Berlin, Brüssel, Washington Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck will die Chinageschäfte deutscher Unternehmen strenger überwachen. Der Grünen-Politiker sprach sich am Mittwoch überraschend dafür aus, eine staatliche Kontrolle bestimmter Auslandsinvestitionen einzuführen. Die US-Regierung arbeitet bereits an einem solchen „Outbound Investment Screening“. Habeck sprach bei einer Konferenz der Außenhandelskammern davon, dass es in Europa bisher kein Outbound Screening gebe, und schloss an: „Ich glaube, das sollten wir tun.“
Der Vizekanzler erklärte, mit dem neuen Instrument müsse überprüft werden, ob Wissen eines Unternehmens „abfließt“ und es „die Technik“ dann „nur noch in China entwickeln lässt“. Chinaexperten weisen schon länger auf die Gefahr hin, dass europäisches Know-how zur Stärkung der chinesischen Rüstungsindustrie beiträgt. Insbesondere im Hightech-Sektor treibt Chinas Staatsführung die Verschmelzung von Militär und Wirtschaft voran.
Da eine Kontrolle von Investitionen im Ausland eine starke Einmischung des Staates bedeuten würde, erwartet Habeck „interessante Gespräche“. Die Unternehmen würden dann sicher nicht sagen: „Ach so, ist ja super, dass du mir das sagst, dann geh ich halt nach Indien. Die werden sagen, das gibt’s doch wohl nicht.“
Eine ausländische Investitionskontrolle würde sich vor allem gegen China richten. Habeck ist zwar bekannt für seine kritische Haltung gegenüber China. Doch der Wirtschaftsminister hatte sich in den vergangenen Monaten stets skeptisch gegenüber einer Kopie des amerikanischen Vorgehens gezeigt.
Habeck selbst soll dem Instrument zwar seit geraumer Zeit offen gegenüberstehen, doch bislang ließ er sich von der Arbeitsebene des Wirtschaftsministeriums leiten. Und die bremst. Dort hält man eine ausländische Investitionskontrolle nicht für notwendig.
Die bestehende Exportkontrolle in Deutschland vermeide bereits weitgehend den Abfluss von Wissen, so die Begründung aus Ministeriumskreisen. Außerdem sei Europa in einer anderen Lage als die USA, weil das Volumen der Investitionen aus der EU viel geringer sei und die Investitionen der chinesischen Wirtschaft kaum helfen würden.
Unstimmigkeiten im Wirtschaftsministerium
Habecks Vorstoß, das Instrument trotzdem zu fordern, ist offensichtlich nicht einmal ansatzweise innerhalb seines Hauses abgestimmt. Der zuständige Abteilungsleiter für Außenwirtschaft, Dominik Schnichels, sprach bei der gleichen Veranstaltung am Mittwoch von Bedenken gegenüber einer ausländischen Investitionskontrolle, obwohl er bislang selbst das Thema im Haus vorangetrieben haben soll.
In Brüssel sind die Planungen schon weiter. EU-Kommissionschefin Ursula von der Leyen hatte die Debatte um neue Investitionskontrollen Ende März in einer vielbeachteten Chinarede angestoßen. Die Europäische Union müsse verhindern, dass Kapital und Expertise europäischer Unternehmen dazu beitragen, „die militärischen und nachrichtendienstlichen Fähigkeiten derjenigen zu verbessern, die auch Systemkonkurrenten sind“, hatte von der Leyen gesagt.
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„Deshalb denken wir derzeit darüber nach, ob und wie Europa ein gezieltes Instrument für Auslandsinvestitionen entwickeln sollte“, so von der Leyen weiter. Die Kontrollen sollten nur für „eine kleine Anzahl sensibler Technologien“ gelten, betonte sie.
Bislang gibt es in der EU nur eine Investitionskontrolle, wenn ein chinesisches Unternehmen einen europäischen Chiphersteller übernehmen möchte.
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Einen Gesetzesvorschlag hat die Kommission noch nicht erarbeitet, sie will zunächst die Stimmung unter den Mitgliedstaaten ausloten. Aus Sicht der Behörde klafft im bisherigen Regelwerk eine Lücke, da es zwar Ausfuhrbeschränkungen für sensible Güter vorsieht, den Transfer von Technologie und Know-how, der mit Auslandsinvestitionen verbunden ist, aber außer Acht lässt. Lediglich eine nach innen gerichtete Investitionskontrolle gibt es bisher. Sie greift etwa dann, wenn ein chinesisches Unternehmen einen europäischen Chiphersteller übernehmen möchte.
In der Bundesregierung ist das Outbound Investment Screening umstritten, da es mit dem Freihandelsgedanken schwer zu vereinbaren ist, der die Außenwirtschaftspolitik der Bundesrepublik geprägt hat. Gerade das Bundesfinanzministerium ist skeptisch. Das Bundeskanzleramt hat sich bisher nicht positioniert.
Kanzler Olaf Scholz stellte sich zwar in einer Rede im EU-Parlament in Straßburg am Dienstag hinter das Kommissionskonzept der Risikominderung („De-Risking“) vis-à-vis China, zu dem von der Leyen die Auslandsinvestitionskontrollen zählt. Doch Scholz schränkte ein, dass es sich um ein „kluges“ De-Risking handeln müsse. Was er darunter versteht, erläuterte er nicht.
USA wollen die EU als Verbündeten gegen China
In den USA dürfte der Vorstoß auf Zustimmung stoßen. Die Regierung von US-Präsident Joe Biden will zeitnah ein Gesetz zur Überprüfung von Auslandsinvestitionen nach China vorlegen. Bereits in den kommenden Tagen könnte das Weiße Haus eine sogenannte Executive Order vorlegen, die einen Screening-Mechanismus für Auslandsinvestitionen einführt.
Die USA werben seit Monaten bei weiteren Ländern für eine Prüfung von Auslandsinvestitionen nach China.
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Seit Monaten wirbt die US-Regierung dafür, dass sich andere Länder den USA anschließen. „Es ist wahrscheinlich, dass Biden seine Pläne für einen Investitionsprüfungsmechanismus auf dem G7-Gipfel aufgreift und versuchen wird, Partner mit ins Boot zu holen“, sagte die Handelsexpertin Inu Manak von der Denkfabrik Council on Foreign Relations dem Handelsblatt.
„Für ein effizientes Vorgehen gegenüber China braucht Biden auf jeden Fall Unterstützung, insbesondere von Japan und auch von der EU. Das ist ihm sehr, sehr wichtig.“ Am 19. Mai treffen sich die Industrienationen der G7 in Hiroshima.
Neben den USA treibt insbesondere Japan das Thema voran. Das Land hat derzeit die G7-Präsidentschaft inne. Aus Kreisen des Bundeswirtschaftsministeriums heißt es, auch deshalb mache Habeck nun Druck, was die deutsche Position betrifft.
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Ursprünglich wollten die USA den Fluss von Kapital und geistigem Eigentum nach China in zahlreichen Hightech-Branchen einschränken: von Chips bis hin zu Künstlicher Intelligenz, Batterietechnologie, Biotechnologie, Luft- und Raumfahrt, Verteidigung, Fintech und Pharmazeutika. Doch inzwischen soll das Weiße Haus zu einem „sehr eng begrenzten“ Pilotprogram tendieren, das sich auf Halbleiter, Künstliche Intelligenz und Quantentechnologie konzentriert, heißt es in Washington.
Betroffen seien Branchen, die einen „zentralen Bezug zur nationalen Sicherheit haben“, sagte Bidens Nationaler Sicherheitsberater Jake Sullivan kürzlich. Die US-Regierung plane keine „komplette Technologieblockade, sondern eng begrenzte Maßnahmen“. Der Kongress könnte allerdings unabhängig vom Weißen Haus mit schärferen Regeln nachziehen.
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