Durch den Deal hebelt Microsoft laut der Europäischen Kommission nicht den Wettbewerb aus.
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Brüssel, Düsseldorf Die Europäische Union gibt der bislang größten Übernahme in der Videospielebranche grünes Licht. Der Softwarekonzern Microsoft dürfe den Spielehersteller Activision Blizzard unter Auflagen schlucken, teilte die EU-Wettbewerbsbehörde am Montag mit.
Die Behörde von Kommissionsvizin Margrethe Vestager bezeichnete die von Microsoft angebotenen Zugeständnisse als ausreichend. Der Konzern hatte schriftlich zugesichert, dass Activision-Bestseller wie der Ego-Shooter „Call of Duty“ auch künftig auf Konkurrenzplattformen wie der „Playstation“ von Sony laufen können – zumindest über einen Zeitraum von zehn Jahren. Dies stelle „eine erhebliche Verbesserung im Vergleich zur aktuellen Situation dar“, teilte die Kommission mit.
Spieler können somit in den EU-Staaten sowie Norwegen, Island und Liechtenstein in diesem Zeitraum Call of Duty bei einem Cloud-Gaming-Dienst ihrer Wahl kostenfrei nutzen, sofern sie das Spiel einmal gekauft haben.
Damit kommt Brüssel zu einer anderen Einschätzung als die britische Wettbewerbsaufsicht. Die Competition and Markets Authority (CMA) hatte vor wenigen Wochen die Genehmigung für die 69 Milliarden Dollar schwere Übernahme verweigert. Die Briten fürchten, dass Microsoft danach eine marktbeherrschende Position in der Spielebranche hätte.
Entsprechend kritisierte die CMA noch am Montag den Entscheid. Die von der Kommission akzeptierten Vorschläge Microsofts würden es dem Konzern erlauben, die Bedingungen auf dem Markt für die nächsten zehn Jahre zu bestimmen, hieß es in einer Stellungnahme.
Die Konkurrenz, allen voran der japanische Konzern Sony, fürchtet vor allem um Call of Duty, eine der meistverkauften Spieleserien aller Zeiten. Sollte der internationale Bestseller nur noch von Microsoft-Diensten angeboten werden, so die Befürchtung, würden die Fans der Reihe ebenfalls nur noch dort spielen.
EU im Widerspruch zu UK und USA
Mit Brüssel hat Microsoft nun zumindest eine der drei großen Wettbewerbsbehörden auf seine Seite gezogen. Ob es am Ende hilft, ist fraglich: Denn die US-Wettbewerbsbehörde FTC hat ähnliche Bedenken wie die Briten. Sie hat gegen die Übernahme geklagt, die erste Anhörung ist für August geplant.
Brancheninsider mutmaßen, dass Microsoft den Deal nicht um jeden Preis durchbringen möchte. Vor allem der Zeitfaktor soll eine Rolle spielen. Ein Rückzieher dürfte jedoch mit einer erheblichen Entschädigungszahlung an Activision Blizzard verbunden sein.
Mit dem Kauf des führenden Spieleherstellers will Microsoft vor allem sein Cloud-Angebot „Game Pass“ aufwerten. Der Konzern versucht schon länger, das erfolgreiche Geschäft mit Computer- und Videospielen unabhängig von Spielesystemen zu machen. So gilt der Verkauf von Spielekonsolen – nicht nur bei Microsofts „Xbox“ – traditionell als Zuschussgeschäft. Das Geld wird mit den Games gemacht.
Im Konsolenbereich ist Sony mit seiner „Playstation“ Marktführer. Die Japaner bieten ebenfalls einen Online-Spieledienst an, der aber an die Hardware gebunden ist. In dem Kartellverfahren hatte Microsoft sich als Underdog im Vergleich zu Sony präsentiert.
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Die Firma warb damit, beliebte Titel wie Call of Duty auf mehr Plattformen zu bringen und so Millionen neue Spieler zu erreichen. Zum Beweis hatte Microsoft eine Partnerschaft mit dem Grafikchip-Spezialisten Nvidia verkündet, der ebenfalls eine Online-Spieleplattform betreibt. Das wiederum hat aber eher Nvidia selbst befriedet – das Unternehmen hat ähnliche Bedenken wie Sony angemeldet.
Der Chef von Activision Blizzard, Bobby Kotick, lobte das „extrem gründliche“ Verfahren der EU-Kommission. Er sagte, der in Frankreich gegründete Spielehersteller Activision habe tiefe Wurzeln in Europa und werde weiter investieren. Die Zahl der Mitarbeiter werde weiter wachsen dank „des entschlossenen, aber pragmatischen Handelns“ der europäischen Regierungen. Kotick selbst ist als CEO umstritten, vor der Übernahmeofferte war aufgrund mangelhafter Aufarbeitung von Missbrauchsvorwürfen und toxischer Kultur im Unternehmen bereits mit seinem Rücktritt gerechnet worden.
Die Anwälte von Microsoft hoffen derweil, dass die EU-Entscheidung die Stimmung in den USA und Großbritannien in ihrem Sinne beeinflussen wird. In den USA steht die Kartellentscheidung noch aus, in Großbritannien will Microsoft in die Berufung gehen. Brancheninsider hatten eine Zustimmung in der EU erwartet – allerdings auch letztlich nachhaltige Vetos aus London und den USA.
Mit Agenturmaterial.
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