Bangkok In Indien entsteht ein neuer Bankenriese, der mit ambitionierten Wachstumsplänen auf einen rasanten Aufstieg der Mittelschicht wettet. Das größte private Geldinstitut des Subkontinents, die HDFC Bank, befindet sich dieser Tage in den letzten Zügen einer Rekordfusion, die sie auf einen Schlag in die Liste der fünf größten Banken der Welt katapultiert.
Mit einer Marktkapitalisierung von mehr als 180 Milliarden Dollar positionierte sich Indiens neuer Finanzkoloss nach Daten von Bloomberg Anfang des Monats auf Rang vier der weltgrößten Banken – und lag damit vor Branchengrößen wie HSBC, Wells Fargo, der Bank of China und Morgan Stanley.
Den Aufstieg in die globale Finanzelite verdankt das Unternehmen dem Zusammenschluss mit seinem bisherigen Mutterkonzern, der Housing Development Finance Corporation (HDFC) – Indiens bislang größtem privaten Hypothekenanbieter. Nach der Zustimmung der Regulierungsbehörden trat die bereits im vergangenen Jahr angekündigte Fusion – die größte in Indiens Firmengeschichte – zum Monatsbeginn offiziell in Kraft.
Der letzte wichtige Schritt ist nun noch der Tausch von HDFC-Aktien in Anteilsscheine der HDFC Bank. Dieser Umtausch, der für kommende Woche vorgesehen ist, betrifft Vermögenswerte von mehr als 60 Milliarden Dollar.
Die HDFC Bank steigt mit der Transaktion zum zweitwertvollsten börsennotierten Unternehmen Indiens auf. Nur das Konglomerat Reliance des Multimilliardärs Mukesh Ambani, der in Indien Ölraffinerien, Einzelhandelsketten und einen Mobilfunkanbieter betreibt, ist mit einer Marktkapitalisierung von mehr als 210 Milliarden Dollar noch größer.
Bank plant 1500 neue Filialen pro Jahr
Wie Ambani kann auch die fusionierte HDFC Bank von sich behaupten, in dem 1,4 Milliarden Einwohner großen Schwellenland tief verwurzelt zu sein: Das Unternehmen zählt nun 120 Millionen Kunden, fast 180.000 Mitarbeiter und mehr als 8000 Niederlassungen.
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Konzernchef Sashidhar Jagdishan will es dabei nicht belassen. Er setzt auf eine aggressive Wachstumsstrategie und hofft, den zunehmenden Bedarf an Finanzdienstleistungen in dem bevölkerungsreichsten Land der Welt zu befriedigen. „Wir können uns glücklich schätzen, in Indien zu sein“, schrieb Jagdishan am Wochenende an seine Belegschaft. Die Wirtschaftsleistung des Landes werde Prognosen zufolge im kommenden Jahrzehnt von 3,5 Billionen Dollar auf acht Billionen Dollar ansteigen. „Der Markt für Finanzdienstleistungen und Hypotheken, der aktuell unterversorgt und wenig durchdrungen ist, wird sehr groß sein“, schrieb Jagdishan.
Unter seiner Führung wolle die HDFC Bank auf absehbare Zeit jedes Jahr mehr als 1500 neue Filialen eröffnen, „um die aufstrebende Mittel- und Oberschicht dieses riesigen Landes anzusprechen“. Jagdishan rechnet damit, dass sich seine Geschäfte rasch vervielfältigen werden: „Mit dem Tempo, mit dem wir wachsen wollen, könnten wir alle vier Jahre eine neue HDFC Bank gründen“, schrieb der 58-jährige Bankchef, der sich in seinen knapp drei Jahrzehnten bei HDFC zu einem der mächtigsten Finanzmanager Indiens hochgearbeitet hat.
Vor etwa drei Jahren fielen die IT-Systeme der Bank aus, sodass Kunden stundenlang keinen Zugriff auf ihr Geld hatten.
(Foto: Reuters)
Analysten in Indien zeigen sich beeindruckt: Es gebe weltweit nicht viele Banken dieser Größenordnung, die die Ambition hätten, sich in vier Jahren zu verdoppeln, kommentierte Suresh Ganapathy, Indien-Analyst bei dem Finanzdienstleister Macquarie. Volkswirte der Bank Morgan Stanley erwarten, dass das Kreditwachstum aufgrund von Synergien in der fusionierten Bank spürbar steigen wird, und setzten ihr Kursziel rund ein Viertel über dem aktuellen Wert.
Die HDFC-Banker erhoffen sich, dass bisherige Hypothekenkunden des früheren Mutterkonzerns weitere Finanzdienstleistungen nachfragen. Gleichzeitig sollen bei den bisherigen Kontoinhabern der HDFC Bank verstärkt Immobilienfinanzierungen beworben werden. „Aus Sicht der Bank bietet sich hier eine große Chance für Querverkäufe“, sagte HDFC-Bank-Vorstandsmitglied Keki Mistry.
Probleme mit der IT belasten die Bank
Das Geschäft mit Immobilienfinanzierungen ist für Indiens Finanzbranche eine der größten Wachstumshoffnungen. Bislang entspricht das Volumen der Hypotheken in dem Land lediglich elf Prozent der Wirtschaftsleistung. In China liegt es laut HDFC mit 26 Prozent deutlich höher. Auch die Länder in Südostasien kommen demnach auf 20 bis 40 Prozent. Die Branche rechnet damit, dass steigende Haushaltseinkommen und staatliche Unterstützungsprogramme die Nachfrage nach den Darlehen in Indien spürbar zunehmen lassen – trotz steigender Zinsen.
Insgesamt beläuft sich der Kreditbestand der HDFC Bank nun auf knapp 275 Milliarden US-Dollar. Bei dieser Kennzahl liegt sie aber in Indien noch auf dem zweiten Platz – hinter der Staatsbank SBI, die auf mehr als 300 Milliarden Dollar an Krediten kommt.
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Der Kampf um die Spitzenposition dürfte für HDFC nicht einfach werden: Bereits vor knapp drei Jahren stieß das schnelle Wachstum der Bank an seine Grenzen. Für zwölf Stunden fielen damals zentrale IT-Systeme der Bank aus. Kunden hatten in der Zeit über Bankautomaten oder digitale Bezahldienste keinen Zugriff mehr auf ihr Geld.
Es war nicht der erste schwere Ausfall in den IT-Systemen. Die Finanzaufsicht ordnete daraufhin an, dass die Bank vorübergehend keine neuen Kreditkarten mehr ausgeben durfte. Die Maßnahme wurde aber mittlerweile wieder aufgehoben. Bankchef Jagdishan muss vor Kunden und Regulierern nun aber beweisen, dass seine Technik auch dem erwarteten Wachstum der kommenden Jahre standhalten kann.
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