gut zueinander passten, heißt es aus Unternehmenskreisen.
Thomas Schmidt, der vorher bei General Electric und dem Elektronikhersteller TE Connectivity tätig war, hatte bei Haniel zunächst den Hygienespezialisten CWS komplett neu aufgestellt. So empfahl er sich für den Vorstandsvorsitz beim Mutterkonzern.
Schmidt soll „Unruhe und Unzufriedenheit“ ausgestrahlt haben
Haniel hatte Schmidt als Changemanager angeheuert. Tatsächlich habe er die „verkrusteten Strukturen“ im Konzern gründlich angepackt, heißt es aus Unternehmenskreisen. Ein langjähriger Begleiter urteilt, er sei der „Kulturwandel in Person“ gewesen, habe Hierarchien abgebaut, Transparenz, Zukunftsorientierung und Fehlerkultur in das Unternehmen gebracht. Die Holding wurde deutlich verkleinert und gestrafft.
Auch die Diversität in der Führungsriege bei Haniel hat unter seiner Führung stark zugenommen. Der Haniel-Chef konnte im Frühjahr verkünden, dass inzwischen 50 Prozent der Führungskräfte weiblich sind. Von solchen Werten sind nicht nur viele Familienunternehmen weit entfernt.
Dem Manager sei aber nicht gelungen, Ruhe und Stabilität in die von ihm neu etablierte Organisation zu bringen, sagen Insider. Schmidt habe Unruhe und auch Unzufriedenheit mit den Fortschritten ausgestrahlt: „Top-Leute, die er selbst gewonnen hat, verließen das Unternehmen wieder“, sagt der langjährige Begleiter. Ein weiterer Konzernkenner erklärt: „Jetzt muss mal Stabilität einkehren, mehr als drei Jahre Change hält keine Organisation aus.“
Erst vor einer Woche hatte Schmidt noch bei einer Veranstaltung erklärt, er wolle bei Haniel die „Transformation beschleunigen“. Nun kann er den von der Gesellschafterfamilie geforderten Umbruch nicht mehr selbst vorantreiben.
Nachfolger soll „Vision der Enkelfähigkeit“ umsetzen
Haniel versteht sich als sogenanntes Family-Equity-Unternehmen, investiert also als Familieninvestor langfristig in Firmen. Dabei nutzt der Konzern seit Jahren gern den Begriff „enkelfähig“. Das sei das bessere Wort für Nachhaltigkeit, nämlich gepaart mit finanziellem Erfolg, erklärte Schmidt bei dem passend betitelten „Enkelfähig Summit“ auf dem Firmencampus in Duisburg.
Er wolle beweisen, dass Nachhaltigkeit und Geldverdienen zusammen funktionieren. „Ohne skalieren kein Impact“, sagte er auf der Bühne. Bei der Bekanntgabe der Jahreszahlen 2022 Ende März hatte Schmidt verkündet: „Wir wollen zeigen, dass nachhaltige Geschäftsmodelle nicht nur profitabel sind, sondern langfristig sogar besser abschneiden als nicht-nachhaltige Geschäftsmodelle.“ Diesen Beweis muss nun sein Nachfolger antreten.
„Enkelfähigkeit“ als Maxime.
(Foto: Haniel)
Der Auftrag an sie oder ihn lautet, die Vision der „Enkelfähigkeit“ fortzusetzen mit einem fokussierten Portfolio. Es sei viel Potenzial in den Tochterfirmen und Beteiligungen, aber es fehle an der Umsetzung der Strategie, heißt es in Unternehmenskreisen.
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